Geplanter Führerschein ab 16 sorgt bei Münchner Fahrschulen für gemischte Gefühle
Mit dem neuen Koalitionsvertrag wagt die bayerische Landesregierung nun den Vorstoß in Richtung Führerschein ab 16 Jahren. Bei Münchner Fahrschulen kommt das nicht gut an.
München – Statt in den frostigen Morgenstunden dick eingepackt an der Bushaltestelle zu stehen, anschließend in einem völlig überfüllten Schulbus durch den Landkreis zu tuckern und erst nach einer scheinbaren Ewigkeit die Schule zu erreichen, doch lieber in das Auto steigen und selbst zum Unterricht düsen. Das ist wohl der Traum eines jeden Schülers – gerade auf dem Land, wo der ÖPNV mehr als ausbaufähig ist.
Was etwa in den USA dabei schon längst gang und gäbe ist, soll wohl auch in Bayern in Ausnahmefällen bald möglich sein: der Auto-Führerschein mit 16 Jahren. Diesen Vorstoß wagt nun die bayerische Landesregierung im neuen Koalitionsvertrag. Bei Münchner Fahrschulen kommt das geplante Vorhaben allerdings nicht gut an.
Führerschein mit 16: Fahrschulen sehen Möglichkeit kritisch
Unter dem Aspekt „umfassende Mobiliät“ will sich die neu formierte Regierung in den kommenden Jahren für den Führerschein ab 16 Jahren einsetzten, heißt es im neuen Koalitionsvertrag. Konkret formulieren CSU und Freien Wähler ihr Anliegen auf Seite 76: „Wir setzen uns dafür ein, dass in besonderen Ausnahmefällen (Fahrten von und zur Arbeits- und Ausbildungsstätte) eine Fahrerlaubnis der Klasse B ab 16 Jahren durch die Verwaltungsbehörden erteilt werden kann.“

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Bedeutet im Klartext: In speziellen Fällen dürfen schon 16-Jährige über Bayerns Straßen mit dem Auto zur Schule oder in die Arbeit fahren. Was für viele auf dem Land eine Erleichterung sein kann, empfinden Münchner Fahrlehrer jedoch als zu gefährlich. „Bei den meisten Jugendlichen herrscht noch eine gewisse Unreife, daher ist das Vorhaben eher negativ zu bewerten“, betont etwa Klaus Körmer, Inhaber der gleichnamigen Fahrschule.
Münchner Fahrlehrer sehen in der Fahrerlaubnis ab 16 eine Gefahr für die allgemeine Verkehrssicherheit
Körmer spricht aus Erfahrung. Der Fahrlehrer betreibt nach eigenen Angaben die älteste Fahrschule in München und begleitet Fahrschüler seit Jahrzehnten auf ihrem Weg zur Selbstständigkeit. „Viele Jugendliche können noch gar nicht verantwortungsbewusst genug mit einem Auto umgehen“, ist sich Körmer sicher. Mit seiner Ansicht ist er nicht allein.
Auch Stefan Kohl von der Pasinger Fahrschule 1-2-3-Drive steht dem Führerschein ab 16 skeptisch gegenüber. „Manche sind mit 16 Jahren einfach noch nicht so weit, physisch und psychisch“, meint er. Ein ausschlaggebender Punkt sei zudem die fehlende Erfahrung im Straßenverkehr: Nicht umsonst zähle der kleine Motorradführerschein A1 zu den anspruchsvollsten Ausbildungen, betont eine Sprecherin der Fahrschule Biewbow-Heise.
„Bei den AM und A1 Klassen merkt man ganz stark, dass die Jugendlichen noch nie aufmerksam auf der Straße unterwegs waren“, sagt sie. Dabei fange es schon beim Wissen über Verkehrsschilder an. Dass also 16-Jährige alleine mit einem Auto fahren dürfen, ist für sie unverständlich. „Das ist der Verkehrssicherheit nicht dienlich“, ergänzt Körmer.

Münchner Fahrlehrer stellen sich gegen die Möglichkeit des Führerscheins mit 16 Jahren
Die Stimmungslage zum Führerschein ab 16 Jahren scheint bei Münchner Fahrlehrern demnach eindeutig. Gänzlich vor dem Vorhaben verschließen wollen sich viele dennoch nicht. Zu notwendig sei der Führerschein für viele Jugendliche – gerade auf dem Land. „Sowas kann in ländlichen Regionen schon infrage kommen, aber nur in wirklichen Ausnahmefällen“, sagt Gerrit Bartl.
Der Fahrlehrer der gleichnamigen Fahrschule kennt die Wünsche seiner Schützlinge nur zu gut. „In Allach haben wir relativ viele Bauernburschen. Bei denen funktionieren die Fahrstunden recht gut, da die schon viel Erfahrung haben und teils auf dem Hof schon mit dem Traktor umherfahren“, erzählt Bartl.
Andererseits habe er auch schon Fahrschüler gehabt, die sich „einfach doof“ angestellt hätten und bei denen es schlichtweg an der Reife für den Führerschein gefehlt habe. Für ihn sei der Führerschein ab 16 demnach Abwägungssache.
Lösungsmöglichkeit für Fahrschüler: Begleitetes Fahren ab 16 Jahren in Ausnahmefällen
Ähnlich sehen das auch Bartls Kollegen. „Auf dem Land kann das in Einzelfällen durchaus sinnvoll sein. Dort herrscht auch geringeres Verkehrsaufkommen als beispielsweise in der Stadt“, betont Christian Fiedler von der Fahrschule Fiedler. Dennoch sind sich alle einig: Mit 16 Jahren alleine im Auto sitzen zu dürfen, sei verfrüht und zu gefährlich. Nicht umsonst müsse bereits beim Führerschein mit 17 Jahren eine Begleitperson mit im Auto sein.
„Ich könnte mir vorstellen, das begleitete Fahren in Ausnahmefällen auf 16 Jahre herunterzusetzen“, sieht Kohl als Option. Eine bewährte Alternative biete hingegen auch der Motorradführerschein A1. „Wir haben schon Führerscheine, die ab 16 Jahren machbar sind. Die reichen in der Regel aus“, heißt es von Seiten der Fahrschule Biebow-Heise.
Fahrschüler wollen Führerschein hingegen schon mit 16 Jahren machen
Ob und inwieweit die Regierung in ihrer kommenden Legislaturperiode auf den Führerschein ab 16 Jahren eingehen werden, wird sich zeigen. Fest steht jedoch: Fahrlehrer betrachten den Aspekt im Koalitionsvertrag mit kritischen Augen.
Nicht so die Jugendlichen, die es kaum erwarten können, mit einem Führerschein ein Stück weit Freiheit zu erlangen. „Für mich wäre das super gewesen“, hört man etwa Fahrschülerin Annika im Hintergrund die Aussagen ihres Fahrlehrers Christian Fiedler kommentieren.
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