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Kleinste Teilchen: Wie Quantenforscher an der Welt von morgen tüfteln

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Rudolf Gross zwischen Quantenrechner (links) und LAN-Kabel (rechts).
Rudolf Gross zwischen Quantenrechner (links) und LAN-Kabel (rechts). © Marcus Schlaf

Ultraschnelle Computer, riesige Datenspeicher in der Hosentasche, supersensible Sensoren und absolute Abhörsicherheit: Das alles soll die Quanten-Technologie möglich machen. Die Welt dieser allerkleinsten Einheiten („Quantum“ bedeutet „Menge“) ist faszinierend – und Münchner haben dabei die Nase vorn.

Bereits Anfang der 2000er-Jahre entstanden in Garching die ersten Teile von Quanten-Computern. „Die Stadt hat einen exzellenten Ruf in Sachen Grundlagenforschung“, sagt Rudolf Gross, Professor für Technische Physik an der TU. „Doktoranden aus aller Welt wollen an unseren Projekten teilnehmen.“ Was jetzt zählt, ist die Umsetzung der Erkenntnisse. „Da befinden wir uns gerade in einem Marathon-Rennen mit China und den USA“, sagt Gross. „Wir dürfen es auf keinen Fall verpassen, unsere Spitzenforschung in die Praxis zu bringen.“

Wir haben uns auf dem Campus der TU in Garching umgesehen. Woran arbeiten Münchens Quanten-Stars derzeit? Welche ihrer Projekte haben Zukunft? Was kann das für unseren Alltag bedeuten? Und können wir uns schon bald teleportieren?

Die Arbeit am Supercomputer

Normale Halbleiter-Chips, wie sie heute in Computern verwendet werden, stoßen an Geschwindigkeitsgrenzen, man muss immer mehr von ihnen zu Super-Servern verbinden. „Wir brauchen Rechner, die immer schwierigere Aufgaben durch größere Rechenleistung kompensieren“, sagt Rudolf Gross. Genau das können Qubits, die auf Quanten-Chips zum Einsatz kommen. Sie sind viel schneller etwa beim Durchsuchen von Datenbanken und Zerlegen von Zahlen. Komplizierte Aufgaben wie Wetter-Simulationen oder Simulationen von molekularen Reaktionen stemmen sie besser als normale Rechner. Zum Einsatz könnte das etwa in der Pharma-Branche kommen: Medikamente könnten am Rechner statt an Tieren entwickelt werden.

Gross und sein Team bauen Quantencomputer, die mit Mikrowellen-Photonen kommunizieren. Als erstes Forscherteam haben sie zwei solcher Rechner verbunden, der Abstand beträgt sieben Meter. Das ist spektakulär, weil die Infos zwischen den Rechnern nicht „fließen“, sondern per Quanten-Verschränkung teleportiert werden – mit annähernder Lichtgeschwindigkeit. Allerdings sind Qubits sensibel, die Leistung schwankt stark und ist schwer auf größere Verhältnisse übertragbar. Zudem sind Qubits derzeit nur bei rund - 270° Celsius steuerbar. Experimente zur Verbesserung laufen.

Die kleinsten Dinge sehen

Wer in die Welt der kleinsten physikalischen Teilchen blickt (oder das versucht), bekommt es mit sensiblen Zuständen zu tun. Diese Eigenschaft kann ein Vorteil sein. Etwa dann, wenn man Schwerkraft, Dunkle Materie oder Neutrinos (Mini-Teilchen im Atomkern) messen will. Oder wenn man eine ganz exakte Positionsbestimmung braucht. Ligo, der größte Positionssensor der Welt, schafft Letzteres per Licht-Quanten mit einer Genauigkeit von zehn hoch minus 19 Metern - das entspricht etwa der Größe eines halben Atomkerns. 

Eva Weig, Professorin für Nano- und Quanten-Sensorik, versucht es mit Nano-Quanten-Strings. „Diese Saiten aus Silizium-Atomen sind 1000 Mal dünner als ein Haar“, beschreibt sie. „Wir bringen sie zum Vibrieren und testen ihre Reaktion unter verschiedenen Einflüssen wie Schallwellen, Laserimpulsen, Elektrizität.“ Das Ziel: Die Strings sollen eines Tages in der Forschung andere Quantenvorgänge messen, aber auch in der Wirtschaft Messungen erledigen, die bisher aufwendig sind – zum Beispiel Böden von Verkaufsgrundstücken auf Schadstoffe analysieren oder unter der Erde Rohstoffe finden. „Dabei wollen wir natürlich eine hohe Lebensdauer der Nano-Strings erreichen“, so Weig.

