München muss in den Lockdown: Neue Verschärfungen gelten ab sofort - alle Maßnahmen im Überblick
Ein Monat Lockdown, damit es zu Weihnachten wieder etwas sozialer werden kann: So lautet der deutsche Corona-Plan, auch in München. Welche Einrichtungen jetzt zumachen und welche offen bleiben.
- Der neue Lockdown wird das öffentliche Leben in München herunterfahren. Die Corona-Ampel* hatte bei der Stadt schon auf „dunkelrot“ gezeigt.
- Wegen des Coronavirus bleiben Gastronomie und Freizeiteinrichtungen ab 2. November zu.
- Wir haben für Sie den Überblick, was offen bleibt und was erlaubt ist.
München – München steht vor dem nächsten Lockdown. Weil die Infektionszahlen weiter stark ansteigen, hat die Politik am Mittwoch beschlossen, das öffentliche Leben ab Montag (2. November) größtenteils herunterzufahren. Die neuen Regeln sollen den ganzen November über gelten – bundesweit. Und sie werden auch den Münchner Alltag massiv verändern. Was jetzt alles passiert, wer wieder zusperren muss und wie Betroffene reagieren, lesen Sie im großen tz-Report. Manche Bereiche sind noch nicht genau geregelt – am Donnerstag sollen die Details für Bayern beschlossen werden. - thi, wdp, stm
Corona-Lockdown in München: Restaurants werden geschlossen - Lieferdienste bleiben offen
Gastronomie: Restaurants, Bars und Imbisse müssen wieder zumachen. Aber: Es wird möglich sein, Essen mitzunehmen oder sich liefern zu lassen. Bereits im ersten Lockdown Mitte März hatte das Take-Away-Geschäft gut funktioniert. Am Mittwoch haben Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten beschlossen, dass der Staat im neuen Lockdown mit bis zu 75 Prozent einspringt, wenn ein Betrieb (etwa ein Restaurant) Verluste macht. Trotzdem sind viele Wirte sauer und kritisieren die Maßnahmen. „Die Gastronomie ist mit die sicherste Branche. Bei uns gibt’s totale Nachvollziehbarkeit, abgesegnete Hygienekonzepte – und wir rüsten permanent auf“, sagte etwa Stephan Kuffler. Er führt unter anderem das Seehaus im Englischen Garten und das Weinzelt auf der Wiesn. „Das RKI hat sogar bestätigt, dass Gaststätten das Infektionsgeschehen nicht anheizen. Warum wir jetzt trotzdem schließen, verstehe ich nicht.“ Seit Anfang des Jahres habe die Kuffler-Gruppe 300 Mitarbeiter verloren. „Wir haben bisher niemanden gekündigt, haben aber eben nicht mehr neu eingestellt und zwei Betriebe geschlossen“, so Kuffler. Am Mittwoch hatte der Wirt einen Termin bei einem Anwalt: „Mir reicht’s jetzt!“ Auch Constantino Medde vom 55 Eleven ist zermürbt vom monatelangen Kampf. „Es ist doch absolut verrückt, dass wir jetzt wieder zusperren sollen. Damit schicken wir die Leute von einem sicheren Ort mit bestmöglichen Kontrollen zurück in die eigenen Wände, wo nichts nachverfolgt werden kann“, sagt der 32-Jährige. Dabei habe die Gastronomie in den vergangenen Monaten viel Kreativität bewiesen, um die Gäste bestmöglich zu schützen. „Wir haben die Spülmaschinentemperatur angepasst, Belüftungskonzepte erstellt, jetzt gerade habe ich eine Heizpilz-Bestellung, die ich gerade wieder stornieren kann“, sagt Medde, der seit März einen Schuldenberg vor sich herschiebt. „Klar, wenn der Lockdown kommt, werden wir wieder einen Lieferdienst auf die Beine stellen. Aber wir sind nicht Lieferando, das ist alles andere als wirtschaftlich.“
Freizeitsport: Amateurligen werden wohl ausgesetzt, Freizeitsport ist nur eingeschränkt möglich. „Sportlich sehe ich das eher gelassen“, sagt Michael Franke von der FT Gern. In Bayern werde eh noch die Saison 2019/2020 gespielt. „Aber in sozialer Hinsicht wäre ein zweiter Lockdown problematisch.“ Denn vor allem Kinder und Jugendliche blieben auf der Strecke. „Man sollte zumindest das Training im Freien weiterhin erlauben“, fordert Franke. Ihm sei kein Fall einer Ansteckung auf einem Sportplatz bekannt.
