Der Olympiaturm: Die Geheimnisse von Münchens höchstem Bauwerk

Längst gehört er zu München wie der Schaum zum Bier: unser Olympiaturm. Vor 50 Jahren wurde der schlanke Riesenbau mit seinen 291,28 Metern Höhe eröffnet. Und er war sofort ein Publikums-Magnet: Knapp 43 Millionen Besucher kamen bislang.
Natürlich wollen auch wir den Geburtstag des höchsten Gebäudes in der Stadt würdig feiern. Daher haben wir unter anderem Menschen besucht, die am und im Turm arbeiten, und sie gebeten, uns ihre Turm-Geheimnisse und Geschichten zu erzählen. Aber lesen Sie selbst!
Wer war der Baumeister?
Unser Olympiaturm – mächtig ist er und ein bisserl geheimnisvoll. Oder wissen Sie, welcher Architekt den damals höchsten Turm Deutschlands überhaupt geplant hat?
Das Internet-Lexikon Wikipedia nennt Sebastian Rosenthal vom Baureferat der Landeshauptstadt München als Architekten. Nur: Bei der Stadt gibt es keine Unterlagen, die diesen Namen belegen. „Fragen Sie bei der Olympiapark GmbH nach“, gibt’s dort als Antwort auf unsere tz-Anfrage. Haben wir natürlich gemacht, und als Antwort erhalten, dass ein Sebastian Rosenthal in den Unterlagen nicht auftauche.
Zur Eröffnungs-Pressekonferenz am 20. Februar 1968 kamen unter anderem Münchens OB Hans-Jochen Vogel, der Aufsichtsratsvorsitzende der Münchner Sportpark GmbH, Georg Brauchle, und deren Geschäftsführer Fred Habeler. Als Architekt ist angegeben: „Landeshauptstadt München, Baureferat – Hochbau 2“, das war’s. Die Statiker sind dafür namentlich genannt: Rudolf Gerhardt, Otto Likar, Max Mühlhaus, Hubert Rüsch.
Was viele auch nicht wissen: Ursprünglich sollte der Turm 330 Meter hoch werden (also knapp 40 Meter höher). Dagegen legte jedoch die Flugsicherheit am damaligen Flughafen München-Riem Einspruch ein – aus Sicherheitsgründen. Die Nürnberger freut’s: Deren Fernsehturm ist nämlich 293 Meter hoch und damit das höchste Bauwerk im Freistaat. Übrigens sollte das Bauwerk ursprünglich gar nicht Olympiaturm heißen – man sprach schlichtweg vom Fernsehturm. Logisch – denn Olympia lag noch in weiter Ferne. Im Januar 1964 beschloss der Münchner Stadtrat den Bau, den Zuschlag für die Olympischen Spiele im Jahr 1972 erhielt München im April 1966. Natürlich wurde das „Riesen-Stangerl“, wie es manche Bürger auch nannten, in den wunderbaren Park integriert. Sie wollen noch mehr Geheimnisse erfahren? Kein Problem! Wir besuchten die Menschen, die im Turm arbeiten.

Der Herr des Schlüssels
Für ein gutes Foto verschiebt Ulrich Bodammer schon mal den Feierabend. „Bei einer schönen Abendstimmung fahre ich extra hoch“, sagt der 58-jährige Betriebsleiter. Obwohl er seit fast 17 Jahren im Olympiapark arbeitet und stets und überall Zutritt hat, fasziniert ihn der Blick von oben nach wie vor. Überall Zutritt? Ja, Bodammer hat einen Schlüssel (rechts zu sehen), der überall passt.
Immerhin: Ulrich Bodammer hat keinen weiten Heimweg. „Ich wohne im Olympiapark, direkt am Fuß des Turmes“, sagt er. Im Bereitschaftsdienst ist der staatlich geprüfte Elektroniktechniker 24 Stunden erreichbar. Als einer von drei Betriebsleitern sollte er möglichst schnell vor Ort sein, zum Beispiel bei einem Feueralarm. „Meistens kommt der aus der Küche, wenn die mal wieder zu heiß gekocht haben.“ Dann schlägt der sensible Feuermelder an und ruckzuck steht ein Löschzug unten am Turm. Zur Sicherheit wird alles kontrolliert.
Bodammers Lieblingsplatz ist in der Röhre. Da geht’s vom Boden quasi ewig in die Höhe und die Aufzüge verschwinden scheinbar im Nichts (re.).
Übrigens: Selbst bei starkem Sturm schwanke der Turm kaum, beruhigt der Betriebsleiter. Schief werde er aber schon: Wenn nach einer kühlen Sommernacht die Morgensonne den Turm relativ schnell erhitze und sich der Beton einseitig ausdehne, werde er bis zu 30 Zentimeter schief. Bodammer: „Aber das kann man nur mit einer Wasserwaage feststellen.“
Ein anderes Wetterphänomen fasziniert ihn noch mehr: „Wenn unten die Stadt im Nebel liegt und oben am Turm die Sonne scheint.“ Dann holt er ganz schnell seine Kamera…

