Münchens bedürftige Rentner: So kommen sie über die Runden

München ist eine Stadt der Superlative. Doch gerade für Rentner ist sie kaum noch bezahlbar. Ein Verein hat nun 50 bedürftige Senioren auf das Frühlingsfest eingeladen. Vier von ihnen erzählen, wie es ist, als armer Rentner im reichen München.
München - Es sind Geschichten wie die von Erich Hausleiter, die das reiche München zum Nachdenken bringen sollten. Hausleiter, 71, war viele Jahre selbstständig. Zusammen mit seiner Frau betrieb er einen Schreibwarenladen in Milbertshofen. Über all die Jahre legten die beiden immer ein wenig Geld beiseite. Trotzdem reicht die Rente zusammen mit dem Ersparten jetzt nur für das Nötigste.„Die Lebenshaltungskosten sind viel extremer gestiegen als je angenommen“, sagt Hausleiter.

Der Münchner war mit seiner Frau einer von 50 bedürftigen Senioren, die gestern einen Nachmittag auf dem Frühlingsfest verbrachten. Ein paar Stunden ohne Sorgen. Ein paar Stunden zum Ratschen, Essen, Karussell- oder Riesenradfahren. Organisiert vom Verein „Münchner für Münchner“ von Bürgermeister-Ehefrau Natalie Schmid (42) und den Veranstaltern des Frühlingsfests. Die Wirte der Festhalle Bayernland spendierten Hendl und Bier, die Schausteller Freifahrten oder einen Kaffee. Die Auswahl der Eingeladenen hatte der Verein mit dem Sozialreferat und dem Roten Kreuz getroffen.

Fast jeder fünfte Münchner ist arm oder von Armut bedroht. Diese alarmierende Zahl lieferte der Armutsbericht von 2011. Und die Lage verschärft sich weiter. Gerade Senioren sind von Armut häufig betroffen, bestätigt die Münchner Tafel. Hier holen sich derzeit 20.000 Bedürftige pro Woche Lebensmittel, 2000 mehr als noch 2015. Das Leben als Rentner im reichen München: knallhart. Gejammert hat aber auch beim Ausflug aufs Frühlingsfest keiner. Auch das: Typisch München. Der Stolz auf die Stadt währt selbst bei denjenigen, die die Weltstadt mit Herz unbarmherzig von so vielem Schönen im Leben ausschließt.

Die Freundinnen Sonja Engelbrecht (64) und Carola B. (76) amüsieren sich an dem Frühlingsfest-Nachmittag im Riesenrad. 950 Euro hat Engelbrecht inklusive 150 Euro Grundsicherung im Monat zur Verfügung, erzählt sie. Alleine ihre Wohnung kostet 470 Euro. Ihr pragmatischer Kommentar: „Muss irgendwie gehen.“ Sie esse oft im Altenzentrum. Das sei nicht so teuer – und Anschluss habe sie auch gleich. Galgenhumor auch bei Carola B. (76). Wie der Ochs am Berg sei sie dagestanden, als sie in Rente gegangen ist, berichtet sie. „Meine Chefs haben teilweise keine Abgaben für mich bezahlt.“ 365 Euro Rente bekommt die Ex-Bedienung im Monat. Für die Miete braucht sie Hilfe vom Sozialamt.

Wie so viele andere Senioren: Für das Jahr 2016 vermeldet das Sozialreferat 22 700 Rentenaufstocker. Rund sechs Prozent der über 65-jährigen Münchner beziehen Grundsicherung im Alter. Verdammt schwer sei das Leben als armer Rentner im reichen München manchmal, sagt auch Helga Ring (72). Ebenso eine der Eingeladenen auf dem Frühlingsfest, der kaum etwas zum Leben von der Rente über bleibt. Trotzdem ist Ring lebenslustig. „Ich brauche nicht viel zum Glücklichsein.“