Mietwahnsinn: Diese Geschichten machen Hoffnung
München - In Sachen Mieten und Wohnungen gibt es in München gefühlt wenige gute Nachrichten. Diese Geschichten machen uns fürs nächste Jahr aber zumindest ein wenig Hoffnung.
Man tut sich schwer, wenn man in dieser Stadt über Wohn- und Miet-Themen berichtet. Manchmal hat man das Gefühl, unsere Autoren können gar nicht so schnell schreiben, wie die Mieten und die Kaufpreise steigen. Große Zahlen – und große Sorgen! Immer wieder verzweifeln die Menschen, die hier so dringend bezahlbaren Wohnraum brauchen. Gott sei Dank: Auch hier gibt es sie noch, die guten Nachrichten.
Michael (71): Hier ist er willkommen
Der ehemalige Schauspieler Michael Conti-Czischka (71) sitzt kurz vor Weihnachten im Nachbarschaftstreff am Isareck in Berg am Laim am Kaffeetisch. Er plaudert, er lacht, es geht ihm gut. Ihm, der fast schon vergessen hatte, wie gut sich das anfühlt, fröhlich und entspannt zu sein. Denn die vergangenen Jahre waren bestimmt durch einen kräftezehrenden und vergeblichen Kampf gegen eine Eigenbedarfskündigung. Jetzt aber hat er endlich eine neue Heimat.
Die Angst, die zuvor seinen Alltag bestimmte, scheint langsam abzufallen. Mehr als zwei Jahre lang kämpfte Conti-Czischka gegen den Rauswurf – ohne Chance. Für den 71-Jährigen eine Katastrophe, denn es war klar, dass er in München nie mehr eine gleich große und ähnlich günstige Wohnung mitten in Bogenhausen bekommen würde wie das 78-Quadratmeter-Apartment an der Richard-Strauss-Straße, wo er 55 Jahre lang gelebt hatte. Zum Schluss für 500 Euro warm. „Als Schauspieler habe ich nur eine sehr geringe Rente“, sagt er. Doch dann – nach langer Suche – gab es noch eine Lösung: Er fand in einem Gewofag-Mietshaus in Berg am Laim eine 41-Quadratmeter-Wohnung, die gefördert ist und deshalb nur 370 Euro Warmmiete kostet.
Das Beste: Er konnte sogar beinahe alle seine geliebten Möbel unterbringen. Dennoch war in den ersten Monaten nach dem Umzug im

Sommer nichts wie zuvor. Conti-Czischka fühlte sich entwurzelt. „In Bogenhausen kannte ich alle, hier erdrückt mich die Einsamkeit“, sagte er Anfang Oktober. Das las Andrea Schanzenbach (30), die den Gewofag-Nachbarschaftstreff Netzwerk am Isareck in Berg am Laim führt. Ihn nutzen um die 500 Personen aus der nahen Umgebung – er ist offen für alle Mieter, es kommen die verschiedensten Interessengruppen und füllen ihn mit Leben. Yoga, Kuchen, Musik, Schafkopfen, Kindertreff: Ehrenamtliche organisieren alles Mögliche. „Auch für uns als Gewofag lohnt es sich, weil das nachbarschaftliche Miteinander gefördert wird und Vorurteile – auch gegenüber Ausländern – extrem gut abgebaut werden“, sagt Schanzenbach.
Die Gewofag-Mitarbeiterin lud den tz-Leser ein zum Kaffeetreff. „Ich war jetzt drei Mal dort und einmal wurde für mich auch eine Fahrt zum Getränkemarkt organisiert“, freut sich Conti-Czischka. Je mehr nette Leute er kennt, desto mehr fühlt er sich daheim. „Jetzt müsste nur noch mein größter Wunsch in Erfüllung gehen: Ich möchte noch einmal einen Job finden …“
Der Traum der Tagesmutter
Ihr Auszug hat viele Menschen bewegt. 46 Jahre lang hatte Evi Pietsch (50) an der Clemensstraße (Schwabing) gelebt und dort 25 Jahre lang als Tagesmutter Kinder aus der Nachbarschaft betreut. Als aber der Eigentümer ihres Mietshauses wechselte, kassierte sie die Kündigung. Der alte Besitzer hatte ihr die Erlaubnis zur Kinderbetreuung in ihrer 70-qm-Wohnung (883 Euro warm) nur mündlich gegeben – und das konnte Pietsch nicht beweisen.
Zum Glück las eine Mitarbeiterin der Wohnbaugesellschaft GBW den tz-Bericht. Sie machte sich im Leerbestand der GBW auf die Suche nach

