Unser Leben in der Eiseskälte: Münchner Kältebus bringt Essen und Hoffnung

Der Münchner Kältebus bringt Obdachlosen in der Stadt nicht nur Essen, sondern auch Hoffnung. Bei den derzeit herrschenden Minusgraden ist beides bitter nötig.
München – Auf den Windschutzscheiben der parkenden Autos liegt Schnee, minus zwei Grad Außentemperatur. Es fühlt sich kälter an. An der Lukaskirche im Lehel steht ein weißer Transporter. Berthold Troitsch, 53 Jahre alt, gelbe Warnjacke, blickt auf die Uhr: „Komisch, dass noch niemand da ist“, sagt er und öffnet den Kofferraum. Darin: Wärmebehälter, Kaffeekannen, abgepackte Lebensmittel. Troitsch und seine Kollegen vom Kältebus München verteilen im Winter jeden Tag warmes Abendessen an Obdachlose.
Münchner Kältebus: Das Leben in der Eiseskälte – „Ich erfahre so viel Hilfsbereitschaft“
Kurz nach 19 Uhr. Die ersten Gäste tauchen auf. Heute haben die Ehrenamtlichen Lasagne und Fruchtquark vorbereitet. Etwa 40 Portionen. Ein bisschen abseits steht Reinhard S., 51 Jahre alt. Er trägt gelbe Gummistiefel, spricht mit Berliner Akzent und bezeichnet sich als „Landstreicher“. Seit 2017 sei er obdachlos. Trotz der Temperaturen schläft er lieber im Parkhaus als in einer Notunterkunft: „Da ist nur Rambazamba.“
So sieht das auch David (Name geändert). Er ist Mitte 50, trägt eine rote Mütze und einen Nikolausbart. „Es muss minus 30 Grad haben, dass ich in die Bayernkaserne gehe.“ Er kämpfe mit Alkoholismus und lebe seit elf Jahren auf der Straße. Den Winter verbringt er so gut es geht in Tagestreffs oder in Bibliotheken – da sei es schön leise. Er sagt: „Das Hauptproblem ist die Wohnungsnot. Als alleinstehender Mann bekomme ich in der aktuellen Situation nie etwas.“ Verhungern könne man in München als Obdachloser aber nicht. „Ich erfahre so viel Hilfsbereitschaft.“
Kältebus stand 2015 vor dem Aus: „Wir helfen den Menschen im Kleinen“
Wie etwa von Troitsch, der eigentlich eine Immobilienverwaltung leitet. Er wollte sich mehr engagieren, als nur zu spenden, sagt er. 2015 las er, dass das Angebot des Kältebusses eingestellt werden müsse, weil der Leiter aufhörte. Der Unternehmer sah die Gelegenheit, übernahm das Konzept und baute es aus. „Es gibt viel zurück. Wir helfen den Menschen im Kleinen.“ Neben warmem Essen und warmen Worten gibt es auch Gaskartuschen für Campingkocher oder Planen, um den Schlafplatz abzudecken. Denn der größte Feind sei nicht die Kälte, sondern die Nässe.
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Das weiß auch Ulrich. Der 54-Jährige lebte zweieinhalb Jahre lang auf der Straße. „An der Isar ist mir mal der Schlafsack eingefroren“, erzählt der Ingenieur. Wegen gesundheitlicher Probleme sei er obdachlos geworden, sagt er. „Ich habe mir auch ein anderes Leben vorgestellt.“ Im Juni hat Ulrich durch Zufälle eine Wohnung gefunden. Zum Kältebus kommt er trotzdem noch. So auch Rolf M., der zwar eine Wohnung, aber gleichzeitig ein Problem damit habe, Dinge zu sammeln. „Zu Hause habe ich kein so schönes Leben, da bin ich lieber hier.“
Kampf gegen die Kälte: Ehrenamtliche verteilen in München Essen und Hoffnung
Sabrina Shepherd verteilt einen Nachschlag. Die 34-Jährige arbeitet einmal pro Woche ehrenamtlich beim Kältebus. Schon nach dem Studium habe sie Obdachlosen geholfen, damals noch in Köln. Jetzt steht sie an der Thierschstraße und zittert ein wenig. Die Hände zieht sie in ihre Jackenärmel. Gleich soll es weitergehen. „Wir fahren die Menschen an ihren Schlafplätzen an“, erzählt sie. Gegen 22 Uhr ist Feierabend. Bis am nächsten Tag andere Ehrenamtliche in den Transporter steigen, um Essen und Hoffnung zu bringen. Es gibt Gulasch. (Sophia Oberhuber)
Spenden: Kältebus München e.V.,Sozialbank (IBAN: DE53 7002 0500 0009 8372 00).