Autonomes Wiesn-Shuttle, Flugtaxis & Co. – Münchens Verkehrsprojekte der Zukunft

In München gibt es einen Verteilungskampf um die knappen Flächen auf den Straßen. Eine Gruppe von Experten rund um Mobilitätsreferent Georg Dunkel zeigt nun Zukunftsthemen und deren Lösungen auf.
München - Verkehr in München ist immer auch Stress. Autofahrer, Bus-Pendler, Radler, Fußgänger und E-Roller-Piloten wollen ans Ziel kommen – aber längst sind da auch andere Akteure, die Platz beanspruchen, etwa für Schanigärten. Mobilität ist deshalb ein wichtiges Thema. Der städtische Mobilitätsreferent Georg Dunkel, Sinaida Cordes, die bei den Stadtwerken (SWM) für Mobilitätsentwicklung und Innovation zuständig ist, sowie Oliver May-Beckmann, Geschäftsführer von „MCube“ (einem Netzwerk, das Lösungen für den Verkehr der Zukunft entwickelt) haben sich Gedanken gemacht.
Grundsätzliches: Verkehr effizienter gestalten
Zwei Dinge sind klar: Die Lage ist herausfordernd – und sie wird von selber nicht einfacher. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Mobilität auch dann Ressourcen braucht, wenn sie grad gar nicht gebraucht wird. Referent Dunkel verweist auf Studien, die zeigen, dass in der Regel maximal zehn Prozent der vorhandenen Autos gleichzeitig auf den Straßen fahren. Die anderen sind geparkt – in Garagen oder am Straßenrand. Dunkels Grundidee: „Es geht nicht darum, nicht mehr mit dem Auto durch München zu fahren. Wir müssen es effizienter machen, damit wir mehr öffentlichen Raum gewinnen, den wir dann auch neu gestalten können.“ Ideen dafür gibt’s eine ganze Reihe, zum Beispiel über Sharing-Konzepte. Sinaida Cordes von den SWM sagt: „Die Alternativen müssen genauso bequem sein wie das eigene Auto. Wir brauchen zum Beispiel eine App für alle Angebote, nicht 17 Apps für 17 verschiedene Services.“
Autonomer Verkehr
Menschen machen Fehler, wissen wir. Oder sie haben Stress. Oder sie rasen gern. Oder alles gleichzeitig. Technische Lösungen könnten in Summe geschmeidiger laufen, wenn sie zu Ende entwickelt sind. Das wäre dann autonomes Fahren: ein Auto, das von einem Computer gesteuert wird und ganz ohne Fahrer auskommt. Daran arbeiten Ingenieure auf der ganzen Welt – und in München gibt’s mehrere wichtige Projekte dazu.
Oliver May-Beckmann von „MCube“ sagt: „Mit unseren autonomen Fahrzeugen der Technischen Universität München sind wir schon seit drei Jahren bei der Indianapolis Challenge in den USA dabei. Bei 300 km/h Höchstgeschwindigkeit testen wir die Autos beim Überholen und perfektionieren so die Technik.“ Bald gibt‘s die Übertragung auf geringeres Tempo und höheren Stress. Konkret: ein Wiesn-Shuttle, das sich während des Oktoberfests im Wusel-Verkehr nahe der Theresienwiese bewegen soll. May-Beckmann: „Das Wiesn-Shuttle muss mit dem unglaublichen Chaos rund um das Oktoberfest zurechtkommen: Viele Autos und Radler gleichzeitig, dazu Horden an Fußgängern, und an die Verkehrsregeln halten sich auch nicht alle. Das stellt die Sensoren und die Steuersoftware auf eine harte Probe.“ Bis zu dieser Zukunft ist es nicht mehr lang hin: „Nächstes Jahr wollen wir unser Wiesn-Shuttle in der Realität testen. Natürlich fährt es extrem vorsichtig und langsam. Und ein Sicherheitsfahrer ist auch dabei, um notfalls eingreifen zu können. Aber erst mal fährt das Auto autonom.“
Sharing-Angebote