einer passenden Bleibe. Wie ein Wunder: Nur 500 Meter entfernt von der alten Wohnung fand sie eine neue für Evi Pietsch. 80 Quadratmeter für 1400 Euro warm, perfekt geschnitten für Kinderbetreuung. Zwar wesentlich teurer als die alte Bleibe, „aber ich schaffe das. Auch wenn ich mich etwas einschränken muss.“ Glücklicherweise hatte die GBW auch nichts gegen Kinderbetreuung in der Wohnung – unter dem Vorbehalt, dass sich die Nachbarn nicht übermäßig gestört fühlen.
Pietsch richtete sich gemütlich ein und dekorierte voller Freude das Zimmer für die Kinder. Nun betreut sie fünf Kleine in der Wohnung – sie sind aber auch viel draußen. Unter den Nachbarn hat sie neue Freunde gefunden: „Es ist eine total nette Hausgemeinschaft. Alles ist super“, sagt sie. Das kann auch die GBW bestätigen – es gab keinerlei Beschwerden.
Flucht vor der Luxus-Sanierung
Ein Schock für Renate Stein (67)! Die pensionierte Bankangestellte war perplex, als sie erfuhr, dass sie ihre 63-qm-Wohnung in der Schönfeldstraße (Maxvorstadt) nicht halten kann. Der Eigentümer baut das Haus, in dem sie 27 Jahre lebte, zu einem Luxusbau um. Doch dank der Hilfe vom Bündnis bezahlbares Wohnen handelte sie eine ordentliche Abfindung aus – und zog in eine neue Wohnung in Moosach.
„Ich habe bislang mein ganzes Leben in der Maxvorstadt oder in Schwabing gewohnt“, sagt Renate Stein. Vergangenheit … Der Neffe

des ursprünglichen Besitzers verkaufte das Haus an einen Unternehmensberater, der luxussanieren will. 2014 bekam sie die Umbauankündigung. „Es hieß, sie wollen den Innenhof bebauen, ich bekäme einen Bürobau vor meinen Balkon.“ Der Architekt warnte, dass es Schmutz und Lärm geben werde. Und: „Mir war klar, dass ich die Miete nach dem Umbau nicht mehr bezahlen kann“, so Stein.
Sie suchte nach einer neuen Bleibe – und wurde in Moosach fündig. 54 Quadratmeter mit Westbalkon, allerdings für 810 Euro warm statt zuvor 690. Dazu drei Monatsmieten Kaution, 5000 Euro für die neue Küche und 1700 Euro für den Umzug: viel Geld. „Und dann brauche ich jetzt ein MVV-Ticket, das ich früher nicht benötigte.“ Zwar bot der Altvermieter einen (niedrigen fünfstelligen) Zuschuss an, der die Kosten aber nicht deckte. Schließlich schaltete sie das Bündnis bezahlbares Wohnen ein. „Wir haben Erfahrungen in diesen Dingen“, so der Vorsitzende Maximilian Heisler. „Man darf sich nicht schnell abspeisen lassen. Je hartnäckiger man verhandelt, desto mehr kann man rausholen.“
Schließlich schaffte es Heisler, die Summe auf knapp das Doppelte zu verhandeln. Stein atmet auf: „Wenn ich die Umzugskosten abziehe und die Mehrkosten berechne, kann ich jetzt gut zehn Jahre davon zehren, ohne dass ich draufzahlen muss.“
Steffi weint Tränen des Glücks
Eine Dreizimmerwohnung im Erdgeschoss ganz in der Nähe der alten Bleibe: Für Steffi F. (35) ist ein Traum wahr geworden. Ihr neuer Vermieter ist persönlich vorbeigekommen, um ihr die Zusage zu überbringen. „Ja, Sie kriegen die Wohnung.“ Diese Worte: eine Erlösung! Es war eine Riesen-Last, die von den Schultern der alleinerziehenden Zahnarzthelferin fiel: „Ich bin rumgesprungen wie verrückt. Dann hab ich angefangen zu zittern – und dann zu weinen.“ Monatelang hatte die Münchnerin verzweifelt ein neues Zuhause gesucht. Das Mehrfamilienhaus in der Lerchenau, in dem sie mit ihren Söhnen Joel (5) und Liam (6) wohnte, wurde abgerissen. Und: Niemand traute ihr zu, die Kosten für eine Zwei- oder Dreizimmerwohnung stemmen zu können – obwohl sie dank Nebenjob im Biergarten auf ein Miet-Budget von 1100 Euro kommt.
Ihre Geschichte, veröffentlicht in der tz und bei der Immowelt-Initiative "Verändere Deine Stadt", löste eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Und tatsächlich: Alles wurde gut: Es fand sich ein Vermieter, der der Mutter mit ihren beiden Jungs eine neue Chance geben wollte. Er hatte ihre Traumwohnung in Feldmoching – nur zwei Minuten vom bisherigen Zuhause entfernt. „Meine beiden Söhne können in ihrem alten Umfeld bleiben“, freut sich Steffi. Die Wege zum Kindergarten und zur Schule ändern sich kaum. Die Oma der Jungs ist noch immer in der Nähe und kann problemlos einspringen, wenn die engagierte Frau am Abend oder am Wochenende zum Kellnern geht. „Es ist einfach alles nur perfekt! Danke!“