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Die kurze Ski-Karriere des Christian U.

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Die Jugend in Pülümür/Anatolien verfolgt staunend die Gleichgewichtsübungen von Christian Ude (oben im Olympia-Dress). Als Student reiste er mit einem Freund nach Anatolien: Der Fotograf wollte dort Wölfe ablichten.
Die Jugend in Pülümür/Anatolien verfolgt staunend die Gleichgewichtsübungen von Christian Ude (oben im Olympia-Dress). Als Student reiste er mit einem Freund nach Anatolien: Der Fotograf wollte dort Wölfe ablichten. © Archiv

München - Durch einen Dringlichkeitsantrag des ÖDP-Stadtrats Tobias Ruff kam am Mittwoch ein gut gehütetes Geheimnis von Oberbürgermeister Christian Ude ans Tageslicht: Udes kurze, aber heftige Skifahrerkarriere.

 Ruff wollte erreichen, dass Ude als Vertreter der Stadt nicht am Skispektakel „Snow City“ vor der Siemenszentrale auf dem Wittelsbacher Platz teilnimmt. Auch die Grünen bedauern dieses Event, das „den Nachhaltigkeitsgedanken unserer Olympia-Bewerbung konterkariert“. Das sei eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung, beschied Ude. Er werde zusammen mit Siemens-Chef Peter Löscher die Veranstaltung eröffnen, aber keinesfalls, wie einmal vorauseilend von der Konzernpressestelle verlautbart, mit Löscher einen „Kurzschwungauftritt“ hinlegen.

OB Ude ganz oben: Ungewöhnliche Bilder

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Hinlegen – ein adäquater Begriff im Zusammenhang mit Udes erster Episode auf Skiern mit nachhaltigen Folgen, die der Kämpfer für Olympia 2018 dem Stadtrat überzeugend darstellte: „Ich bin einmal im Alter von 13 Jahren eine Viertelstunde Ski gefahren und hatte danach einen doppelten Spiralbruch am Schienbein.“ Die Konsequenz daraus: „Seither lasse ich mich nie wieder von irgendjemandem auf Skier schnallen!“

Ganz stimmt diese Aussage nicht, wie die tz recherierte. Ein Foto beweist, dass sich der durch das Kindheitserlebnis Traumatisierte als junger Mann bei einem Besuch in Pülümür/Anatolien auf kurze Bretter drängen lässt. Dass er sich dort nicht in seinem Element fühlt, ist allerdings ersichtlich. Kein Wunder, nach dem Ur-Erlebnis, das er im Winter 1961 in der Wildschönau durchlitt. „Meine Eltern schickten mich als Anstandswauwau mit meiner Schwester, die war damals Abiturientin, und ihrem Verehrer in den Skiurlaub.“

Schwester Karin und ihr Sportsfreund ließen den Kleinen unten üben und entschwebten. „Auf fürchterlich langen Holzbrettern“ versuchte der junge Christian, ein Gefühl für Schnee zu entwickeln. Stattdessen schaffte er es, „die Ski zwar parallel zu stellen, aber die Spitzen deuteten in entgegengesetzte Richtung.“ Diese Stellung war fatal: „Ich bin ganz langsam umgefallen, auf ebenem Gelände, und plötzlich krachte es im Gebälk.“

Rettung kam erst nach lauten Hilferufen – auch eine entwürdigende Erfahrung: „Ausgerechnet Kinder aus dem Dorf kamen und schleppten mich auf einem Schlitten in die Pension.“ Dort wartete er in liegender Position auf Karin und ihren Beau. Dem erst spätnachmittags heimkehrende Pärchen blühte statt der erwarteten „Liebesnacht ein Verletztentransport mit dem VW Käfer ins Rotkreuzkrankenhaus.“ Weil dort falsch gegipst wurde, musste Ude später operiert werden. Die Narbe „a. li. Schienbein“ wurde im Pass als besonderes Merkmal notiert – das übersetzten die Deutschunkundigen im hinteren Anatolien später als seinen Namen: Ali Schienbein.

Erst jetzt erkennt Ali Schienbein alias Christian Ude den Nutzen seines unglücklichen Wintersport­erlebnisses: „Ich bin der lebende Beweis, dass auch Sportmuffel von der Idee Olympischer Winterspiele in München begeistert sein können.“

Barbara Wimmer

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