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Gibt‘s jetzt bei jeder Semmel eine Quittung? Kassenbon-Pflicht sorgt für Ärger

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Das neue Kassengesetz soll Manipulationen und Steuerbetrug vermeiden, doch es bringt neben hohen Kosten und Umweltbelastungen auch viel Ärger mit sich.

München - Hohe Kosten, unnötiger bürokratischer Aufwand, Belastung für Umwelt und Gesundheit – die Kritikpunkte am sogenannten Kassengesetz und der damit einhergehenden Bon-Pflicht sind zahlreich. Denn im Kampf gegen den seit Jahren grassierenden Steuerbetrug am Ladentisch sollen mit dem Jahreswechsel Kassen technisch aufgerüstet werden. Bei jeder Transaktion sollen Händler dann auch einen Beleg ausgeben – ob beim Bäcker oder am Tresen im Club. Nur: Die Kassentechnik ist noch nicht einmal verfügbar.

Fakt ist: Der Staat verliert hohe Summen, weil manche Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen – vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Den von der Steuergewerkschaft und einigen Ländern bezifferten Schaden von jährlich zehn Milliarden Euro hielt das Bundesfinanzministerium bisher aber für zu hoch. Nach einer passenden Lösung des Problems suchten Bund und Länder viele Jahre, auch der Bundesrechnungshof mahnte immer wieder Maßnahmen gegen Mogelkassen an.

Das Kassengesetz soll es richten: Neue Regelung könnte „unverhältnismäßige Kosten“ verursachen

Jetzt soll es die Kassensicherungsverordnung richten – oder kurz: das Kassengesetz. Demnach sollen Kassen durch eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) fälschungssicher werden. Ursprünglich sollten Kassen bis zum Jahresbeginn 2020 die neuen Vorschriften erfüllen, das Finanzministerium räumte nun Zeit bis Ende September ein. Die Bon-Pflicht gilt trotzdem schon von Januar an.

Cetin Acar vom Handelsforschungsinstitut EHI schätzt, dass die neue Regelung „unverhältnismäßige Kosten“ verursachen wird. Auch der Handelsverband HDE geht von hohen Summen für Betriebe aus: Erste Kostenschätzungen liegen „einschließlich Installation zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse“.

Allein die Umrüstung der Kassen könnte Bäcker und Metzger sechsstellige Beträge kosten

Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), sagt: „Mit der Pflicht zur Bonausgabe bürdet die Politik dem Handwerk unnötige Kosten und Bürokratie auf.“ Schon die Umrüstung der Kassen könne große Bäcker oder Metzger mit vielen Filialen sechsstellige Beträge kosten. „Mich stört außerdem, dass den Unternehmern durch die ‚Bon-Pflicht‘ indirekt Unehrlichkeit bei der Steuer unterstellt wird.“ Laut Gesetz bestehe die Möglichkeit, sich in gewissen Fällen davon befreien zu lassen. „Dies muss auch mit Blick auf die Müllvermeidung rasch umgesetzt werden. Die allermeisten Kassenzettel wandern schließlich sofort in die nächste Tonne“, sagt Peteranderl.

In einzelnen Branchen könnten die Kosten noch höher ausfallen – etwa bei Metzgereien. Denn dort sind Kassen und Waagen verbunden. „Die technische Aufrüstung einer Kasse oder einer Waage kostet pro Gerät zwischen 600 und 1300 Euro“, sagt Lars Bubnick, Geschäftsführer des Fleischerverbandes Bayern. Ein kleiner durchschnittlicher Metzgereibetrieb habe meist drei Waagen und eine Kasse. „Viele kleinere Metzgereien in Bayern haben bereits angekündigt, dass sie ihr Geschäft zusperren werden, wenn erneut komplette Neuanschaffungen notwendig werden.“

Eine Bäckerei wehrt sich jetzt kreativ gegen die Bonpflicht - und wird dafür gefeiert. Auch aus der Politik hagelt es Kritik. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) verteidigte nun das neue Gesetz - und stellt sich drastischen Vorwürfen

dpa, thi, sh

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