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„Die Patienten stapeln sich auf den Fluren“ – Münchner Pfleger schlagen Alarm

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München Kliniken sind vor dem Kollaps. „Die Patienten stapeln sich auf den Fluren“, heißt es in einem Brandbrief der Pfleger (Archivfoto).
München Kliniken sind vor dem Kollaps. „Die Patienten stapeln sich auf den Fluren“, heißt es in einem Brandbrief der Pfleger (Archivfoto). © Wolfgang Maria Weber /imago

Das Klinikpersonal in München schlägt Alarm, weil die Versorgung vor dem Zusammenbruch steht. Grund dafür ist die Krankheitswelle nach der Wiesn. Sie verschärft den Pflegenotstand.

München – Krankenschwester Christina Erbel (42) ist gestern wieder für einen Kollegen eingesprungen. Wie letzte Woche auch. Die Krankheitswelle, die derzeit über München hinwegrollt – sie ist auch in den Kliniken spürbar. Noch sei die Notfallversorgung weitgehend gewährleistet, aber die Lage sei sehr angespannt, so ein Sprecher der München Klinik. Aber: Es droht der Kollaps. Die Not in den Notaufnahmen sei nie größer gewesen, sorgt sich ein Mediziner aus einem Münchner Krankenhaus, der nicht namentlich genannt werden will.

München: Corona- und Grippewelle - Lage in Kliniken noch nie so angespannt

Die Inzidenzen steigen in ganz Bayern – aber in der Landeshauptstadt sind sie nach der Wiesn besonders hoch. Für Montag meldete das Robert-Koch-Institut eine leicht gesunkene Inzidenz von 1024,7. Die Wiesn habe die Zahl der Corona-Fälle vervielfacht – und zudem die Grippe zu früh in die Stadt gebracht, sagt der Mediziner gegenüber unserer Redaktion.

Darunter leiden Patienten, Pfleger und Ärzte, sagt Krankenschwester Christina Erbel. Denn weil die Erkrankten-Zahlen steigen, liegen viele Pfleger und Ärzte selber krank daheim im Bett. Rund 500 Mitarbeiter des LMU Klinikums sind aktuell allein an Covid-19 erkrankt. Hinzu kommen viele Erkältungsfälle. Das heißt: Diejenigen, die fit genug zum Arbeiten sind, machen Extra-Schichten.

München: Kliniken wegen Corona- und Grippewelle angespannt

Schon vor der Pandemie herrschte Pflegenotstand und seit zweieinhalb Jahren verschärft Covid den Personalmangel und die schlechten Arbeitsbedingungen. Auch der Betriebsrat der München Klinik ist alarmiert. Die Mitglieder haben sich in einem Brandbrief unter anderem an OB Dieter Reiter und Münchens Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (beide SPD) gewandt. Die München Klinik sei „gefährlich überlastet“, steht in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt. „Die Patienten stapeln sich auf den Fluren.“

In den München Kliniken fällt rund die Hälfte der Ärzte und Pflegekräfte aus, so der Betriebsrat – „mit steigender Tendenz“. Laut Kliniksprecher sind derzeit 250 Mitarbeiter an Corona erkrankt. Bei Personalmangel melden sich Krankenhäuser teils oder ganz von der Notfallversorgung ab. Aber aktuell arbeiten viele Häuser am Anschlag. Die Helios Kliniken betreiben zwei Häuser in Pasing und Perlach. Weil Notfallpatienten dennoch versorgt werden müssen, werden sie weiterhin in die überfüllten Kliniken gebracht.

München Klinik: Betriebsrat schreibt Brandbrief

Die Situation sei außer Kontrolle, schimpft der Betriebsrat der München Klinik. Er fordert: Mehr verschiebbare Behandlungen und OPs müssen gestrichen werden – bis sich die Lage entspannt. Eine weitere Forderung: Entlastung sei möglich, wenn sich weitere Kliniken an der Notfallversorgung beteiligen und Betten zur Verfügung stellen. Es gebe einige Krankenhäuser in der Stadt, die noch Kapazitäten hätten.

So aber bleiben Betten leer, weil die Versorgung fehlt. Dies passiert derzeit im Klinikum Dritter Orden, im LMU Klinikum sowie im Krankenhaus Barmherzige Brüder. Die München Kliniken schließen zeitweise sogar ganze Stationen.

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Protest: Ärzte öffnen Praxen später

Weil sie die Patientenversorgung gefährdet sehen, haben viele Ärzte in Bayern am Montag aus Protest ihre Praxen erst später geöffnet (um 10 Uhr). „Die Forderungen der Krankenkassen nach Nullrunden beim Honorar sorgen bei der Inflation dafür, dass sich Praxen kaum mehr wirtschaftlich betreiben lassen“, teilte der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) in München mit. Zudem gab es Kritik an den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Neupatientenregelung wieder aus dem Gesetz zu streichen. „Junge Ärzte sind unter diesen Bedingungen nicht mehr für eine Tätigkeit in eigener Praxis zu begeistern“, hieß es. „Für die Patienten bedeutet der derzeitige Kurs, dass sie sich auf längere Wartezeiten einstellen müssen und dass ihre gewohnte Versorgung in Gefahr ist.“

Das Gesundheitssystem steht unter Druck: Der Grund sind Corona-Fälle und Personalprobleme. Besonders Oberbayern ist stark betroffen.

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