Grundsätzlich benötigen Mieter die Zustimmung des Vermieters, wenn sie einen Teil des gemieteten Wohnraums untervermieten oder nicht nur kurzfristig unentgeltlich Dritten überlassen wollen. Unter bestimmten Umständen haben Mieter aber ein Recht auf diese Zustimmung - wenn sie ein „berechtigtes Interesse“ geltend machen können.
„Wir müssen höchstrichterlich klären lassen, dass humanitäre Hilfe natürlich ein sogenanntes berechtigtes Interesse für eine Untervermietung ist – denn wir fürchten, dass sonst noch mehr geflüchtete und traumatisierte Menschen das vorläufige Zuhause verlieren, das sie in Deutschland gefunden haben“, sagt Beatrix Zurek, Vorsitzende vom Mieterverein München.
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Erstmeldung: 20. Dezember
München ‒ In der Regel braucht ein Mieter die Erlaubnis seines Vermieters, wenn er Menschen in seinem Wohnraum aufnehmen oder diesen untervermieten will. Wie sieht es aber aus, wenn es um geflüchtete Menschen, beispielsweise aus der Ukraine, geht?
Das Amtsgericht München hat dazu am heutigen Dienstag ein Urteil gefällt. „Die Entscheidung, ob Geflüchtete in Mietwohnungen und -häusern aufgenommen werden dürfen, liege beim Vermieter“, berichtet die dpa.
Hintergrund des Prozesses ist der Fall eines 45-jährigen Witwers aus Gräfelfing, der im Mai eine Frau (74) und ihre 15-jährige Enkelin bei sich aufgenommen hat und im Dachgeschoss wohnen ließ. Die Eigentümer wollten dem allerdings nicht zustimmen. Dagegen hat der Mann geklagt.
Das Amtsgericht München hat die Klage abgewiesen. Nach Angaben des Mietervereins stehe die detaillierte Urteilsbegründung noch aus.
„Ich bin Mieter eines Hauses, lebe mit meinen beiden Kinder auf 240 Quadratmetern Wohnfläche. Oben in unserem Dachgeschoss haben wir Platz, während die Geflüchteten aus der Ukraine in Unterkünften auf Feldbetten schlafen müssen“, sagt der 45-Jährige.
Wie der Mieterverein ausführt, „waren die Eigentümer, die auf dem gleichen Grundstück in einem anderen Haus leben, zunächst einverstanden, dass Geflüchtete für acht Wochen untergebracht werden“. Danach sollen sie ihre Zustimmung zurückgezogen haben.
Dagegen hat der Mann von zwei Kindern Klage eingereicht ‒ mit Unterstützung des Mietervereins München, der auch die Prozesskosten übernommen hat, „um den Fall höchstrichterlich klären zu lassen“.
„Wir prüfen die Urteilsbegründung und rechnen damit, in Berufung zu gehen“, sagt Stephan Immerfall, Leiter der Rechtsabteilung beim Mieterverein München.
Die Rechtslage beschreibt der Mieterverein folgendermaßen: „Wer einen Teil seines gemieteten Wohnraums untervermieten möchte oder wie in diesem Fall unentgeltlich Dritten überlassen will, braucht die Zustimmung der Vermieter*innen.“
Allerdings gibt es Fälle, in denen Mieter ein Recht auf diese Zustimmung haben – „wenn sie nämlich ,berechtigtes Interesse’ an der Untervermietung bzw. Überlassung nachvollziehbar begründen können“.
Ein solches berechtigtes Interesse liege in etwa vor, wenn Mieter sich die Wohnung ansonsten nicht mehr leisten können oder wenn sie eine Haushaltshilfe benötigen, die mit im Haus wohnt. Aber auch humanitäre Hilfe können ein solches berechtigtes Interesse sein.
Nach Auffassung des Mietervereins gebe es in diesem Fall aber mehrere berechtigte Interessen: „Zum einen ist inzwischen eine starke persönliche Bindung zwischen den Familien entstanden.“
Die ältere Dame kümmere sich mit um die Kinder und den Familienhund und helfe im Haushalt. Der zweifache Vater habe für das 15-jährige Mädchen, das durch den Krieg und den Tod der Mutter traumatisiert ist, psychologische Hilfe organisiert.
„Darüber hinaus ist aber auch humanitäre Hilfe ein berechtigtes Interesse“, begründet der Mieterverein seine Haltung.
Herr P. möchte seinen Teil dazu beitragen, den unter dem Krieg leidenden Menschen zu helfen. Dieses Urteil ist nicht nur für die beiden Ukrainerinnen einschneidend, es kann auch für viele andere Geflüchtete bedeuten, dass sie in einer ohnehin belastenden Situation zurück in Unterkünfte müssen. Wir werden uns nach Prüfung des Urteils weiter dafür einsetzen, dass humanitäre Hilfe in einer Notlage ein berechtigtes Interesse ist.
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