1. tz
  2. München
  3. Stadt

„Das ist jetzt mein Untergang“: Münchner lebt seit drei Jahren in seinem Auto

Erstellt:

Von: Julian Limmer

Kommentare

Seit drei Jahren lebt ein Mann in München in seinem Honda. Ein Platz in einem Wohnheim kam für ihn trotzdem nicht infrage.

München - Edgar S. (77) knipst die Lichterkette seines Zwerg-Christbaums an. Liebevoll hat er ihn zwischen Lenkrad und Armaturenbrett seines Honda Civic platziert. Direkt vor seinem Bett – dem Fahrersitz seines Wagens. Seit drei Jahren schläft und lebt Edgar S. in seinem Auto – zurzeit auf einem Parkplatz im Münchner Südwesten.

Mann vor Auto
Edgar S. vor seinem „Zuhause“. © Götzfried

Der Innenraum ist so etwas wie eine Wohnung für ihn geworden: rund zwei Meter lang, eineinhalb Meter breit, und einen Meter hoch, „mein Dach über dem Kopf“, sagt er. Und ein bisschen Deko schade da nicht: Den Christbaum, der rund 30 Zentimeter aus einem Blumentopf herausragt, hat ihm ein Passant geschenkt: „Eine liebe Geste“, findet Edgar S. – gerade im Winter. Überhaupt: Ohne die Hilfe der vielen Passanten, seiner „Engel“, wie er sie nennt, ginge es nicht: „Sie bringen mir oft Kaffee oder Frühstück vorbei, lassen mal ein wenig Geld da.“ Davon lebe er größtenteils, sagt er in leichtem Berliner Dialekt.

Mann aus München lebt im Auto: „Habe nie in die Rentenversicherung einbezahlt“

Edgar S. kam in den 70ern von Ost-Berlin nach München – mit einem fremden französischen Reisepass, ohne eine Mark in der Tasche, wie er erzählt. Sein Leben lang habe er als Masseur gearbeitet, über 30 Jahre davon selbstständig. Sein Problem: „Ich habe nie in die Rentenversicherung eingezahlt. Das ist jetzt mein Untergang.“ Vor drei Jahren verlor er im Zuge eines Eigentümerwechsels seine Wohnung in Sendling und fand keine neue.

Er sagt: „Ich habe damals unterschätzt, wie schwer es in München ist, mit wenig Geld eine Wohnung zu finden.“ Er erhielt zwar das Angebot, im Wohnheim für obdachlose Männer an der Pilgersheimer Straße in Untergiesing unterzukommen. „Aber das sind doch keine Verhältnisse“, sagt er. Die vielen Mitbewohner, der Trubel – er lehnte ab. Stattdessen kaufte er sich für rund 2500 Euro einen etwa 20 Jahre alten Honda. Darin hat Edgar S. alles verstaut, was er besitzt: Kleidung, Zigaretten, Cremes und unzählige Plastiktüten, die fast den gesamten Wagen ausfüllen.

Das Beifahrerfenster ist zerstört worden – damit es nicht reinregnet, hat S. das Loch mit Klebeband verschlossen. In seinem Reich auf vier Rädern soll es trocken bleiben. Das Auto selbst läuft allerdings nicht mehr: Motorschaden. Einkäufe erledigt Edgar S. mit seinem Damenfahrrad, auf dessen Gepäckträger er einen Korb montiert hat. Auf den Toiletten von Supermärkten wäscht er sich. Und wenn er Zeitung lesen will, fährt er in Spielhallen – dort gibt es sie umsonst.

Helfen Sie? Stimmen Sie mit ab.

Münchner über sein Leben im Honda: „Als früherer Soldat bin ich abgehärtet“

Und die Kälte im Winter? Die mache ihm nicht viel aus, sagt er. Er sei schließlich mal bei der Armee gewesen: „Als früherer Soldat bin ich abgehärtet.“ Krank fühle er sich fast nie. Nur sein neuer Stellplatz, der gefalle ihm nicht sonderlich: Früher stand er zentraler – ein paar hundert Meter entfernt. Dann wurde er von einem Abschlepper vor ein paar Monaten umgeparkt. Ob er das bezahlen muss? Er weiß es nicht genau. „Geld habe ich sowieso keines“, sagt er resigniert. „Dann gehe ich halt nach Stadelheim.“

Aber wieso tut sich Edgar S. das an? Wenigstens Grundsicherung vom Amt könnte er doch kriegen. S.: „Viele sagen mir das. Aber das will ich nicht. Mein Motto ist: Hilf dir selbst, dann hilft der Gott.“ Sein größter Wunsch bleibt eine eigene Wohnung. Aber wie der Weg dahin aussehen soll, weiß keiner – am wenigsten er selber. 

Auch interessant

Kommentare