Fallschirmsprung von der Plattform
Über Rainer Nowak (heute 80 Jahre alt) sprach im Jahre 1984 die ganze Stadt: Der Fallschirmspringer hatte sich klammheimlich mit Freunden und seiner Ausrüstung auf den Olympiaturm geschlichen, war über das Gitter gekraxelt und in die Tiefe gesprungen. Das Foto rechts haben damals seine Spezl aufgenommen. Wenige Sekunden später landete er unverletzt zwischen staunenden Touristen auf der Oly-Wiese. Ein teurer Spaß: Er musste satte 5000 Mark Strafe für den lebensgefährlichen Sprung zahlen. Foto: Privat

Im Laden der Erinnerungen
Um die beliebtesten und günstigsten Souvenirs muss Lilibeth Pfaff kein Geheimnis machen: Postkarten, Schlüsselanhänger und Magneten verkaufen sich am besten. Unser Münchner Turm ziert also vermutlich Kühlschränke auf der ganzen Welt. Gut geht auch der Miniatur-Olympiaturm aus Metall für 12,95 Euro. Geheimnisvoller ist dagegen die Suche nach dem teuersten Erinnerungsstück im Shop. „Das ist der Kristall-Bierkrug, der kostet 149 Euro“, sagt die 51-Jährige, die seit 2001 hier Andenken verkauft. Die Kundschaft für dieses recht üppige Souvenir kommt hauptsächlich aus den USA. Und die verlangen zu Lilibeth Pfaffs Erstaunen immer öfter auch die kleinen Kuckucksuhren, die im Regal stehen – was daran typisch münchnerisch ist, wissen die Käufer vermutlich selbst nicht so genau. FC-Bayern-Fans können sich hier übrigens ebenfalls eindecken, Fans des TSV 1860 gehen dagegen leer aus. Der Grund: Die werden hier zu selten nachgefragt.

Dieter und der Weg nach oben
Wer auf den Turm will, der muss an Dieter Lanzenberger (69) vorbei: Denn jeden Tag zieht der Rentner den Anzug an, kontrolliert Eintrittskarten, sorgt für zügiges Besteigen der Aufzüge – und befördert die Gäste nach oben und holt sie wieder runter. Natürlich beantwortet er dabei die typischen Fragen: Spüren Sie den Druck in den Ohren („Nein“)? Wie oft fahren Sie rauf („An sehr geschäftigen Tagen bis zu 100 Mal pro Acht-Stunden-Schicht“)? Wackelt der Turm („Man spürt das nicht“)? Der 68-Jährige erinnert sich noch an die Anfänge des Turms: „Ich bin damals immer wieder über die Baustelle gefahren.“ Heute genießt er, dass die Gäste gut gelaunt kommen. „Die wollen rauf und München sehen.“ Nur einmal kam ein Angstpatient mit Therapeut. „Der hat 45 Minuten gebraucht, bis er im Aufzug war.“

Die Monster-Kabel im Funkraum
Eigentlich verwaltet Regina Stolba Leere. Die Objektleiterin der Deutschen Funkturm ist für die vier Etagen des sogenannten Postkorbs unterhalb des Besucherkorbs zuständig – doch dort arbeitet kein Mensch mehr. „Seit etwa 1994 gibt es keine dauerhafte Besetzung im Turm mehr“, erzählt die 53-jährige Diplom-Ingenieurin für Elektrotechnik. Wo früher sieben, acht Techniker Monitore überwachten und dafür sorgten, dass Fernsehübertragungen vom Sender zu den Kunden gelangten, surren heute in nahezu leeren Räumen kleine Schaltkästen, blinken Lichtlein und signalisieren Displays, für welchen Rundfunksender Programme auf welcher Frequenz übertragen werden. Antennen wurden nach und nach abgebaut, Schaltkästen schrumpften. „Die Technik ist viel leistungsfähiger und kompakter“, erklärt Regina Stolba. Etwa 16 öffentlich-rechtliche Sender nutzen den Olympiaturm, dazu rund 20 private. Der letzte Mobilfunkanbieter zieht sich demnächst zurück. „Für die ist der Turm zu hoch, unten hat man oft besseren Empfang.“ Alle ein bis zwei Wochen kommt die Objektleiterin in den Turm und kontrolliert. „Ich bin oft alleine hier oben“, sagt sie, Angst habe sie keine. Dafür muss sie viele Treppen steigen – für sie ein tolles Training: „Ich laufe heuer wieder beim Berlin-Marathon mit.“