Beim Sharing hat nicht mehr jeder Haushalt ein eigenes Auto. Stattdessen läuft’s wie beim E-Scooter. Man ist Mitglied und bucht, wenn man’s braucht. Solche Modelle gibt’s schon – aber beim Auto haben sie sich noch nicht durchgesetzt. Die Experten wollen die Idee jetzt kleinräumiger denken, also etwa auf ein Viertel oder ein Haus begrenzt. Oliver May-Beckmann von „MCube“ berichtet von einem Versuch, in dem sich Familien E-Autos teilen: „Wir schauen uns dann an, was sich in ihrem Verhalten ändert und wann sie die Autos benutzen. Außerdem beschäftigen wir uns mit der Frage: Was sind Menschen bereit dafür auszugeben?“ Auch Sinaida Cordes hält Sharing-Modelle – sowohl bei Autos als auch bei Fahrrädern – für einen wichtigen Baustein unserer Mobilität. Ihr Beispiel fürs Sharing-Mobil: „Ich fahre zu meiner -U-Bahn oder S-Bahn-Station und steige da um. Die Bahn muss dann aber auch kommen…“
Paketbus
Mit einem Projekt namens Steam wollen die Leute von „MCube“ Dampf machen für die Verbindung von Personen- und Lieferverkehr. Könnte gut klappen. Denn: Viele Leute sind eigentlich nur morgens und abends unterwegs, aber nicht dazwischen. May-Beckmann: „Wir entwickeln gerade einen Prototyp, einen Minibus, mit dem morgens Menschen fahren können – und wenn die Rushhour vorbei ist, können die Sitze zur Seite geklappt werden. Dann ist Platz für Pakete und andere Lieferwaren. Am Ende dieses Jahres wollen wir dieses Projekt für die Münchner erlebbar machen.“
Flugtaxi
Ein kleiner Elektro-Flieger statt eines Taxis: Liegt die Zukunft des Münchner Pendler-Verkehrs in der Luft? Mobilitätsreferent Dunkel sagt: „Ich bin da skeptisch. Wir haben auch schon mit verschiedenen Unternehmen kommuniziert, die das in dieser Region vorantreiben. Dass die Technik funktionieren wird, ist klar. Aber die Start- und Landeplätze sind ein zentrales Problem. Außerdem sind die fliegenden Taxis laut, auch wenn sie mit Elektromotoren durch die Luft fliegen. Ich kann mir vorstellen, dass wir Punkt-zu-Punkt-Verbindungen hinbekommen – beispielsweise von der Messe zum Flughafen und noch weitere Hotspots in der Stadt. Aber dass es für den lokalen Verkehr viel bringt, kann ich mir nicht vorstellen.“ Und Sinaida Cordes meint: „Die Flugzeuge sind zu klein – bis zu drei Personen haben Platz –, und auch das Umsteigen ist nicht besonders komfortabel. Bis man vom Hochhaus zum eigentlichen Wunschort gelaufen ist, ist man mit der Bahn oder dem Bus vermutlich schneller am Ziel.“
Weniger Autos
Ein viel diskutiertes Thema, gerade in München. Fast in allen innerstädtischen Vierteln sollen Parkplätze wegfallen, zum Beispiel für Radwege oder Gastro-Flächen. Oliver May-Beckmann stellt aber klar: „Die Quartiere werden nicht autofrei, sondern autoreduziert, vor allem mit dem Fokus auf Anwohnerparkplätze. In Deutschland dürfen die meisten Gebiete von jedem befahren werden, und man darf nahezu überall parken – warum eigentlich? In anderen europäischen Ländern ist das nicht so. Zum Beispiel in Italien. Hier geht die Schranke runter, und nur die Anwohner dürfen reinfahren. Der Rest muss Park& Ride machen.“
Auch Referent Dunkel setzt nicht auf Radikal-Lösungen. Er sagt: „Wir haben kein komplett autofreies Neubauquartier entwickelt. In Riem wurde das mal getestet, aber wir brauchen auch in Zukunft die Erreichbarkeit für das Auto, zum Beispiel für mobilitätseinschränkte Personen. In Freiham und anderen Neubaugebieten möchten wir jetzt die Mobilitätskonzepte mit einbauen. In Freiham werden wir erstmalig eine Quartiersgarage außerhalb der Wohnblöcke bauen.“
