Angst vor nächster Luxussanierung in München: Mieter-Protest in Schwabing

Angst vor Luxus-Sanierungen, Mieterhöhungen, Kündigungen: In Schwabing protestieren Mieter. Dabei geht es nicht nur um den Verkauf zweier Gebäude, sondern um weit mehr.
München - „Wir bleiben hier!“ steht auf einem Plakat an der Wand des Mehrfamilienhauses in Schwabing, vor dem sich gestern Demonstranten versammelt hatten. „Wohnen ist ein Grundrecht“, „Gegen Mietenwahnsinn“ und „Unser Zuhause ist keine Ware“ war auf Schildern zu lesen. Viele der Protestierenden leben in den Häusern an der Ecke Krumbacher-/Hiltenspergerstraße – und haben Angst um ihre Wohnung. Die beiden Gebäude, die im Besitz einer Erbengemeinschaft waren, werden verkauft. Die Mieter fürchten Mieterhöhungen, Luxussanierungen oder Kündigungen.
OB Dieter Reiter fordert Stärkung des städtischen Vorkaufsrechts
Dabei liegen die Häuser im Erhaltungssatzungsgebiet. Doch im November 2021 kippte das Bundesverwaltungsgericht die Ausübung des Vorkaufsrechts von Städten weitgehend. Laut des Urteils zählt nicht, ob Hausbewohner verdrängt werden könnten. Entscheidend ist, ob das Gebäude leer steht oder verkommt. Die Städte München, Berlin und Hamburg haben sich jetzt zu einer Initiative zusammengeschlossen. Er wolle den Sorgen der Münchner Mieter* „bundesweit Gehör zu verschaffen“, erklärt OB Dieter Reiter (SPD). Die drei Städte fordern eine gesetzliche Neuregelung des Vorkaufrechts auf Bundesebene.
Die Linken-Fraktion im Bundestag hat dazu einen Antrag gestellt, der am Freitag behandelt wird. „Wir erleben aktuell einen Rückschritt in der Mietenpolitik“, beklagt die Münchner Bundestagsabgeordnete und Antrags-Initiatorin Nicole Gohlke. Auch Simone Burger vom DMB Mieterverein München, betont: „Das Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten ist extrem wichtig.“
Bei der Kundgebung in Schwabing waren deshalb auch einige Politiker anwesend. Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) begleitete die Proteste. „Die Ampel im Bund muss jetzt handeln“, fordert sie. 15 Häuser seien seit dem Urteil schon an der Stadt vorbeigegangen.
Münchner kämpfen gegen Luxussanierung - „Geht darum, viel Geld einzunehmen“
Das sagen die Betroffenen:
Alles ist gerade völlig in der Schwebe“, sagt Moritz Burgkardt, der gemeinsam mit seiner Partnerin Julia Strohwald und dem drei Monate alten Sohn in einem der Häuser lebt. Er hat gehört, dass die Verkaufsverträge schon unterschrieben seien. „Wer der Verkäufer ist, wissen wir nicht“, berichtet der 37-Jährige. Er befürchtet jedoch, dass es dem Käufer vor allem darum geht, viel Geld einzunehmen. „Wer eine Immobilie kauft, will eine Investition“, sagt er. Er hat große Sorgen, was das für die insgesamt 19 anderen Parteien in den beiden Gebäuden bedeutet. Sie haben sich zu einer Mietergemeinschaft zusammengeschlossen.
Ich finde es wichtig, dass es das Vorkaufsrecht gibt“, sagt Stefanie Göppl. Die 45-Jährige lebt zwar nicht in den beiden Gebäuden, weiß aber ganz genau, wie es den Mietern dort geht. „Vor drei Jahren war ich selbst betroffen“, berichtet sie. „Es war eine verdammt unangenehme Zeit.“ Doch sie hatte Glück und konnte in ihrer Wohnung in Schwabing bleiben. „Unsere Rettung war, dass die Stadt das Haus gekauft hat.“ Auch jetzt beschäftigt sie das Thema wieder. Stefanie Göppl betreut die Werkstatt R18 in Milbertshofen, bei der Jugendliche mit schwierigen Voraussetzungen die Chance auf eine Ausbildung bekommen. Doch das Gebäude wurde von einem Investor gekauft, Ende Juni muss die Werkstatt raus*. „Jetzt suchen wir dringend neue Räume.“
„Wir haben Angst, dass die Mieten stark erhöht werden oder es andere Maßnahmen gibt, um die Leute raus zu kriegen“, sagt Bewohner Markus B. Mit seiner Frau Karin und den beiden fünf und sieben Jahre alten Kindern möchte er aber unbedingt dort bleiben. „Wir fühlen uns wohl in der Gegend und der Kindergarten und die Schule sind hier“, erklärt der 49-Jährige. „In München kriegt man auch kaum etwas, es ist alles sehr teuer.“ Noch hat die Familie Hoffnung, dass es doch noch eine gute Lösung für alle Mieter gibt. In dem Haus würden auch einige ältere Damen schon seit 40 Jahren leben, berichtet er. „Wenn sie ausziehen müssten, wäre es für sie eine richtige Entwurzelung.“
Derweil schwelt die Debatte um die „Hypo-Gentrifizierung“ auch in der Türkenstraße weiter.*tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.