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„Ein Tanz auf der Rasierklinge“ - Entsetzen nach Corona-Alarm in Münchner Gerichtssaal - Richterin handelt sofort

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Von: Nina Gut

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Corona stellt auch die Gerichte vor eine Herausforderung: In einem Prozess am Landgericht München sagt ein Angeklagter beiläufig, er habe Symptome. Die Richterin reagiert prompt.

München - Eigentlich plätschert der Prozess am Landgericht München II ganz ruhig vor sich hin. Der Angeklagte Mirsad B. aus München, der mit Komplizen einen Dealer ausgeraubt haben soll, sagt zu seinem Lebenslauf aus. Da fängt neben ihm sein Mitangeklagter Matwej V. (22) aus Puchheim (Kreis Fürstenfeldbruck) an, aus einer Flasche zu trinken. Seiner Verteidigerin Heidi Pioch nennt er auch den Grund: Er habe Halsschmerzen und fühle sich nicht gut. Denn er habe im Dezember Corona* gehabt. Aber die Symptome seien eigentlich schon abgeklungen. Es herrscht Entsetzen im Saal. Corona-Alarm am Landgericht.

Corona-Eklat im Landgericht München: Prozess unterbrochen wegen Covid-19-Symptomen

Die Vorsitzende Richterin Regina Holstein erkennt sofort, dass Gefahr in Verzug sein könnte. Und holt nähere Informationen ein. Matwej V. berichtet, dass seine Mutter im Dezember positiv auf das Coronavirus getestet worden sei. Auch er habe sich mit Corona infiziert. Er habe Halsschmerzen gehabt und seinen Geschmackssinn verloren. „Testen lassen habe ich mich nicht“, sagt er. Die Sache sei für ihn ohnehin klar gewesen. Ein aufsehenerregender Prozess begann kurz zuvor ebenfalls im Landgericht München:

München: Anwalt von Angeklagtem hatte 2020 bereits Richter wegen Corona verklagt

Alle im Gerichtssaal sind sich einig, dass V. sofort zum Arzt* muss. Rechtsanwalt Thomas Pfister, Verteidiger von Mirsad B., ist entsetzt. Er findet das Verhalten von Matwej V. „verantwortungslos“. „Wir befinden uns in einer Pandemie, in der täglich 1000 Leute sterben.“ Er wirft die Frage auf, ob man in dieser Zeit überhaupt Prozesse führen muss. Pfister hatte voriges Jahr bereits einen Richter wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung angezeigt. Der Richter hatte mit 50 dicht gedrängten Zuschauern im Saal verhandeln wollen.

Auch die jetzige Vorsitzende ist der Meinung, man befinde sich zurzeit „bei einem Tanz auf der Rasierklinge“. Sie unterbricht den Prozess. Wenn V.s Test negativ sein sollte, geht es am Dienstag weiter. Ansonsten bleibt er unterbrochen. *tz.de ist ein Angebot des Ippen Digital Netzwerks

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