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„Das ist schon eine Riesengeschichte“: Mafia-Gruppe ‘Ndrangheta wäscht Kokain-Geld mit Autoreinigung

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Von: Elisa Buhrke

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Die Polizei hat am Mittwoch eine Groß-Razzia gegen die Mafia-Gruppe ‘Ndrangheta durchgeführt. In München sitzen vier Personen in U-Haft. © Collage: picture alliance/dpa | Alex Talash (Polizist steigt in Auto) und IMAGO / Lobeca (Bargeld)

Europaweit hat am Mittwoch eine Großrazzia gegen die Mafia-Gruppe ‘Ndrangheta stattgefunden. Auch in München schritt die Polizei ein. Ein Experte erklärt, was die Verdächtigen hier getrieben haben.

München - Um vier Uhr morgens schlugen sie zu: Am Mittwoch, 3. Mai, hat die Polizei mehrere Wohnungen und Autopflegeanlagen in München durchsucht. Die Razzia war Teil einer europaweiten Großaktion der Behörden gegen die italienische Mafia-Gruppierung ‘Ndrangheta. In München standen acht mutmaßliche Mafia-Mitglieder im Fokus der Ermittler, vier von ihnen hat die Polizei festgenommen. Sie sollen Geldwäsche mit Einnahmen aus dem internationalen Kokain-Handel betrieben haben.

„München ist ein wirklich kleiner Teil der heutigen Razzia“, erklärt Ludwig Waldinger, Pressesprecher des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA) im Interview mit Merkur.de. „Aber ein durchaus wichtiger: Geld, das man nicht waschen kann, ist für die Mafia nichts wert.“

Mafia-Gruppe ‘Ndrangheta in München: „Kokainhandel, Geldwäsche, Waffenbesitz“

Die ‘Ndrangheta gilt als die gefährlichste Mafia-Organisation in Deutschland. Wie Waldinger berichtet, ermittelt auch die bayerische Polizei bereits seit Juli 2020 gegen die Gruppierung. Sie arbeite eng mit den italienischen Kollegen zusammen. „Da geht‘s um die ganz großen Sachen: Kokainhandel, Geldwäsche, unerlaubter Waffenbesitz, Waffenhandel, Betrugsstraftaten und verschiedene Steuerstraftaten.“

Die Razzia am Mittwoch war nach LKA-Angaben ein Teil der Operation Eureka, eines der größten und bedeutendsten Verfahren gegen die organisierte Kriminalität in Italien der jüngeren Zeit. Seit drei Jahren ermitteln demzufolge deutsche, belgische und italienische Behörden gegen die ‘Ndrangheta, in enger Zusammenarbeit mit den europäischen Behörden Eurojust und Europol. 

Laut italienischen Angaben wurden am Mittwoch europaweit insgesamt 108 Haftbefehle vollstreckt, rund 30 davon in Deutschland. Hierzulande waren mehr als 1000 Ermittler im Einsatz, allein in Bayern mehr als 130. „Das ist schon eine Riesengeschichte“, lobt Waldinger die Arbeit der Polizei. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte die Wichtigkeit der Arbeit des Freistaats: „Ermittler des Bayerischen Landeskriminalamtes konnten das Kryptohandy eines zentralen Beschuldigten während seines Aufenthalts in Bayern identifizieren. Das war ein Meilenstein für die italienischen Ermittler.“

Ermittlungen der Polizei unter größter Geheimhaltung – sonst „könnten wir unsere Dienststellen schließen“

In München drang die Polizei bereits am frühen Morgen in die Wohnungen der Verdächtigen ein: „Um vier in der Früh sind die Menschen in der Regel zu Hause“, begründet Waldinger die Aktion. Auch drei Autowaschanlagen wurden durchsucht. Diese hätten die Ermittler bereits seit langem als Ort der Geldwäsche im Visier gehabt. Wie sie die Mafiosi dort aufspürten, will Waldinger jedoch nicht verraten. „Dann könnten wir direkt morgen unsere Dienststellen schließen.“ Die Beamten hätten Datenträger, Handys und Geschäftsunterlagen sichergestellt, die sie nun weiter auswerten würden.

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Bei den vier mutmaßlichen ‘Ndrangheta-Mitgliedern, die in München festgenommen wurden, handelt es sich voraussichtlich nicht um die großen Mafia-Bosse. Sie seien vielmehr an der Logistik der Gruppierung beteiligt gewesen. „Das bedeutet zum Beispiel, dass sie hochrangige Clanangehörige in Bayern und München irgendwo hingefahren und untergebracht haben.“ Die Einschätzung, welche Position die Verhafteten nun genau bei der ‘Ndrangheta innegehabt hätten, will er aber den italienischen Behörden überlassen.

„Es wäre Unfug zu sagen, alle Autowäschen sind in Mafia-Hand“

Die Geldwäsche, die in den Autopflegebetrieben stattgefunden hat, beschreibt der Pressesprecher folgendermaßen: „Stellen Sie sich vor, Ihr Auto soll gereinigt werden. In den Büchern des Betriebs werden dann statt einem aber 15 Autos notiert.“ Dementsprechend viele Einnahmen würde die vermeintliche Autowaschanlage dann dem Finanzamt melden, obwohl ein Großteil ihres Umsatzes stattdessen aus dem internationalen Drogenhandel stamme. „Das ist aber nur eine Methode.“ Überall dort, wo jemand illegal Geld verdiene und dieses anschließend in das reguläre Geldsystem einschleuse, finde Geldwäsche statt.

Dennoch sollten Münchner keine Skrupel dabei haben, ihr Auto zukünftig irgendwo in die Waschanlage zu bringen, betont Walchinger. „Das sind absolute Einzelfälle. Es wäre jetzt Unfug zu sagen, alle Autowäschen sind in Mafia-Hand“. Genauso sei es weiterhin möglich, ruhigen Gewissens ein Restaurant aufzusuchen – auch wenn Gastronomiebetriebe weiterhin eines der üblichen Spielfelder der Mafia seien.

Deutschland als „Geldwäsche-Paradies“: Mafia hält sich in der Öffentlichkeit verdeckt

Für den Laien sei es ohnehin nicht möglich zu erkennen, in welchen Betrieben eine Organisation wie die ‘Ndrangheta involviert sei, erklärt der Pressesprecher. Nicht ohne Grund würde auch die Polizei jahrelang und verdeckt ermitteln. „Gerade die italienische Mafia zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht an die Öffentlichkeit tritt. Genau das ist ihr Erfolgsrezept.“ Laut Waldinger gehören in Bayern schätzungsweise etwa 100 Personen der Mafia an. Nicht nur der ‘Ndrangheta, sondern auch anderen Organisationen wie der Camorra oder der Cosa Nostra. Die meisten von ihnen würden in Großstädten wie München, Nürnberg und Augsburg agieren und dort kleine Zellen bilden, Untergruppierungen der Mafia.

„Deutschland ist seit vielen Jahren als Geldwäsche-Paradies bekannt“, betont Waldinger. Dies liege unter anderem daran, dass die Gesetzgebung in Italien weitaus strenger sei als in der Bundesrepublik. Warum das so sei, das müsse man die Politik fragen.

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