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Schock für den Chef: Warum Scheinselbstständigkeit oft dramatische Konsequenzen hat

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Haushalt
Beim Thema Scheinselbstständigkeit geht es auch um Geld. (Symbolbild) © Panthermedia/zestmarina

Wer dauerhaft für eine Firma arbeitet, aber eigentlich selbstständig ist, gilt als sogenannter Scheinselbstständiger. Welche Risiken damit verbunden sind - vor allem für den Arbeitgeber - erklärt ein Münchner Fachanwalt.

München - „Eine Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine erwerbstätige Person nur dem Schein nach selbstständig ist“, erklärt Albert Cermak, Fachanwalt für Arbeitsrecht in München. In Wirklichkeit sei die Person „abhängig beschäftigt, also Arbeitnehmer. Es kommt hierbei nicht darauf an, was im Vertrag vereinbart ist, sondern wie die tatsächlichen Verhältnisse sind.“

Als nicht selbstständig gelte die Arbeit, wenn die oder der Beschäftigte in persönlicher Abhängigkeit steht. „Die Abgrenzung kann hierbei schwierig sein. Anhaltspunkte dafür sind die Eingliederung in einen fremden Betrieb und die Weisungsgebundenheit bezüglich Zeit, Ort, Dauer und Art der Tätigkeit.“

München: Wenn Beschäftigte in persönlicher Abhängigkeit stehen, gilt ihre Arbeit als nicht selbstständig

Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit sind Cermak zufolge das Tragen des Unternehmensrisikos, das Vorliegen einer eigenen Betriebsstätte und eine frei gestaltete Arbeitszeit und Tätigkeit sowie selbst akquirierter Kundenstamm. „Die Scheinselbstständigkeit hat steuer-, sozialversicherungs- und arbeitsrechtliche Auswirkungen. Für Arbeitnehmer gilt die Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht, die für den Arbeitgeber mitverpflichtend ist.“

Im Sozialversicherungsrecht gehe es um die Frage, wer Sozialabgaben abzuführen hat (also Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung). „Wenn nachträglich eine abhängige Beschäftigung im Wege des Statusfeststellungsverfahrens rechtskräftig festgestellt wird, trifft den Arbeitgeber die Nachzahlungspflicht für die Sozialversicherungsbeiträge bis zu vier Jahre rückwirkend“, sagt Cermak.

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Arbeits- und Sozialrecht: Scheinselbstständigkeit hat oft dramatische Konsequenzen

Im Arbeitsrecht habe die Feststellung der Scheinselbstständigkeit zur Folge, dass der Scheinselbstständige sämtliche Ansprüche erhält, die ihm vorenthalten wurden. „Finanziell ist dabei vor allem der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub zu nennen. Der europäische Gerichtshof stellte klar, dass die Urlaubsansprüche eines Scheinselbstständigen keine Verfallfrist haben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich 2019 dem Urteil des EuGH angeschlossen.“

Verfall von Urlaub könne demnach nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. „Einen solchen Hinweis erteilt der Arbeitgeber in Fällen von Scheinselbstständigkeit typischerweise nicht - er tut ja so, als gäbe es keine Urlaubsansprüche.“

Eine zeitliche Einschränkung habe das BAG aber im Urteil vom 31.1.2023 doch gemacht: Der Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Urlaubs (nach beendetem Arbeitsverhältnis) müsse innerhalb der regulären Verjährungsfrist (drei Jahre zum Jahresende) nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden.

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