Streit um Asyl-Demo: CSU will Kammerspielen Beteiligung untersagen

Unter dem Motto #ausgehetzt ruft ein breites Bündnis zur Demo gegen die CSU-Asylpolitik auf. Erstunterzeichner sind auch die Kammerspiele - was die Stadtrats-CSU massiv ärgert.
München - Die große Liebe war es nie zwischen Matthias Lilienthal und der Münchner CSU. Der Intendant der Kammerspiele hatte jüngst angekündigt, seinen Posten 2020 räumen zu wollen. Hintergrund ist, dass die CSU im Stadtrat einer Verlängerung des dann auslaufenden Vertrages des 58-Jährigen nicht hatte zustimmen wollen. Und nun ruft das Theater gemeinsam mit über 130 weiteren Organisationen zu einer Demonstration auf – gegen die Asylpolitik der CSU.
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Das eine habe aber mit dem anderen nichts zu tun, versichert Lilienthal auf Nachfrage unserer Zeitung. „Das ist eine Reaktion auf die völligen Entgleisungen des Innenministers. Diese Meinung teile ich mit vielen anderen Menschen in der Stadt.“ Lilienthal, der auch im Aufsichtsrat der Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco sitzt, hat aus seiner Überzeugung in Sachen Asylpolitik nie einen Hehl gemacht.
#ausgehetzt: Demo gegen Rechtsruck
Unter dem Motto #ausgehetzt rufen verschiedene Organisationen für kommenden Sonntag zu einer Demonstration auf. „Wir wehren uns gegen die verantwortungslose Politik der Spaltung von Seehofer, Söder, Dobrindt und Co.“, heißt es in dem Aufruf. „Wir setzen ein Zeichen gegen den massiven Rechtsruck in der Gesellschaft, den Überwachungsstaat, die Einschränkung unserer Freiheit und Angriffe auf die Menschenrechte.“
Die CSU im Stadtrat ist wenig begeistert, vor allem, weil die Münchner Kammerspiele als Erstunterzeichner auftreten. „Der Eigenbetrieb Kammerspiele muss parteipolitische Neutralität wahren“, schreibt CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl in einem Antrag. In diesem fordert er den Oberbürgermeister auf, den Kammerspielen die Beteiligung an der Demonstration zu untersagen. Ferner sollen dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Verantwortlichen ergriffen werden.
OB Reiter verweist auf die Meinungsfreiheit
OB Dieter Reiter (SPD) konterte gestern nüchtern: „Die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kultur sind in einer liberalen Stadtgesellschaft wie in München ein überragend schützenswertes Gut. Gleichwohl wird der Antrag selbstverständlich fristgerecht bearbeitet.“

Lilienthal versteht die Aufregung kaum: „Ich wundere mich, dass nicht noch mehr Theater zur Demo gegen Seehofers Asylpolitik aufrufen.“ Zumindest in Teilen aber kann er die Kritik der CSU nachvollziehen. „Formaljuristisch hat sie vielleicht recht. Aber wir haben uns in den Kammerspielen abgestimmt und als Kollektiv entschieden.“
SPD: „Tiefpunkt demokratischen Grundverständnisses“
Die SPD München ist derweil „entsetzt über diesen Tiefpunkt des demokratischen Grundverständnisses“ der CSU. Bei allen großen Demonstrationen für Gleichberechtigung, Menschlichkeit und Solidarität seien die Kammerspiele immer dabei, ohne dass jemals jemand daran Anstoß genommen habe, sagt Münchens SPD-Chefin Claudia Tausend. „Die Großdemonstration unterscheidet sich darin nicht im Geringsten.“ Partei-Vize Roland Fischer ergänzt: Die Rathaus-CSU ignoriert alle Grundregeln der freien Meinungsäußerung und der freien Kunst.“
Pretzl freilich ist anderer Meinung: „Der Vergleich ist Unsinn. Die bisherigen Demonstrationen standen für ein liberales, weltoffenes München. Da steht die CSU auch dahinter. Doch die jetzige Demo richtet sich klar gegen die CSU, und das ist eine parteipolitische Geschichte.“
Grüne: „Getroffene Hunde bellen“
Grünen-Fraktionschef Florian Roth sagte auf Anfrage: „Dass die Kammerspiele in der politischen Flüchtlingsfrage Stellung beziehen, ist natürlich Teilen der CSU ein Dorn im Auge.“ Es sei sicher eine Gratwanderung, aber es gebe die Tradition, dass sich Theater auch politisch äußern. „Getroffene Hunde bellen.“
Die Demonstration beginnt am Sonntag um 12.30 Uhr am Goetheplatz. Weitere Kundgebungen sind im Bereich südliche Theresienwiese, Schwanthalerstraße 64, Karl-Stützel-Platz und Königsplatz geplant. Die Veranstalter rechnen mit etwa 5000 Teilnehmern.
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