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Der Marienplatz im Wandel der Zeit: Historische Fotos zeigen, wie sich München verändert hat

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Von: Sven Goergens

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So hat sich der Marienplatz von 1902 bis heute verändert
So hat sich der Marienplatz von 1902 bis heute verändert © Stadtarchiv München, DE-1992-FS-NL-KV-0033/Bayerische Hausbau

Wie sah München eigentlich früher aus? Historische Fotos belegen, wie sehr sich eine Stadt verändert hat. Am Gebäude der Hausnummer 22 am Marienplatz zeigt sich der Wandel besonders deutlich.

Architektur ist gut, wenn sie attraktiv aussieht und sich nützlich macht. Das gilt besonders für innerstädtische Standorte. An der Hausnummer 22 am Münchner Marienplatz lässt sich ablesen, wie rasch Veränderungen unser Stadtbild prägen und warum der Spagat zwischen Erhalten und Neugestalten kein leichter ist.

Der Münchner „Marienplatz“ hieß früher „Marktplatz“

„Marienplatz“ heißt das von Millionen Touristen besuchte und fotografierte Herz von München samt Glockenspiel erst seit 1854, als die Schrannenhalle in der Blumenstraße in Betrieb genommen wurde. Zuvor nannten die Münchner das 50 mal 100 Meter große Areal schlicht „Marktplatz“. Denn hier wurden seit 1315 Wein, Eier, Getreide und Fisch feilgeboten, an letztere Ware erinnert der 1866 errichtete Fischbrunnen.

Elegante Geschäfte auf der Südseite des Marienplatzes um 1902, links der Alte Peter
Elegante Geschäfte auf der Südseite des Marienplatzes um 1902, links der Alte Peter. © Stadtarchiv München, DE-1992-FS-NL-KV-0033

Bereits um 1900 (unser historisches Foto stammt von 1902) buhlten elegante Ladengeschäfte mit erleuchteten Schaufensterfronten um die Aufmerksamkeit betuchterer Kunden. Urban und großbürgerlich gab sich damals der stationäre Handel auf der Südseite des Marienplatzes.

Im Zweiten Weltkrieg legten insgesamt 70 Luftangriffe mit 6000 Todesopfern 50 Prozent von München in Schutt und Asche. Die Südseite des Marienplatzes war so schwer getroffen, dass man die meisten Ruinen abriss und zur Vergrößerung des Platzes die neue Bebauung um einige Meter zurücksetzte.

Kulinarischer Exkurs

Am Faschingsdienstag des Jahres 1857 soll im Gasthaus „Zum ewigen Licht“ am Marienplatz 22 der Wirtsmetzger Sepp Moser seinen Lehrling nach Saitlingen für Kalbsbratwürste geschickt haben. Der aber kam mit Schweinedärmen zurück. In der Not füllte Moser sie trotzdem mit der fertigen Masse und brühte sie in heißem Wasser, weil er fürchtete, dass die Schweinedärme beim Braten platzen könnten. Die Gäste waren jedoch begeistert. Als wenig später noch der süße Hausmachersenf dazu kam, war der Genuss vollkommen und die Weißwurst weit über die Stadtgrenzen Münchens hinaus berühmt.

Neuer Mieter am Marienplatz: Der Münchner Buchhändler Hugendubel

1979, sieben Jahre nach der innerstädtischen Verkehrsberuhigung durch die Fußgängerzone, übernimmt die Münchner Großbrauerei Hacker-Pschorr das Eckhaus am Rindermarkt mit der Adresse Marienplatz 22 und vermietet mehrere Etagen an den Münchner Buchhändler Heinrich Hugendubel. Sein Konzept für Literatur, präsentiert im kommerziellen Kaufhaus-Stil, war zunächst umstritten, florierte aber rasch deutschlandweit.

1996 ersetzte das bisherige Gebäude in Bestlage ein gewagtes Architektur-Experiment, das sich wenig um Ensemble-Schutz und städtebauliche Historizität kümmerte. Eine aufsehenerregende Fassade mit viel Glas, blauem Stahl und sichtbaren Aufzugsschächten wollte Blickfang in der teilweise mittelalterlichen Umgebung werden. Was gelang: Die Münchner kamen zuhauf zum Schmökern im damals schon hochmodernen Hugendubel oder zum Sehen und Gesehen werden im Erdgeschoss-Café mit Freischankfläche. Und das, obwohl Kritiker die ambitionierte Eckhaus-Fassade als „aufgetackelte Landpomeranze“ schmähten.

Das Eckhaus Marienplatz 22 mit Hugendubel Ende der 1990er Jahre, links der Alte Peter
Das Eckhaus Marienplatz 22 mit Hugendubel Ende der 1990er Jahre, links der Alte Peter © Bayerische Hausbau

Marienplatz: Von modisch zu klassisch

Kaum zwei Jahrzehnte später aber hatte man sich offensichtlich sattgesehen am modischen Hingucker. Der jetzige Eigentümer, die Bayerische Hausbau, beginnt 2016 mit der Revitalisierung des Hauses am Marienplatz 22, auch weil die veraltete Gebäudetechnik Sorgen bereitet. 

Schlicht, edel und klassisch soll sich das Remake am Rindermarkt nun ins Altstadtensemble einfügen. Dazu entwirft der Stadtheimatpfleger und Münchner Architekt Gert Goergens eine ruhige Fassade aus hellbeigem Kalksandstein aufgelockert durch kleine Ornamente im Stile der italienischen Palazzi-Ästhetik. Der Traditionsbuchhändler Hugendubel zieht nach der Fertigstellung 2017 wieder dort ein, auch der Münchner Presseclub sowie Gastronomie und ein Flagshipstore der Telekom.

Das 2017 neu gestaltete Eckhaus mit Hugendubel und Presseclub, links der Alte Peter
Das 2017 neu gestaltete Eckhaus mit Hugendubel und Presseclub, links der Alte Peter © Bayerische Hausbau

Die Resonanz ist bislang durchweg positiv. Aber wer weiß schon, wie lange dieser neue Entwurf im metropolen Fortschrittswettbewerb ein großer Wurf bleibt. (Sven Goergens)

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