Wann genau der Abriss droht, darüber schweige sich die Dawonia aus, sagt Schairer. Viele der 76 Wohnungen stehen mittlerweile leer. Die Mieter sind ausgezogen. Die Erhöhung von Neben- und Versicherungskosten sowie die Angst vor der Zukunft haben sie einknicken lassen. Schairer bleibt erst mal – auch er ist als langjähriger Mieter zunächst geschützt. Eine vergleichbare Ersatzwohnung in der Gegend biete die Dawonia nicht an. „Die neuen Wohnungen spielen nicht in unserer Liga“, heiße es von der Wohnungsgesellschaft.
Stefan Sasse und Marianne Ott-Meimberg blicken traurig die Türkenstraße entlang. Dort, wo einst prächtige Altbauten mit wunderschönen Hinterhöfen – sogar einen Glockenturm habe es gegeben – waren, sind heute Baustellen. „In nur fünf Jahren sind auf 500 Metern 350 alteingesessene Mieter verschwunden“, sagt der 59-Jährige. Sasse wohnte bis Ende Mai dieses Jahre in der Türkenstraße 50. Doch er wurde raussaniert – das Gebäude wird abgerissen und neu gebaut. „Ich habe 25 Jahre hier gewohnt und war am Schluss der letzte Mieter im Haus“, erzählt der Münchner.
Marianne Ott-Meimerg ist noch am Kämpfen. Die Rentnerin wohnt seit 1975 in der Türkenstraße 54 – dem Haus, in dem auch der bekannte Künstler Ali Mitgutsch lebt. „Wir werden immer weniger. Alle freigewordenen Wohnungen sind luxussaniert worden“, sagt Ott-Meimberg. Warum keine neuen Leute einziehen? „Den potenziellen Mietern, die 26 Euro pro Quadratmeter zahlen müssen, kann kein Baulärm zugemutet werden“, meint sie. Wem ihr Mietshaus mittlerweile gehört, weiß sie nicht. „Ich glaube, wir wurden schon wieder veräußert.“
Susann H. kann nachts nicht mehr schlafen. Die 34-Jährige hat im November die Kündigung wegen Eigenbedarfs erhalten. Sie ist alleinerziehend und hat zwei Kinder. „Es kam völlig unerwartet“, sagt sie. 50 bis 60 Absagen für eine neue Wohnung hat die Berg am Laimerin* seitdem schon kassiert. „Viele melden sich gar nicht zurück“, sagt die junge Mutter, die seit zehn Jahren einen festen Job im Einzelhandel hat. „Ich weiß nicht, was man den Leuten noch anbieten soll“, sagt sie verzweifelt. Einen kleinen Lichtblick gibt es aber: Susann H. ist mit einem Vermieter im Gespräch. „Ich hoffe so sehr, dass es was wird.“
In München sind aktuell 8260 Menschen wohnungslos und leben in sogenannten Sofortunterbringungssystemen der Stadt – davon 857 Familien mit Kindern. (Daniela Pohl) *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.