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München setzt nach Tod von George Floyd ein Zeichen: Demo mit 25.000 Menschen beginnt mit Gänsehautmoment

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Von: Wolfgang Hauskrecht, Klaus Vick, Peter Schlingensief

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Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd wird auch in München gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert - an das Einhalten der Abstandsregeln ist da nicht mehr zu denken.

München – Tilo und Izabella Aurich sind aus Ebersberg gekommen. Tilo ist Heilerziehungspfleger, Isabella Krankenschwester. „Die Berichterstattung über George Floyd hat uns sehr erschüttert“, sagt Tilo Aurich. Der 48-Jährige hat selbst schon Rassismus erlebt. Zwar nicht am eigenen Leib, aber das macht für ihn keinen großen Unterschied. „Ich bin mal dazwischengegangen, als ich sah, dass zwei Nazis einen Schwarzen verprügeln“, erzählt er. Ober er keine Angst verspürt habe? „Ich hab nicht nachgedacht, so was macht man eben einfach“, sagt er. „Diese Art von Zivilcourage wünsche ich mir von uns allen. Wir müssen uns gegen Rassismus stellen. Alle zusammen – weltweit.“

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Demonstration in München gegen Rassismus: Nur 200 waren angemeldet

Inzwischen hat die Protestbewegung tatsächlich eine weltweite Dimension. Nicht nur in den USA, auch in Australien, Frankreich oder Großbritannien gibt es am Wochenende große Kundgebungen – und in vielen deutschen Städten wie Berlin, Frankfurt, Leipzig oder München.

Acht Minuten und 46 Sekunden schweigen die Menschen kniend auf dem Königsplatz. So lange dauerte George Floyds Todeskampf.
Acht Minuten und 46 Sekunden schweigen die Menschen kniend auf dem Königsplatz. So lange dauerte George Floyds Todeskampf. © Achim Schmidt

Dass der Protest in München derart groß werden würde, war nicht zu erwarten. Statt der angemeldeten 200 kommen rund 25.000 Menschen. Die Polizei hebt notgedrungen die Absperrungen auf, dennoch drängen sich die Demonstranten Schulter an Schulter bis zum Obelisk am nahen Karolinenplatz. Ein schwieriger Spagat zwischen erwünschtem Protest und Corona-Abstandsregel.

Demonstration in München gegen Rassismus: Alle knien nieder

Viele Münchner tragen am Samstag schwarze Kleidung, als Zeichen der Trauer um den 46-jährigen George Floyd. Die Demo beginnt mit einem Gänsehautmoment: Alle gehen in die Knie und schweigen. Exakt Acht Minuten und 46 Sekunden lang. Acht Minuten und 46 Sekunden – solange kniete der nun wegen Mordes angeklagte US-Polizist auf Floyds Hals und schnürte ihm die Luft ab. Dann wird der Protest lauter. „Black lives matter“ rufen die Menschen immer wieder; schwarze Leben zählen. Auf der Bühne spricht das schwarze Top-Model Papis Loveday. Ungleichbehandlung aufgrund der Hautfarbe gebe es überall, auch hier in Deutschland, sagt der 43-Jährige. „Ich werde immer wieder schief angeschaut. Oder schlechter behandelt.“

Tilo und Izabella Aurich aus Ebersberg haben eine Botschaft für den US-Präsidenten mitgebracht.
Tilo und Izabella Aurich aus Ebersberg haben eine Botschaft für den US-Präsidenten mitgebracht. © Achim Schmidt

Der Publizist Jürgen Todenhöfer ist ebenfalls unter den Demonstranten. „Immer wenn Schwarze, Juden, Muslime oder Sinti und Roma benachteiligt werden, müssen wir unsere Stimme erheben“, betont er. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus seien eine Gefahr für unsere freiheitliche Gesellschaft. „Das macht mir Sorgen.“

„Rassismus ist das wahre Virus“: Jenny Dolpp und Lena Klaus (re.), beide 18, sind aus Memmingen angereist.
„Rassismus ist das wahre Virus“: Jenny Dolpp und Lena Klaus (re.), beide 18, sind aus Memmingen angereist. © Achim Schmidt

Auch andernorts werden die Kundgebungen deutlich größer als geplant. In Hamburg demonstrieren 14.000 Menschen, am Berliner Alexanderplatz an die 15.000. Dort kommt es, anders als in München, vereinzelt zu Konflikten mit der Polizei.

„Wir alle bluten in der selben Farbe“: Viele Plakate sind auf Englisch – damit sie weltweit verstanden werden.
„Wir alle bluten in der selben Farbe“: Viele Plakate sind auf Englisch – damit sie weltweit verstanden werden. © Achim Schmidt

Der geheimnisumwitterte, weil anonym wirkende Streetart-Künstler „Banksy“ hat sich mit einem neuen Kunstwerk den Protesten angeschlossen. Das Bild zeigt eine Trauerkerze, das die US-Fahne in Brand steckt. Auf Instagram schreibt der Brite: „Zuerst dachte ich, ich sollte einfach die Klappe halten und den Schwarzen bei diesem Thema zuhören. Aber warum sollte ich das tun? Es ist nicht ihr Problem, es ist meins.“

PETER SCHLINGENSIEF, ACHIM SCHMIDT, KLAUS VICK, WOLFGANG HAUSKRECHT

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