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Albtraum K.o.-Tropfen: Münchnerin (23) in Glockenbach-Kneipe heimlich unter Drogen gesetzt

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Die 23-jährige Lena Häusser bekam heimlich K.o.-Tropfen untergemischt und durchlitt daraufhin ein physisches Martyrium.
Die 23-jährige Lena Häusser bekam heimlich K.o.-Tropfen untergemischt und durchlitt daraufhin ein physisches Martyrium. © -

Das Nachtleben kann für Frauen gefährlich sein: Was als gemütlicher Kneipen-Abend im Glockenbachviertel geplant war, endete für eine 23-jährige Münchnerin im Delirium. Heimlich wurden ihrem Drink K.o.-Tropfen untergemischt.

Es ist fünf Uhr morgens, als Lena H. (23) am Samstag vor zwei Wochen auf ihrem Sofa aufwacht – und nicht weiß, was am Abend zuvor passiert ist. Starke Kopfschmerzen, wackelige Knie und verschwommene Bilder im Kopf. „Das war kein Kater“, sagt sie. Mit ihrem Mitbewohner fuhr die Hotelfachfrau ins Krankenhaus: „Dort hat man Spuren von Liquid Ecs­tasy in meinem Blut festgestellt.“ K.o.-Tropfen! 

Nur noch lückenhafte Erinnerungen

„Pass auf dein Glas auf“ ist oberste Regel in Clubs und Bars. Was vor 20 Jahren noch kein Thema war, ist heute der Albtraum aller Eltern – und es ist schrecklich real. Die jährliche Anzahl der Münchner K.o.-Tropfen-Fälle dürfte dreistellig sein. Mindestens. Und Lena hatte noch Glück – weil ihr Abend in einem Restaurant im Glockenbachviertel „nur“ mit einem Filmriss endete. Manche Erinnerungen kamen nach Erzählungen wieder, manche blieben weg. „Ich kann mich erinnern, dass ich eine Weinschorle getrunken habe – mehr nicht“, sagt Lena. „Plötzlich konnte ich nicht mehr gerade gehen.“ 

Plötzlich wird sie verhaltensauffällig

Ihre letzte Erinnerung im Lokal ist, wie sie sich ein Glas Wasser bestellt hat. Lenas Freundin erzählt ihr am nächsten Tag, dass sie sich schräg verhalten habe. Dass sie an die frische Luft wollte, dann nach Hause. Dass sie sie bis zur U-Bahn stützen, fast tragen musste. „Sie hat mich auf eine Bank gesetzt und ich habe ihr wohl versichert, dass ich es alleine schaffe, nach Hause zu kommen“, sagt Lena. Also brachte ihre Freundin sie zur Bahn und rief ihren Mitbewohner an, damit er sie an ihrer Station abholt. „In der ­U-Bahn bin ich eingeschlafen. Plötzlich wurde ich wach, weil ich mich übergeben musste“, sagt sie. „Das war zufällig an meiner Station. Als die Tür aufging, fiel ich heraus.“ Passanten kümmerten sich um Lena. Sie hörte Stimmen, wollte die Augen öffnen, erzählt sie. „Aber es ging nicht.“ Kurz darauf kam Lenas Mitbewohner, trug sie mit zwei anderen Männern nach Hause und legte sie aufs Sofa.

K.o.-Tropfen: War es der Barkeeper?

 „Als ich am nächsten Tag den Befund bekam, konnte ich es nicht glauben“, sagt Lena. „Ich habe nicht verstanden, warum mir jemand Drogen ins Glas schüttet.“ Von K.o.-Tropfen hatte sie gehört – aber nie damit gerechnet, selbst zum Opfer zu werden. „Es ist schwer, andere Frauen davor zu warnen“, sagt Lena. „Wir haben den Tisch nicht verlassen. Trotzdem war jemand schnell genug, mir unbemerkt die Tropfen ins Glas zu tun.“ Ihren Freunden möchte sie keinen Vorwurf machen. „Aber es ist wichtig, dass man die Symp­tome von K.o.-Tropfen kennt – und den Betroffenen sofort ins Krankenhaus bringt.“ Denn so viel Glück wie Lena hat nicht jeder.

Video: K.o.-Tropfen - Gefahr im Glas

Auch diese junge Frau wurde Opfer von K.o.-Tropfen. Bei ihr nahm der Fall kein gutes Ende. 

Doch was sind eigentlich K.o.-Tropfen und wie wirken sie? Wir haben jemanden gefragt, der sich damit auskennt: Prof. Dr. Frank Mußhoff ist Toxikologe im Forensisch Toxikologischen Centrum in München. Mehrmals die Woche prüft er im Labor Blut-, Urin- oder Haarproben von Frauen, die K.o.-Tropfen zum Opfer gefallen sind.

Herr Professor, was genau sind K.o.-Tropfen?

Prof. Dr. Frank Mußhoff: Da muss man aufpassen. Oft wird nur von Liquid Ecstasy – oder auch GHB – gesprochen, weil es die bekannteste K.o.-Droge ist. Insgesamt gibt es aber über 100 Substanzen, die als K.o.-Mittel verwendet werden können. 

Über 100 verschiedene Sub­stanzen – und die machen alle auf gleiche Weise k.o.?

Mußhoff: In der Regel sollen K.o.-Tropfen ja wehrlos, widerstandsunfähig und vielleicht sogar erinnerungslos machen. Es gibt spezielle Drogen und Medikamente, wie zum Beispiel Schlafmittel oder GHB, die genau das auslösen. Aber in Kombination mit Alkohol haben eine ganze Reihe andere Substanzen auch diese Wirkung. 

Wie lange bleibt man denn k.o.?

Mußhoff: Das ist unterschiedlich und hängt von der Dosis ab. Bei GHB ist das relativ begrenzt – das dauert oft nur zwei bis drei Stunden. 

Prof. Dr. Frank Mußhoff ist Toxikologe im Forensisch Toxikologischen Centrum in München.

Prof. Dr. Frank Mußhoff ist Toxikologe im Forensisch Toxikologischen Centrum in München.
Prof. Dr. Frank Mußhoff ist Toxikologe im Forensisch Toxikologischen Centrum in München. © Foto: Michael Westermann

Wie lange sind K.o.-Tropfen nachweisbar?

Mußhoff: Im Blut oft nur einige Stunden. Im Urin könnten sie bis zu zwei Tagen noch nachweisbar sein. Und in den Haaren – je nach Droge – sogar mehrere Monate. 

Warum spricht die Polizei dann immer von dem Problem der kurzen Nachweisbarkeit der K.o.-Tropfen?

Mußhoff: Bei GHB ist es so: Das ist eine körpereigene Sub­stanz, die jeder von uns in sich trägt. Und wenn die Konzentration der K.o.-Tropfen im Blut nur noch gering ist, lässt sich das nur sehr schwer unterscheiden. Es lohnt sich aber immer, ein Screening zu machen.

Was raten Sie Frauen, um sich zu schützen?

Mußhoff: Ich habe selbst Töchter, die gerne mal ausgehen. Denen sage ich: Nehmt nie von jemandem Getränke an, lasst eure eigenen nie aus den Augen, bleibt immer nur in Gruppen, und: Lasst nie jemanden alleine nach Hause gehen.

Text & Interview: Kathrin Braun

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