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Nach Steuer-Hammer kurz vor Weihnachten: Münchner Mieter setzen sich zur Wehr

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Wohnt seit 13 Jahren in der Stadibau-Siedlung: Gisela W. kritisiert die Kürzung ihres Weihnachtsgeldes.
Wohnt seit 13 Jahren in der Stadibau-Siedlung: Gisela W. kritisiert die Kürzung ihres Weihnachtsgeldes. © Michael Westermann

Diese böse Überraschung hat Tausende Münchner kurz vor Weihnachten eiskalt erwischt. Sie sollen ihre Miete rückwirkend versteuern. Für einen Anwalt ist das ein „Skandal“. Nun setzen sich die Mieter zur Wehr.

Update vom 2. Dezember: „Gegen die Kürzung meines Weihnachtsgelds werde ich mich wehren“, sagt Gisela W. Dabei geht es der pensionierten Finanzbeamtin um Gerechtigkeit und nicht um die 168 Euro, um die ihr Weihnachtsgeld gekürzt worden ist. „Wir leben hier in günstigen staatlichen Wohnungen“, sagt sie. Doch viele ihrer Nachbarn sind Polizisten, Lehrer, Krankenpfleger. „Keine Großverdiener, und wenn das Weihnachtsgeld wegfällt, gehen die Kinder an Weihnachten leer aus“, befürchtet die 74-Jährige.

Dass nun plötzlich allen das Weihnachtsgeld wegen geldwerter Vorteile gekürzt wird, findet sie „höchst mysteriös“. Denn W. lebt seit 13 Jahren in ihrer Erdgeschoss-Wohnung in der 252-Wohnungs-Siedlung In den Kirschen in Nymphenburg. Nie wurde die Miete erhöht. Nie wurden geldwerte Vorteile wegen günstiger Mieten angenommen.

Mehrparteienhaus in Nymphenburg: Hier wohnen viele der betroffenen Münchner.
Mehrparteienhaus in Nymphenburg: Hier wohnen viele der betroffenen Münchner. © Michael Westermann

Steuer-Schock für viele Münchner: Kürzungen verursachen laut Amtsgericht München „große Wellen“

Zur Erinnerung: Nur vier Tage, nachdem der Bundesrat auf Initiative der CSU in München Werkswohnungen steuerlich begünstigt hatte, verschickte Bayerns staatlicher Vermieter, die Stadibau, die Briefe, in denen sie Kürzungen wegen geldwerter Vorteile ankündigte. Die Stadibau vermietet alleine in Oberbayern 7150 Wohnungen an Staatsbedienstete.

Der Personalrat des Amtsgerichts München verschickte in der vergangenen Woche unseren Zeitungsbericht an alle Mitarbeiter und schrieb dazu, die Kürzungen verursachten „große Wellen“. Auch der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg beschloss, den Stadtrat zu beauftragen, bei der Staatsregierung darauf hinzuwirken, dass Staatsbedienstete nicht nachträglich geldwerte Vorteile versteuern müssen.

Dutzende Mieter haben inzwischen Widerspruch eingelegt, weiß der Münchner Rechtsanwalt Michael Löffler. Die SPD-Landtagsabgeordnete Diana Stachowitz schrieb an den bayerischen Finanzminister Albert Füracker: „Es kann doch nicht im Sinne des Ministerpräsidenten und der Staatsregierung sein, dass man Staatsbedienstete wie Polizisten, Krankenschwestern und Lehrer mit günstigem Wohnraum versorgt, um sie dann später Steuern auf die verbilligte Miete zahlen zu lassen.“

Anfang der 80er-Jahre hat ein berühmter Rockstar in München gelebt und geliebt. Es war der Rückzugsort der Musik-Ikone. Nun wird sein Liebesnest verkauft, zu einem stolzen Preis.

Weniger Geld für Staatsbedienstete - und das kurz vor Weihnachten

München - Jetzt geht’s den Staatsbediensteten ans Geld – zumindest, wenn sie günstig in einer Wohnung leben, die dem Freistaat gehört. So wie etwa jene Münchner Mieter, die in den 252 Wohnungen in der Siedlung In den Kirschen in Nymphenburg wohnen. Vermieter ist hier die Gesellschaft für Staatsbediensteten-Wohnungsbau (Stadibau). 

„Man geht uns ans Weihnachtsgeld!“, ärgert sich eine Mieterin (41). Ihr Mann ist Polizist – und bekommt im Dezember rund 600 Euro weniger Gehalt! Buchhalterisch hat das mit dem eigentlichen Weihnachtsgeld zwar nichts zu tun – aber in der Vorweihnachtszeit tut das Minus besonders weh.