Fitnessstudios: Michael Pribil, Gründer und Inhaber von Body + Soul (40 000 Kunden) kann den Lockdown nicht nachvollziehen: „Eine Maßnahme ohne Augenmaß! Studien des Robert-Koch-Instituts und der WHO belegen doch eindeutig, dass Fitnessstudios – übrigens genauso wie Restaurants oder Hallenbäder – keine Infektionstreiber sind.“ Man habe viel Geld in Desinfektion, Lüftungskonzepte oder, wie er, sogar in Fiebermess-Kameras investiert. „Und es gibt keine Belege, dass dieser Schutz nicht funktioniert.“ Jeder Tag, den seine Studios geschlossen seien, koste ihn 80 000 Euro, so Pribil. Body + Soul werde das überleben. „Ich habe meinen 240 fest angestellten Mitarbeitern eine Jobgarantie gegeben, und dazu stehe ich auch!“
Kultur: Mit einem flammenden Appell haben sich die Münchner Ensembles gegen eine Schließung der Musik- und Sprechtheater gewandt. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder (53, CSU) und Oberbürgermeister Dieter Reiter (62, SPD) schreiben die künstlerischen Kräfte des Staatsschauspiels, der Kammerspiele, des Gärtnerplatz- und Volkstheaters, der Schauburg und der Staatsoper: „Zuschauerräume sind durch kontinuierliche Belüftung und die Hygienekonzepte sicherer als viele andere Orte. Es gibt keine belastbaren Zahlen, die suggerieren, dass Theater Superspreader-Ereignisse provoziert hätten. Wir fordern die Politik auf, diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen.“ Derweil teilte das Gärtnerplatztheater mit, dass sein Antrag vom Kreisverwaltungsreferat abgelehnt wurde, weiter vor 200 statt vor 50 Menschen spielen zu dürfen. Die Karten für Vorstellungen bis 2. November wurden storniert. Und ab 2. November ist jetzt eh wieder Schluss… Das gilt auch beim Residenztheater sowie an der Staatsoper. Der Privatveranstalter Münchenmusik hat am Mittwoch die Reißleine gezogen und 110 Veranstaltungen in der Stadt bis 31. Januar verschoben oder abgesagt.
Messen: Einsschließlich der abgesagten ExpoReal hatte die Messe München heuer schon 210 Millionen Euro Umsatzverlust, erklärte Messe-Chef Klaus Dittrich kürzlich. Und es wird nicht besser werden: Auch Messen sind vom Lockdown betroffen.
Lockdown in München: Schwimmbäder und Bordelle werden geschlossen
Schwimmbäder: Baden wird wohl erst mal nicht mehr möglich sein. Neben Schwimm- und Spaßbädern sollen auch Saunen und Dampfbäder schließen. Bitter auch für die Stadtwerke München. „Wir schauen uns die Vorgaben genau an, wenn sie uns vorliegen, und beraten dann die weiteren Schritte für unsere neun Hallenbäder und zehn Saunen“, so Sprecherin Doris Betzl.
Bordelle: „Eine Katastrophe“ sei der zweite Lockdown, der auch für Bordelle gilt – sagt Leierkasten-Boss Jürgen G. Gerade erst sei das Rotlicht-Geschäft wieder angelaufen, zuvor war ein halbes Jahr lang alles dicht. „Es ist Wahnsinn: Ein Blick ins Internet reicht, um festzustellen, dass sich das Geschäft mit jedem Lockdown weiter in die Illegalität verlagert“, sagt Madame Yvonne, Betreiberin vom Erotikstudio Tempel der Lust an der Machtlfinger Straße. Immer mehr Frauen würden jetzt ihre Dienste im Netz anbieten. „Das ist gefährlich – für die Damen und den Infektionsschutz“, sagt die Betreiberin, die seit Corona von ihrer Altersvorsorge lebt.
Kosmetik: Auch Tattoo-Studios, Kosmetiker und Masseure sind vom Lockdown betroffen (außer medizinische Anwendungen). Claudia Zeidler (39) vom Kosmetikstudio Schönheitswerk sagt: „Ich weiß nicht, wie ich das finanziell schaffen soll.“ Im April habe sie für ihr geschlossenes Geschäft Fixkosten von 2500 Euro gehabt. „Hinzu kommen die privaten Kosten für Miete, Essen und so weiter.“ Zeidler arbeitet mit einer FFP2-Maske und habe in ihrem Studio keinen Corona-Fall gehabt. „Ich arbeite schon rund um die Uhr, meine Verluste vom ersten Lockdown habe ich aber bei Weitem noch nicht reingeholt.“
Supermärkte: Lebensmittel einkaufen im Supermarkt ist weiterhin möglich, auch andere Einzelhändler (etwa Kleidung, Elektronik etc.) dürfen ihre Läden weiter betreiben. „Wir wollen den Handel offenhalten“, so die Marschroute, die die Kanzlerin am Mittwoch vorgab. Schärfere Hygiene-Regeln hatte der Entwurf des Kanzleramts zwar vorgesehen - demnach sollte nur noch ein Kunde auf 25 Quadratmetern in Geschäften erlaubt sein. Beschlossen wurde das letztlich aber nicht. Stattdessen gilt nun, dass „nicht mehr als ein Kunde pro 10 m² Verkaufsfläche“ erlaubt ist, was in Bayern auch in der neuen 8. Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (§ 12 Abs. 2) umgesetzt wurde. Das bedeutet: „In München und Bayern ändert sich im Handel - der ja weiterhin öffnen darf - also nichts. Es wurde auch nichts verschärft“, sagt Wolfgang Fischer, Geschäftsführer von CityPartner München e.V.

Kinos: „Ein zweiter Lockdown hätte für uns und die gesamte Branche dramatische wirtschaftliche Konsequenzen“, sagte Kurt Schalk vom Mathäser – kurz bevor die Politik dann genau jenen zweiten Lockdown verkündete. Aktuell liege die komplette Kino-Branche bei einem Minus von 60 Prozent zum Vorjahr. November und Dezember gehören traditionell zu den stärksten Monaten. Ein zweiter Lockdown „ruiniert unser Weihnachtsgeschäft insbesondere deswegen, weil davon ausgegangen werden muss, dass weitere Filme ins kommende Jahr verschoben werden“, so Schalk. Eine Komplettschließung sei schwer zu akzeptieren, „weil die Kinos über umfassende Hygienekonzepte verfügen, eine praktisch lückenlose Kontaktnachverfolgung ermöglichen und in ganz Deutschland noch kein einziger Fall bekannt ist, der auf eine Infektion im Kino zurückzuführen ist“.