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„Nimmt ihn fürchterlich mit“: Münchner wurde von Polizeiauto überfahren und schon 30 Mal operiert

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Basar A. (46) überlebte den Unfall schwer verletzt
Basar A. (46) überlebte den Unfall schwer verletzt © privat

Er wollte ein Leben retten und wurde selbst Opfer: Als Basar Alici (46) versuchte die Polizei auf einen Unfall an der Staatsbibliothek aufmerksam zu machen, überfuhr ihn der Streifenwagen mit 97 km/h. Seither kämpft der Taxler um Schmerzensgeld. Doch eine Einigung mit dem Freistaat ist nicht in Sicht.

München – Die Angst vor Operationen kennen viele Menschen. Fehlendes Vertrauen, Hilflosigkeit oder Kontrollverlust sind Aspekte, die einen manchmal zurückschrecken lassen. Basar Alici (46) denkt nicht mehr in solchen Kategorien. Rund 30 Operationen musste der Münchner Taxler in den vergangenen rund zwei Jahren über sich ergehen lassen, seit er in der Silvesternacht 2021 von der Polizei überfahren worden war.

Doch eine Einigung mit dem Freistaat ist längst nicht in Sicht. „Das nimmt ihn fürchterlich mit. Obwohl er ein Kämpfer ist“, sagt Anwalt Michael Besta. Denn mittlerweile wurde Basar Alici 30 Mal operiert – auch am Donnerstag wieder, deshalb konnte er nicht an seinem Prozess teilnehmen. „Es wurden Platten aus seinem Knie entfernt.“

Vor Gericht war bereits Mitte August klar: Der Polizist, der Basar Alici überfahren hatte, trägt wohl eine Mitschuld. Dennoch zahlte der Freistaat, der für seine Beamten haftet, bisher keinen Cent Entschädigung für Basar Alici, der vier Kinder hat. Allein die Taxi-Innung hatte für ihren Kollegen gespendet.

München: Polizei überfährt Taxler – doch der Freistaat will kein Schmerzensgeld zahlen

Sein Schicksal ist besonders dramatisch: Auf der Ludwigstraße hatte er einen verletzten jungen Mann gesehen und wollte helfen. Doch beim Versuch ein Polizeiauto auf den lebensgefährlichen Unfall an der Staatsbibliothek aufmerksam zu machen, wurde Alici selbst erfasst und 17 Meter hoch in die Luft geschleudert. Er erlitt etliche Brüche, aber überlebte.

Erst im Frühjahr können die Ärzte wohl eine Prognose abgeben, ob Alici je wieder wird arbeiten können. „Ich kann es mir nicht vorstellen“, so Besta. Um bis zu eine Million Euro gehe es vor Gericht. Allein die Krankenhaus- und Heilbehandlungskosten aus 450 Kliniktagen könnten etwa eine halbe Million Euro ausmachen. Dazu kommen Forderungen für Schmerzensgeld, Verdienstausfall und eventuell auch rentenzahlungen.

Dramatisches Schicksal: Basar Alici (46) wurde nach dem Unfall 30 Mal operiert

Ebenso wie der Freistaat lehnte Anwalt Besta einen Vergleichsvorschlag des Landgerichts ab. Dieser hätte die Haftung zu einem Drittel beim Freistaat und zu zwei Dritteln bei Alici gesehen. Ein Zeuge beschrieb, wie der Taxler als einziges vorbeifahrendes Auto angehalten hatte, als er den am Kopf blutenden Mann in der Ludwigstraße liegen sah. Basar Alici wählte um 1.50 Uhr den Notruf und sah ein Zivilfahrzeug der Polizei mit Blaulicht heranfahren.

„Es ging um Leben und Tod“, erinnert er sich der Taxler, der im Dunkeln auf die Fahrbahn trat. Bis zur Trennlinie zwischen den Spuren, wie der Zeuge bestätigte. „Er war 15 bis 20 Sekunden auf der Fahrbahn, dann hat es geknallt.“ Kein Ausweichen oder kein Bremsen habe der Zeuge beim Polizeiauto gesehen. Zwei junge Beamte hatten ausgesagt, sie hätten Basar Alici nicht gesehen. Doch Richterin Katharina Stoll machte gestern erneut klar, dass sie durchaus eine Gefährdung durch die Polizisten sehe. Gutachten sollen nun endlich Klarheit bringen.

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