Münchner Rechtsanwalt Michael Löffler kämpft für die Mieter.
Rechtsanwalt Michael Löffler kämpft für die Mieter. © Sigi Jantz

Betriebswohnungen: neues Gesetz ab Januar 2020

Hintergrund: Der Bundesrat hat vor gut drei Wochen beschlossen, dass das Finanzamt bei günstigen Betriebswohnungen in Zukunft keine geldwerten Vorteile (siehe unten) mehr berechnen darf. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2020 in Kraft. Ab dann darf der Staat bei jenen Mietern, die in günstigen Wohnungen ihrer Arbeitgeber leben, keine zusätzliche Steuer mehr verlangen. Bemerkenswert: Genau vier Tage nach dem Beschluss bekamen Tausende Staatsbedienstete Briefe von ihrer Vermieterin, der Stadibau. Dort heißt es, dass der Freistaat den Dezemberlohn nicht vollständig auszahlen werde. 

Steuer-Schock für Mieter in München: Vermieter beruft sich auf Söder (CSU)

Zufall? Nein, meint ein Polizist (56), der ebenfalls in der Siedlung In den Kirschen wohnt. Ihm werden heuer 550 Euro (fürs Steuerjahr 2018) abgezogen, im kommenden Jahr sollen es (rückwirkend für 2019) sogar 1440 Euro minus sein! „Diese Aktion aus dem Nichts ärgert mich. Ich bin quasi alleinerziehender Vater und werde Einspruch einlegen“, sagt der Beamte. 

Im Schreiben der Stadibau beruft man sich auch auf eine Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder (52, CSU), der bekannt gegeben habe, dass es bei staatlichen Wohnungen bis 2023 keine Mieterhöhung geben solle. Dadurch sei ein geldwerter Vorteil entstanden – und den müssen die Mieter rückwirkend versteuern. Eine Forderung, die gemäß neuer Gesetzgebung ab dem 1. Januar nicht mehr zulässig sein wird.

Video: Wie teuer sind Wohnungen in München?

Verbilligte Mieten versteuern? Betroffene Münchnerin schaltet Anwalt ein

„Man geht uns ans Geld!“, klagt eine Münchner Mieterin (41) in Nymphenburg.
„Man geht uns ans Geld!“, klagt eine Mieterin (41) in Nymphenburg. © Susanne Sasse

Der Polizist sagt: „In den vergangenen zehn Jahren war davon nie die Rede.“ Weder habe es Mieterhöhungen gegeben, noch sei der geldwerte Vorteil für die Steuer berechnet worden. Klar wohne er günstig – 1100 Euro warm für 100 Quadratmeter. „Aber sonst könnte ich mir mit meinen zwei Kindern und dem Polizistengehalt München gar nicht leisten.“ 

Genauso geht es einer Nachbarin, die als Gymnasiallehrerin arbeitet. Auch sie ist alleinerziehend, hat einen neunjährigen Sohn und soll knapp 1027 Euro zahlen. Sie hat Rechtsanwalt Michael Löffler eingeschaltet. Der sagt: „Dem Ziel, Staatsbedienstete wie Polizisten, Krankenschwestern, Lehrer und so weiter mit verbilligtem Wohnraum zu versorgen, läuft es völlig entgegen, wenn man sie dann Steuern auf die verbilligte Miete zahlen lässt.“

Steuer-Schock in München: Vermieter bezieht Stellung

Die tz hat bei der Stadibau nachgefragt. Geschäftsführer Helmut Gropper bezieht sich auf die (noch) geltende Gesetzeslage. Schriftlich teilt er mit, dass der „freiwillige“ Verzicht auf Mieterhöhungen zu einem geldwerten Vorteil bei den Mietern führen könne. Dieser geldwerte Vorteil müsse steuerrechtlich „zwingend“ berücksichtigt werden. Daher „berechnet die Stadibau weiterhin laufend die rechtlich zulässigen Mieterhöhungen und meldet die so ermittelten Beträge an das Landesamt für Finanzen“. Abschließend heißt es, dass die ab Januar geänderte Gesetzeslage berücksichtigt werde.

Für 2018 und für heuer müssen die Staatsbediensteten also blechen! Aus Löfflers Sicht ein Skandal. Das Vorgehen sei nicht rechtens, da die Wohnungen mit staatlicher Förderung gebaut wurden, so der Anwalt. Er kündigt Widerspruch an.

tz-Stichwort: Geldwerter Vorteil

Arbeitnehmer, die in einer günstigen Wohnung ihres Arbeitgebers wohnen, müssen bislang die Differenz zwischen tatsächlich gezahlter und ortsüblicher Miete als geldwerten Vorteil versteuern. Auf Initiative der CSU wurde das Gesetz ab 1. Januar 2020 geändert: Demnach dürfen Werkswohnungen künftig ein Drittel unter Mietspiegelniveau vermietet werden, ohne dass der Mieter dann geldwerte Vorteile versteuern muss.

Susanne Sasse

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