1. tz
  2. München
  3. Stadt

Eigenbedarf! Mama (34) gekündigt - Anwohner-Aufstand in Giesing

Kommentare

Susann H. (r.) hat schlaflose Nächte - Münchner Mieter (l.) demonstrieren in Giesing gegen die Situation in der Landeshauptstadt.
Susann H. (r.) hat schlaflose Nächte - Münchner Mieter (l.) demonstrieren in Giesing gegen die Situation in der Landeshauptstadt. © A. Schmidt

Die Mietpreise in München steigen und steigen. Mieter verlieren immer häufiger ihr Zuhause. „Uns reicht‘s!“, sagt ein Bündnis bei einer Demo in Giesing.

München - Aufstand der Mieter: Diesen Samstag (19. Juni) gehen tausende Menschen in einer noch die dagewesenen Aktion auf die Straße – in mehr als 80 deutschen Städten demonstrieren Mieter für faire Mieten. München* nimmt an dem bundesweiten „Aktionstag Mietenstopp“ (www.mietenstopp.de) mit einer Radl-Demo teil. Los geht’s am Hans-Mielich-Platz in Giesing* – um 5 vor 12 Uhr.

Radl-Demo in München: „Mietsituation für sehr viele Menschen eine riesige Belastung“

Jede Minute zählt: „Die Mietsituation in München ist für sehr viele Menschen eine riesige Belastung. Bezahlbaren Wohnraum gibt es nur noch für die gehobene Mittelschicht“, sagt Volker Rastätter vom Mieterverein München. 21,20 Euro pro Quadratmeter werden laut dem aktuellen Wohnungsbarometer der Stadt für Neubauwohnungen durchschnittlich aufgerufen (Bestandswohnungen: 19,60 Euro). Eine Familie muss 2000 Euro kalt für eine neue 100-Quadratmeter-Wohnung hinlegen. Und die Preise steigen und steigen*!

Mieten in München: Irre Entwicklung - Bündnis kämpft für „dringend nötige Reformen“

Um diese irre Entwicklung zu stoppen, kämpft ein Bündnis seit Februar dafür, dass die Mieten bundesweit für sechs Jahre eingefroren werden. „Während der sechs Jahre Atempause müssen dringend nötige Reformen angegangen werden“, so die Forderung. Es brauche beispielsweise deutlich mehr Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen und ein soziales Bodenrecht, denn immer weiter steigende Bodenpreise führten zu steigenden Mieten. Hier ist München Deutschlands absoluter Spitzenreiter. Sogar die Neubaumieten in Berlin sind weit abgeschlagen.

Wie prekär die Situation für viele Münchner Mieter ist und wie verzweifelt Menschen um ihr Zuhause kämpfen müssen, zeigen viele Schicksale in München.

Maxvorstadt: Beängstigende Gesetzesänderung - Angst vor dem drohenden Abriss in Schönfeldstraße

Karl-Fritz Bohn ist 95. Er ist der älteste Mieter in einem Haus an der Schönfeldstraße 14 (Maxvorstadt*). Weil er über 60 Jahre alt war, als das Mehrparteienhaus 2013 verkauft wurde, hat er lebenslanges Wohnrecht. Bohn könnte das Wohnhaus retten – als vielleicht letzter Mieter in einem vom Abriss bedrohten Haus!

Das Gebäude ist eines der ehemaligen 30 000 GBW-Häuser, die der Freistaat 2013 an eine Konsortium verkauft hat. Dann ging das Haus an die Dawonia. „Die Dawonia wollte unser Haus erst modernisieren“, erzählt Rudolf Schairer. Doch 2020 kam ein Schreiben: Die Schönfeldstraße 14 soll abgerissen werden! Die Vermutung: Seit einer Gesetzesänderung können Modernisierungen nicht mehr unbegrenzt auf die Mieter umgelegt werden.

Wann genau der Abriss droht, darüber schweige sich die Dawonia aus, sagt Schairer. Viele der 76 Wohnungen stehen mittlerweile leer. Die Mieter sind ausgezogen. Die Erhöhung von Neben- und Versicherungskosten sowie die Angst vor der Zukunft haben sie einknicken lassen. Schairer bleibt erst mal – auch er ist als langjähriger Mieter zunächst geschützt. Eine vergleichbare Ersatzwohnung in der Gegend biete die Dawonia nicht an. „Die neuen Wohnungen spielen nicht in unserer Liga“, heiße es von der Wohnungsgesellschaft.

München: Mieter kämpfen verzweifelt in der Türkenstraße - „Glaube, wir wurden schon wieder veräußert“

Stefan Sasse und Marianne Ott-Meimberg blicken traurig die Türkenstraße entlang. Dort, wo einst prächtige Altbauten mit wunderschönen Hinterhöfen – sogar einen Glockenturm habe es gegeben – waren, sind heute Baustellen. „In nur fünf Jahren sind auf 500 Metern 350 alteingesessene Mieter verschwunden“, sagt der 59-Jährige. Sasse wohnte bis Ende Mai dieses Jahre in der Türkenstraße 50. Doch er wurde raussaniert – das Gebäude wird abgerissen und neu gebaut. „Ich habe 25 Jahre hier gewohnt und war am Schluss der letzte Mieter im Haus“, erzählt der Münchner.

Marianne Ott-Meimerg ist noch am Kämpfen. Die Rentnerin wohnt seit 1975 in der Türkenstraße 54 – dem Haus, in dem auch der bekannte Künstler Ali Mitgutsch lebt. „Wir werden immer weniger. Alle freigewordenen Wohnungen sind luxussaniert worden“, sagt Ott-Meimberg. Warum keine neuen Leute einziehen? „Den potenziellen Mietern, die 26 Euro pro Quadratmeter zahlen müssen, kann kein Baulärm zugemutet werden“, meint sie. Wem ihr Mietshaus mittlerweile gehört, weiß sie nicht. „Ich glaube, wir wurden schon wieder veräußert.“

Berg am Laim: Eigenbedarf! Mama (34) gekündigt - jetzt findet sie keine neue Wohnung

Susann H. kann nachts nicht mehr schlafen. Die 34-Jährige hat im November die Kündigung wegen Eigenbedarfs erhalten. Sie ist alleinerziehend und hat zwei Kinder. „Es kam völlig unerwartet“, sagt sie. 50 bis 60 Absagen für eine neue Wohnung hat die Berg am Laimerin* seitdem schon kassiert. „Viele melden sich gar nicht zurück“, sagt die junge Mutter, die seit zehn Jahren einen festen Job im Einzelhandel hat. „Ich weiß nicht, was man den Leuten noch anbieten soll“, sagt sie verzweifelt. Einen kleinen Lichtblick gibt es aber: Susann H. ist mit einem Vermieter im Gespräch. „Ich hoffe so sehr, dass es was wird.“

In München sind aktuell 8260 Menschen wohnungslos und leben in sogenannten Sofortunterbringungssystemen der Stadt – davon 857 Familien mit Kindern. (Daniela Pohl) *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

Auch interessant

Kommentare