Am Samstag beim Christopher Street Day (CSD) ist München eine Stadt im Ausnahmezustand. Im positiven Sinne. Vom Mariahilfplatz in der Au bis zum Marienplatz zieht ein Tross von 27 000 Menschen drei Stunden über die vier Kilometer lange Strecke. Vorneweg: OB Dieter Reiter (SPD). Er läuft im Ukraine-Block hinter dem Banner mit dem CSD-Motto: Less Me, More We. Weniger ich, mehr wir! Den Straßenrand säumen laut Polizei 350 000 Schaulustige und Feierwütige.
140 Gruppen nehmen an der Parade teil. Die Umzugswagen sind aufwendig geschmückt, viele Teilnehmer tragen schrille Kostüme. Sie tanzen, tragen Fahnen oder Transparente. Alles ist bunt. So bunt wie ein Regenbogen, dessen Farben überall erstrahlen – hundertfach, tausendfach!
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Der CSD kennt keine Weltanschauung, kein Geschlecht, keine Hautfarbe. Er kennt nur eines: Alle Menschen sind gleich. Auch im Ausleben ihrer sexuellen Bedürfnisse. Dafür zeigt auch der katholische Geistliche Wolfgang Rothe Flagge. Mit schwarzer Hose, schwarzem Hemd, weißem Priesterkragen und Regenbogenfahne läuft der Pfarrvikar bei der Politparade mit. „Ich möchte um Verzeihung bitten für das, was queeren Menschen in unserer Kirche angetan wurde“, sagt er.
Unterdessen strömen immer mehr Menschen auf den bereits überfüllten Marienplatz, um der offiziellen Eröffnung des CSD beizuwohnen. Reiter erkennt bereits beim ersten Blick von der Bühne: „Das sind viel mehr als bei der Meisterfeier des FC Bayern.“ Thomas Niederbühl, politischer Sprecher des CSD und Stadtrat der Rosa Liste, sagt: „Das ist die größte und längste Parade, die München je gesehen hat.“ An diesem Tag gehe es auch um Solidarität mit den kriegsgeplagten Menschen in Münchens Partnerstadt Kiew und deren LGBTIQ-Gemeinde.
Scharfe Kritik übt Niederbühl an der CSU-geführten Staatsregierung, die viel zu wenig für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und queeren Menschen tue. Reiter ruft der Menge am Marienplatz zu: „Lasst uns weiterhin laut sein für den Diskriminierungsschutz.“ Und augenzwinkernd appelliert er an die Feiernden: „Und lasst mir bitte das Rathaus stehen.“ Das steht auch am Sonntag noch. Ein Polizeisprecher resümiert: „Für das Ausmaß an Menschen verlief alles friedlich und erstaunlich ruhig.“ Klaus Vick