Miet-Irrsinn in München: Hammer-Volksbegehren könnte die Wende bringen - macht die CSU mit?

Knapp 52.000 Menschen haben das Volksbegehren „#6JahreMietenstopp“ unterschrieben. Ob sich der Freistaat des Begehrens annimmt, ist aber noch offen.
- Knapp 52.000 Menschen haben das Volksbegehren des Mietervereins unterschrieben.
- Ziel ist, die Mieten in 126 Städten in Bayern für sechs Jahre einzufrieren.
- Doch die CSU-geführte Staatsregierung könnte querschießen.
Ute Armanski ist empört. Seit 40 Jahren lebt sie in einem Mietshaus am Pariser Platz in Haidhausen. Sie liebt ihr Viertel, sie liebt ihre Wohnung. 1300 Euro warm bezahlt sie für 96 Quadratmeter. Wegen Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen soll ihre Miete stufenweise auf 2300 Euro erhöht werden. „Das kann ich mir unmöglich leisten. Ich würde auf der Straße stehen“, sagt die 75-Jährige.
Felix Leibrock (59) hat das schon einmal erlebt. Der evangelische Pfarrer hatte insgesamt zweieinhalb Jahre lang keine eigene Bleibe, hat ein halbes Jahr auf einer Notliege im Büro geschlafen und sogar eine Woche am Hauptbahnhof. „Die Stadt ist aus den Fugen geraten“, erklärt der Seelsorger. Er kenne kein Thema, das den Menschen so sehr auf den Nägeln brenne.
Video: Wie teuer sind Wohnungen in München?
München: Der Mieten-Irrsinn könnte bald ein Ende haben
Tobias Eisenhut (52) kann das bezeugen. Er ist seit 15 Jahren Kinderarzt in Laim. Die Familien klagen bei ihm nicht nur über gesundheitliche Probleme, sondern auch über die teuren Mieten. Er selbst sucht seit geraumer Zeit vergeblich zwei neue Arzthelferinnen. Der Grund: „Niemand findet hier bezahlbare Wohnungen.“
Es sind Geschichten wie diese, die den Mieterverein München dazu bewogen haben, ein Volksbegehren anzustrengen. Die Vorsitzende Beatrix Zurek sagte am Freitag: „Die Mieter brauchen eine Verschnaufpause.“ Das Volksbegehren wird von SPD, Grünen, Linken, dem DGB, dem Kreisjugendring und dem Bündnis „#ausspekuliert“ getragen.
Viele weitere Organisationen unterstützen es. Nach monatelangem Sammeln haben die Macher am Freitag die Unterschriftenzahl präsentiert: 51.983. Nur 25.000 wären notwendig gewesen. „Ein wahnsinnig großartiges Ergebnis“ nennt es Kampagnenleiter Matthias Weinzierl. Der Großteil der Unterschriften wurde laut Mieterverein in München gesammelt.
Miet-Wahnsinn in München: Volksbegeheren des Mietervereins mit knapp 52.000 Unterschriften
Sollte das Innenministerium grünes Licht geben, folgt Phase zwei. Dann müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten im Freistaat – also rund eine Million Menschen – binnen zwei Wochen Unterschriftenlisten in den Rathäusern unterzeichnen, um das Volksbegehren zum Erfolg zu führen. Dies könnte im Frühsommer der Fall sein. Danach hat der Landtag Gelegenheit, den Gesetzentwurf des Volksbegehrens anzunehmen. Tut er das nicht, kommt es zum Volksentscheid.

Das Begehren sieht vor, die Mieten in 162 Städten und Gemeinden Bayerns für sechs Jahre einzufrieren – bei laufenden Verträgen. Damit auch weiter in neue Wohnungen investiert wird, sollen Neubauten ausgenommen werden. Weitere Ausnahmen soll es für Vermieter geben, bei denen die Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Auch bei Modernisierungen und Wiedervermietung soll eine Erhöhung bis zu einem Betrag von 80 Prozent der Vergleichsmiete möglich sein. Verstöße sollen mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro bestraft werden.
In München sind die Mietpreise immer wieder Diskussionsthema. Und auch dieses Beispiel einer offiziellen Plattform gießt wieder Öl ins Feuer.
München: Schluss mit den Wucher-Mieten? 52.000 Münchner haben unterschrieben
Fraglich ist nun, ob die CSU-geführte Staatsregierung das Volksbegehren zulässt. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich hält ein Landesgesetz, das die Mieten auf dem freien Markt einfriert, für verfassungswidrig, „denn die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund.“ Er glaube auch nicht, dass solch ein Eingriff ins Eigentumsgrundrecht verhältnismäßig sei. Münchens CSU-Bürgermeister Manuel Pretzl kann die Intention des Volksbegehrens zwar verstehen, hält es aber auch für verfassungswidrig. Er sagt: „Wir müssen das Angebot an Wohnungen erhöhen.“ Die FDP lehnt das Begehren ebenfalls ab. Sollte das Innenministerium derselben Auffassung sein, muss der Bayerische Verfassungsgerichtshof entscheiden.
Die Juristen des Mietervereins halten das Volksbegehren hingegen für wasserdicht. Der Bielefelder Rechtsprofessor Franz Mayer sagt, Länder hätten Gesetzgebungskompetenz, wenn sich aus der Verfassung nichts anderes ergebe. Dies treffe hier zu. Bei dem Volksbegehren gehe es um das soziale Gefüge in der Stadt. Überdies habe der Bund auch bei der Mietpreisbremse den Ländern die konkrete Ausgestaltung überlassen. Föderalismus bedeute, regionale Besonderheiten zu regeln. „Umso unverständlicher, wenn ausgerechnet in Bayern der Gedanke des Föderalismus verneint wird“, so Mayer.