Hier wird kräftig abgerockt
Wie viele Instrumente spielt der Vater des Rockmuseums? Kein einziges. „Ich bin völlig unmusikalisch“, verrät Herbert Hauke. Vielleicht, so mutmaßt der 62-Jährige, sei er deswegen ein so großer Bewunderer der Rockmusiker und sammelt alles, was er kriegen kann. Als junger Bursche wurde er von Ike und Tina Turner zur Backstage-Party eingeladen, weil er beim Konzert der Sängerin Rosen auf die Bühne geworfen hatte. Da habe er einen Entschluss gefasst: „Wenn ein Rockstar nach München kommt, muss er Herbert Hauke kennenlernen.“ Er war damit erfolgreich, wie man heute im Museum auf der Besucherplattform sehen kann. Scheinbar jedem bekannten Musiker hat er was abgeluchst: die Bühnenhose von Freddy Mercury, eine von ZZTop bemalte Gitarre, eine goldene Schallplatte von Elvis, das Schwanenhalsmikrofon vom letzten Live-Konzert der Beatles und ein Spiegel-Klavier von Elton John (oben im Bild zu sehen). Zur Eröffnung des Museums am 1. Dezember 2004 kamen Uriah Heep – „Wir sind schon so lange befreundet, wir reden jetzt über unsere Enkel“, erzählt der selbstständige Finanzberater. Das Museum hat er zusammen mit dem Journalisten Arno Frank Eser und ohne öffentliche Förderung eingerichtet, der Eintritt ist trotzdem frei. Herbert Hauke blickt optimistisch in die Zukunft: „Mein 17 Monate alter Enkel Levi tanzt schon zur Jukebox.“

Menüs auf 181 Metern
Das Geheimnis von Jan Malz liegt in der Planung. Der 34-Jährige und seine Kollegen vom Restaurant 181 müssen genau wissen, auf was die Gäste Appetit haben. Denn oben, in 181 Metern Höhe, ist der Platz extrem begrenzt. „Da kann es vorkommen, dass man schnell runter muss, weil die Pommes ausgehen.“ Das heißt: Im Personalaufzug nach unten rumpeln, ins 200 Meter entfernte Lager und wieder zurück. „Passiert selten, aber kann vorkommen“, sagt der stellvertretende Küchenchef.
Die Enge sei schon eine besondere Herausforderung, denn das Team kocht nicht nur räumlich auf sehr hohem Niveau. Zudem müsse man mit offenem Feuer sehr vorsichtig sein. „Der Brandschutz ist sehr strikt.“ Aber „die Höhe hat mich schon auch gereizt“, sagt Jan Malz. Und als Ur-Münchner kenne er den Turm ja sowieso in- und auswendig.
Für eine kurze Pause und ein paar Atemzüge frische Luft geht er zwischendurch mal raus. „Wir haben doch den schönsten Platz: Wir sehen das Oktoberfest, Tollwood und die Konzerte im Park.“

Zahlen und Fakten zum Olympiaturm
- 29.1.1964: Münchens Stadtrat beschließt den Bau eines Fernmeldeturms.
- 1.6.1965: Baubeginn.
- 30.5.1967: Richtfest.
- 22.2.1968: Eröffnung.
- Bauzeit: 533 Tage; 40 Facharbeiter, 15 Hilfskräfte, vier Polierer, keine schweren Unfälle.
- Kosten: 22 Millionen Mark.
- Durchmesser Fundament: 40 Meter, Gründungstiefe: 8 Meter, Gesamtgewicht: 52 500 Tonnen.
- Gesamthöhe: 291,28 Meter (seit 2005), Restaurantebene: 181,75 Meter, Besucherebenen: 185, 189 und 192 Meter, Höhe des Betonschafts: 247,50 Meter.
- zwei Personenaufzüge (Geschwindigkeit 7 m/s), ein Lastenaufzug (4 m/s), Treppe mit 1230 Stufen.
- Eintritt: 7 Euro, Kinder (bis 16 Jahre) 5 Euro, unter 6 frei.
- Erste Auffahrt: 9 Uhr, geöffnet bis 24 Uhr.
Unsere wichtigsten Geschichten aus diesem Teil Münchens posten wir auch auf der Facebookseite „Milbertshofen – mein Viertel“.