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Kommentar zu Annas Brief: Zurück zur Mitte

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Thomas Kaspar.
Thomas Kaspar. © tz/merkur

München - Annas Abschiedsbrief hat eine Diskussion um Integration ausgelöst. Sie zu führen ist wichtig, noch wichtiger ist der richtige Ton. Ein Plädoyer von Thomas Kaspar für den Abschied von Extremen.

Wer schon einmal eine Gitarre gestimmt hat, weiß dass Extreme nichts bringen. Lasches Durchhängen erzeugt keinen Ton und zu strammes Spannen zerreißt die Saite. Der richtige Klang entsteht dazwischen. Zumindest die richtige Saite hat der Brief einer verzweifelten Mutter angeschlagen, der wie kaum ein Dokument unsere Redaktion spaltet. Der Text wirft alles in einen Topf: Ausländer, Flüchtlinge, Hunde im Park, Kiffer. Es wäre ein Leichtes, Gründe zu finden, ihn nicht zu veröffentlichen. 

Nach mehreren Gesprächen mit Anna, der Autorin, haben wir uns dazu entschlossen ihn doch zu veröffentlichen.

Kurz darauf dann der Brief der Garmischer Bürgermeisterin, in dem sie besonnen, aber in klaren Worten die Probleme mit Flüchtlingen vor Ort benennt und um Hilfe ruft.

Wir haben aufgehört zu zählen, wie viele Zuschriften wir erhalten haben. Egal, ob die Leser Anna zustimmen oder nicht: Die Diskussion ist auf dem Tisch und wird geführt. Es ist wahrscheinlich der wichtigste Dialog, den wir in Deutschland gerade führen müssen.

Viele Leser – auch aus der Mitte der Gesellschaft - fühlen sich nicht gehört und verstanden. Das Vertrauen in Politik, Medien und andere gesellschaftliche Institutionen schwindet rapide, weil die eigenen Ängste von niemand angesprochen, ja manchmal abgetan werden. 

Diese Situation ist der Nährboden für Extremisten. Das Lied der Populisten klingt immer einfach: „Wir hören dir zu. Wir verstehen dich. Du bist nicht allein.“ Auf dieser Pseudo-Empathie gedeihen Zuspitzungen und Katastrophen-Szenarien. Denn, wer sich endlich verstanden fühlt, glaubt etwas mehr und schneller die völlig übertriebenen Schlussfolgerungen. 

Wir müssen unsere Worte abrüsten, sonst reißt die Saite des Dialogs: Man ist nicht gleich ein „Nazi“ oder „Fackelträger“, wenn man sich unwohl fühlt und das gern sagen möchte. Und genauso ist die Verunglimpfung als „Gutmensch“ und „Biodeutscher“ unsäglich, wenn jemand für Differenzierung wirbt und vor Vorverurteilungen warnt. Es kommt eben auf den richtigen Ton an. In der Mitte liegt die Lösung. In der Mitte ist Dialog möglich. Und echter Dialog ist die Grundlage zum gemeinsamen Lösen der Probleme.

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