Geisterstadt platt gemacht - Räumung des Obdachlosencamps am Olympiapark

Über Monate haben Obdachlose am Olympiapark in einem Camp gelebt. Nun hat es die Stadt geräumt, damit aber das grundsätzliche Problem nicht gelöst.
Es ist noch dunkel am Georg-Brauchle-Ring. Eine Plastikplane zittert im Wind, das Licht einer Laterne flackert. Und doch reicht ihr Schein aus, um das verbotene Lager zwischen den Bäumen zu erhellen. Jenen Ort, den vermutlich mehrere Familien ihr Zuhause nannten. Gestern Vormittag, kurz nach Sonnenaufgang, rückte ein privater Räumtrupp an, um die Geisterstadt gegenüber der Parkharfe am Olympiapark plattzumachen. Es war die dritte große Räumung, die die Stadt in Auftrag gab. Geweckt werden musste allerdings niemand. Denn die Obdachlosen hatten ihr Lager bereits verlassen…
Stadt kündigte Räumung im Vorfeld an
Geblümte Decken, Tassen, Teller. Duschgel, Vasen und Besteck haben die einstigen Bewohner des illegalen Camps im Schnee zurückgelassen. Dinge, die jeder ordentliche Haushalt braucht. Mit einem gewaltigen Unterschied: Die Menschen, die sich am Georg-Brauchle-Ring eingerichtet haben, hausten in Zelten und zusammengezimmerten Hütten, durch die der Winterwind seine eisigen Finger streckte. Mitten im Gestrüpp ein Kinderwagen, daneben ein weißer Wisch. Mit einer eindeutigen Botschaft: „Camping verboten!“, steht da in schwarzen Lettern geschrieben. „Bitte entfernen Sie Ihre Sachen! Das Camp wird am 08.02.2019 entfernt!“ Gestern Vormittag machte die Stadt ihre Drohung tatsächlich wahr.
Durch Räumungen allein, bekommt man Menschen nicht von der Straße
Um kurz nach acht stapften mehrere Männer in Warnwesten durch den Schnee, um das Lager zu zerlegen. Stück für Stück wanderte das Camp in den Müll. Beziehungsweise in einen riesigen Container, der bereits am Vortag geliefert wurde. „So eine Räumung ist von langer Hand geplant“, erklärte eine Sprecherin des Sozialreferats gestern auf tz-Anfrage.

„Wird ein Obdachlosenlager gemeldet, rücken Streetworker aus, um die Lage zu prüfen.“ Erst dann werde entschieden, ob und wann geräumt wird. Savas Tetik streift seit Jahren durch die Stadt, um Obdachlosen zu helfen. Der 56-Jährige war dabei, als die Stadt das Lager unter der Reichenbachbrücke räumte. Der Streetworker sagt, dass er die Beweggründe der Stadt versteht. „Menschen bei Minusgraden auf der Straße zu lassen – das wäre verantwortungslos“, so Tetik. Dennoch dürfe man nicht erwarten, dass man die Leute allein durch Räumungen von der Straße bekommt. Das Gegenteil sei der Fall. Schließlich würden die meisten einfach weiterziehen und sich ein neues Lager suchen.
Sarah Brenner
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