Loreeley (9) starb bei Radl-Unfall: Mutter bedankt sich für Trost und erzählt, wie es ihr geht

Tanya Schütz hat im Mai 2018 ihre neunjährige Tochter Loreeley bei einem Unfall in Milbertshofen verloren. Zum ersten Mal erzählt sie, wie es ihr seither ergangen ist.
München - Zu ihrem neunten Geburtstag am 1. Mai 2018 hat Loreeley eine Gitarre bekommen. Und einen Tablet-PC. „Sie war so stolz darauf“, erzählt ihre Mutter Tanya Schütz (31). Das Strahlen auf dem Foto – es zeigt die Freude des Mädchens. Es ist das letzte Foto, das von Loreeley gemacht worden ist. Einen Tag vor ihrem Tod. Am 7. Mai 2018 starb sie bei einem Unfall an der Kreuzung Schleißheimer/Moosacher Straße.
Loreeleys Tod: Lkw-Fahrer fuhr in Milbertshofen bei Grün in die Kreuzung und sah das Kind nicht
„Wir haben am Wochenende noch im Trampolinpark gefeiert“, erzählt Tanya Schütz. Äußerlich wirkt die hübsche, dunkelhaarige Frau gefasst. Erzählt, als wäre alles nur eine Geschichte, die sie im Grund gar nichts angeht. Sie weiß aber: Sie verdrängt nur, lässt gar nichts an sich heran. Loreeley war den ganzen Sonntag aufgeregt, konnte es kaum erwarten, in der Schule zu erzählen, was sie geschenkt bekommen hat. Vielleicht einer der Gründe, warum sie an jenem Montag bei Grün losradelte, bevor sie Blickkontakt mit dem Lkw-Fahrer hatte, der im Berufsverkehr bei Grün in die Kreuzung gefahren war und das Kind einfach nicht sah…
„Sie war so ein vorsichtiges Mädchen“, sagt ein Freund von Tanya Schütz über Loreeley. Wie andere enge Freunde versucht er, der Mutter Kraft zu geben. „Ich bin meinen Freunden so dankbar“, sagt Tanya Schütz. „Ohne sie hätte ich das alles nicht geschafft.“ Sie hat Loreeley immer wieder eingebläut, dass sie erst losradeln darf, wenn Auto- und Lkw-Fahrer sie gesehen haben. „Sie hat mich angebettelt, mit dem Rad fahren zu dürfen.“ Das erste Jahr brachte Tanya Schütz ihre Tochter jeden Tag zu Fuß zur Schule. Aber sie war alleinerziehend, musste als Rettungssanitäterin oft auch in der Früh arbeiten: „Ich konnte Loreeley einfach nicht jeden Tag bringen.“ Auch nicht am 7. Mai…
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Loreeleys Mutter versucht, zu funktionieren - nach vielen Spenden unterstützen Behörden sie nicht mehr
An jenem Tag, als Loreeleys Leben endete – und als Tanya Schütz von Polizisten an der Unfallstelle erfuhr: Ihr Kind ist tot. Der einzige Trost – wenn es denn überhaupt einen geben kann – ist, dass Loreeley nicht gelitten hat. „Wüsste ich, dass sie nach ihrer Mama geweint hat und ich nicht da war: Ich würde es nicht ertragen“, sagt Tanya Schütz.

Nach dem Unfall versucht Tanya Schütz zu funktionieren. Daheim kauert sie sich ins Bett ihrer Tochter und versucht, das Unbegreifliche zu begreifen. Es geht nicht, es ist zu viel. Die 31-Jährige kann nicht in dieser Wohnung schlafen, in der alles an ihre Loreeley erinnert. Sie zieht aus, übernachtet seitdem bei Freunden. „Trauern – dafür hatte ich noch keine Zeit“, sagt sie. Auch, weil sie wegen der Spenden, die nach Loreeleys Tod gesammelt wurden, kein Anrecht auf Unterstützung vom Amt mehr hat und von einer Behörde zur anderen läuft.
Tanja Schütz will sich bedanken bei allen, die Trost gespendet haben
Halt und Kraft geben ihr neben ihren Freunden viele Unbekannte, die Geld und Trost spenden. „Einer hat zum Beispiel im Internet geschrieben: Wenn ich könnte, würde ich dir Besuchszeiten im Himmel kaufen.“ Jeden Kommentar hat sie gelesen, jedes tröstende Wort aufgesaugt. „Aber mir hat die Kraft gefehlt, mich bei jedem Einzelnen zu melden.“ Deshalb will sie jetzt auf diesem Weg allen Danke sagen. Tanya Schütz weiß, dass die schlimme Phase noch kommen wird. Wenn sie anfangen kann zu trauern. Sie will einen Weg finden, damit umzugehen. „Ich muss das Leben jetzt noch intensiver leben“, sagt sie tapfer. „Für meine Tochter und für mich.“ Der Vater eines weiteren Radl-Unfallopfers kämpft um die Einführung eines neuen Sicherheitssystems.
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Nach Loreeleys Tod: Änderungen an der Unfallstelle
Unterdessen hat die Unfallkommission aus KVR, Polizei und Baureferat nach mehreren Ortsterminen einige Änderungen an der Unfallstelle umgesetzt: Zum Beispiel ist die Radwegfurt jetzt rot eingefärbt, und die Phase zwischen dem Grün-Ende für die Rechtsabbieger aus der nördlichen Schleißheimer Straße und dem Grünbeginn für die querenden Fußgänger und Radler beträgt jetzt zehn statt zuvor acht Sekunden. Ein Schild weist darauf hin, dass Lkw nur die linke der beiden Rechtsabbiegespuren nutzen dürfen, um den engen Kurvenradius besser zu bewältigen. Die gewünschten Schulweghelfer gibt es an der Kreuzung noch nicht – es wurde noch niemand gefunden. Grundsätzlich ist diese Stelle für einen Schulweghelfer freigegeben.
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