Eva Weig mit Messgeräten, die ihre Nanostrings analysieren.
Eva Weig mit Messgeräten, die ihre Nanostrings analysieren. © Marcus Schlaf

Der Schrecken der Hacker

Die Verschränkung von Quanten – also ihr Gleichverhalten auf Distanz, aber nur bei Messung – kann vor allem fürs Verschlüsseln von Daten wertvoll sein. Denn logisch: Informationen, die überhaupt erst entstehen, wenn die Quanten am Ziel sind, kann man vorher nicht hacken. Andreas Reiserer, Professor für Quanten-Netzwerke, hat deshalb viel damit zu tun, Photonen über möglichst lange Distanzen per Glasfaserkabel zu verschicken. „Bis zu 100 Kilometer sind derzeit möglich“, erklärt er, „so lange bleiben die Quantenzustände erhalten. Danach sind die Verluste in den Glasfasern zu groß. Bei größeren Abständen muss man daher zwischendurch Messungen durchführen.“

Während die Quanten reisen, ist hacken unmöglich, an den Messpunkten aber schon. Dem künftigen Netzbetreiber sollte man also schon vertrauen, er muss die Zwischenstationen gut sichern. Ziel von Reiserers Team ist folglich der globale Langstreckenversand – so sinkt das Abhörrisiko auf Null. Erreichen will er das, indem er die Messstationen eines Tages durch Quanten-Repeater auf den Chips ersetzt. Rasend schnell wird das abhörsichere Netz allerdings nicht. Momentan läuft das Ganze mit 1 MB pro Sekunde. „Das klassische Internet wird zum Shoppen und Streamen also noch lange erhalten bleiben.“ 

Andreas Reiserer testet seine Qubits und Kabel vor dem Einsatz im Kryo-Behälter.
Andreas Reiserer testet seine Qubits und Kabel vor dem Einsatz im Kryo-Behälter. © Marcus Schlaf

Nachdenken über das Risiko der Technologie

Wer Mühe hat, die hier vorgestellten Quantentechnologien zu verstehen, gehört zum größeren Teil der Menschheit. Die Aufgabe von Urs Gasser, Rektor der Hochschule für Politik, und Fabienne Marco, Leiterin des Quanten-Gesellschaftslabors, ist es, fachfremde Menschen aufzuklären. „Wissenschaftlich sind wir noch Dekaden weit weg von alltäglichen Quanten-Anwendungen“, sagt Gasser, „aber was, wenn wir zu spät mit der Aufklärung dran sind? Die Kosten könnten viel höher sein als jetzt beim Thema KI.“

Denn Quantentechnologie birgt auch Risiken. Sie könnte zum Beispiel eines Tages so wirksame Entschlüsselungsverfahren bringen, dass praktisch kein Staatsgeheimnis mehr geheim und keine Privatnachricht mehr privat ist. Im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz könnte Quantentechnologie so dominierend werden, dass alle, die nicht über sie verfügen, zu Verlierern werden. Wer darf sie benutzen? Und: „Welche Anwendungen wollen wir, welche nicht?“, fragt Fabienne Marco.

Die beiden Forscher bringen jetzt schon mit ihrem Quantworld-Project Basiswissen in die Ministerien sowie in die Medizin-, Mobilitäts- und Banken-Branche. „Was kann da im Alltag auf uns zukommen? Unser Ziel ist es, jetzt schon ein ethisches Fundament zu etablieren.“

Basiswissen in Sachen Quanten: Urs Gasser und Fabienne Marco erklären das Unerklärliche.
Basiswissen in Sachen Quanten: Urs Gasser und Fabienne Marco erklären das Unerklärliche. © Marcus Schlaf

Was sind Quanten?

Quanten sind die kleinsten physikalischen Einheiten. Dabei geht es zum Beispiel um Atome, Ionen (negativ oder positiv geladene Atome) oder Photonen, also Lichtteilchen. Unter ihnen gelten ganz andere physikalische Gesetze als in der normalen Welt, wie wir sie kennen. Ihre besonderen Eigenschaften macht sich die Quantentechnologie zunutze.

Zum Beispiel gibt es die sogenannte Verschränkung: Quanten aus derselben Quelle (etwa Photonen aus demselben Laser) verhalten sich gleich, auch wenn sie weit auseinandergelenkt werden. Dieser Effekt zeigt sich in Messungen: Misst man für Photon 1 eine bestimmte Polarisation, zeigt auch das verschränkte Photon 2 exakt dieselbe Polarisation. Albert Einstein nannte das „geisterhafte Fernwirkung“. Für den Beweis dieser Fernwirkung erhielten Forscher 2022 den Nobelpreis.

Zudem können Quanten gleichzeitig mehrere Zustände einnehmen. Das heißt, solange man sie nicht misst, haben Lichtteilchen sowohl Polarisation 1 als auch Polarisation 2. Ein berühmtes Gedankenexperiment dazu ist Schrödingers Katze: Würde man an so ein ungemessenes Photon eine Todesfalle mit einer Katze darin koppeln, wobei Polarisation 1 für Leben und Polarisation 2 für Tod steht, wäre die Katze gleichzeitig tot und lebendig. Schrödingers Katze wird daher oft als Symbol für Quantentechnologie verwendet. Das Experiment wurde nie in der Realität umgesetzt, es ist reine Theorie!

Für IT und Industrie sind beide Quanteneffekte hochinteressant. Noch ist nichts sicher, aber man verspricht sich von ihnen eine unglaubliches Tempo im Informationsfluss, große Rechnerleistungen, supersensible Sensoren und weit fortgeschrittene Ver- und Entschlüsselungstechniken. 

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