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Nach Verurteilung wegen sexueller Nötigung: Siegfried Mauser im tz-Interview

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Siegfried Mauser wurde zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. © Sigi Jantz

Am Mittwoch verurteilte ein Gericht den ehemaligen Direktor der Musikhochschule München, Siegfried Mauser, wegen sexueller Nötigung zur Höchststrafe. Im tz-Interview stellt er seine Sicht auf die Vorfälle dar.

München - Am Mittwochabend hat das Münchner Landgericht den ehemaligen Präsidenten der Münchner Musikhochschule, Siegfried Mauser (53) wegen sexueller Nötigung zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Der Musikprofessor war bereits vom Amtsgericht im Jahr 2016 wegen sexueller Nötigung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden – ab November 2017 musste sich Siegfried Mauser dann erneut vor Gericht verantworten. Diesmal waren die Vorwürfe noch schlimmer: Eine Frau bezichtigte ihn der Vergewaltigung.

Der Fall Mauser im Detail

Das Urteil ist eindeutig: Was Siegfried Mauser getan hat, war sexuelle Nötigung. Die Beteiligten haben die Situationen, um die es ging, aber sehr unterschiedlich erlebt. Petra K. (54, Name geändert) berichtete, sie sei vor 13 Jahren von Mauser in dessen Büro in der Musikhochschule zum Sex gezwungen worden. „Wir saßen auf dem Sofa und sprachen über den Job. Plötzlich hat er mich umfangen und geküsst. Ich war perplex.“ Mit Gewalt habe Mauser sie dann auf den Bauch gedreht. „Von hinten machte er sich dann an mir zu schaffen. Danach sagte er: Jetzt ist das Sofa eingeweiht.‘“ Die heute 62-jährige Sängerin Celine F. sagte, Mauser habe sie begrapscht und bedrängt. Der Professor wiederum behauptete,es sei immer alles im Einvernehmen mit den Frauen geschehen. Er und seine Anwälte vermuten ein Komplott: Die Frauen seien mit ihren Anliegen gescheitert und wollten sich rächen. Anwalt Alexander Stevens: „Es ist unfassbar, wie es in einer Aussage-gegen-Aussage-Situation möglich sein soll, zu beurteilen, wer die Wahrheit sagt.“

Siegfried Mauser im Interview

Herr Mauser, Sie sind gerade zu zwei Jahren und neun Monaten Haft wegen sexueller Nötigung verurteilt worden...

Siegfried Mauser: Das Urteil ist schwer zu ertragen. Der monatelange Prozess war eine ungeheure Dauerbelastung, die auf Seele, Körper und Geist drückt. Seit mehr als zwei Jahren wache ich jeden Morgen damit auf und gehe abends damit ins Bett. Ich bin in ärztlicher Behandlung, sonst würde ich das gar nicht durchstehen.

Was meinen Sie damit?

Mauser: Ich habe alles verloren. Nicht nur institutionell, meine Ämter und Positionen. Ich kriege auch seit Juni 2017 kein Gehalt mehr.

„Ohne meine Frau würde ich wahrscheinlich gar nicht mehr leben“

Wegen der Sex-Vorwürfe wurde Ihr Vertrag am Mozarteum aufgelöst.

Mauser: Ja. In beiderseitigem Einvernehmen. Um dieses Amt bekleiden zu können, hatte ich an der Musikhochschule in München Sonderurlaub bekommen. Doch bis alle Urteile rechtskräftig sind, bin ich offiziell weiter beurlaubt. Als freiberuflicher Musiker bekomme ich zwei Drittel weniger Aufträge. Wenn ich nicht Kredite aufgenommen hätte oder Freunde mich unterstützt hätten, wäre ich verloren. Und ohne meine Frau würde ich wahrscheinlich gar nicht mehr leben.

Wie meinen Sie das?

Mauser: Meine Existenz ist bedroht, mein Ruf beschädigt. In der tiefsten Krise meines Lebens hat Sie mich selbstlos unterstützt.

Bereits am Amtsgericht wurden Sie wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Nun sollen sie wegen sexueller Nötigung fast drei Jahre ins Gefängnis. Vom Tatbestand der Vergewaltigung rückte das Gericht ab. Wie stehen Sie jetzt zu den Vorwürfen?

Mauser: Im Fall, der nun zu meiner Verurteilung führte, habe ich mir nichts vorzuwerfen. Ich kannte die Frau aus meiner Studienzeit. Sie versuchte mit allen Mitteln, eine Stelle an der Hochschule zu bekommen und hat mich deshalb wiederholt bedrängt – auch sexuell, was mir unangenehm war. Einmal musste ich sie aus dem Zimmer schieben, da ich Termine hatte und sie nicht gehen wollte. Meine damalige Sekretärin konnte das bestätigen. Mich deshalb zu verurteilen. halte ich für einen Skandal.

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Der ehemalige Präsident der Münchner Musikhochschule im Gespräch mit Redakteur Andreas Thieme. © Sigi Jantz

Und der Vergewaltigungsvorwurf?

Mauser: Der stammt aus dem Jahr 2004, damals war ich geschiedener Single und hatte eine Affäre, die im Büro der Musikhochschule begonnen hat. Wir hatten öfter Sex – einvernehmlich. Für mich war es an der Schwelle, dass daraus eine Beziehung werden könnte. Aber es hat nicht so richtig gepasst. Das war traurig, auch für mich. Nach einem klärenden Gespräch war die Sache beendet. Anderthalb Jahre später kam es noch einmal zum Sex. Das hätte ich nicht zulassen sollen. Zwölf Jahre später hat sie behauptet, dass ich sie beim ersten Beischlaf vergewaltigt hätte.

Vor Gericht wurde von Ihnen das Bild eines grapschenden und sexuell gierigen Musikprofessors gezeichnet. Ihre Verteidiger sagten, Sie hatten mehr als 100 Geliebte.

Mauser: Es waren viele, aber nicht so viele – an der Musikhochschule gar keine. Man kann das moralisch verurteilen, das akzeptiere ich. Aber strafrechtlich fühle ich mich unschuldig. In der Grauzone dazwischen liegt das Vernichtungspotenzial gegen mich.

Haben Sie Angst vor dem Gefängnis?

Mauser: Ja. Mein Leben wäre quasi beendet, wenn es so kommt. Ich beschäftige mich nicht damit und schiebe es innerlich weg. Ich setze meine ganze Hoffnung jetzt in die Revision.

Ihren Lebensstil hatten Sie als libertär beschrieben: freizügig und lustvoll. Auch die Musikhochschule scheint kein Ort von Traurigkeit zu sein. Von Sodom und Gomorrha war die Rede. Stimmt das?

Mauser: Ich bin ein Kind der 68er-Jahre. Viele meiner Freunde führen so ein Leben wie ich. Aus meiner Sicht war es an der Musikhochschule nicht unmäßiger als etwa in einer Klinik. Also nicht so frivol, wie es dargestellt wurde.

„Verhältnisse mit Kolleginnen habe ich vermieden“

Sie hatten Sex auf der Couch in Ihrem Büro. Ein Einzelfall?

Mauser: Ich weiß von einigen Liasons zwischen Studierenden und Lehrenden. Ich gehörte aber nicht dazu. Die Frau war kein Mitglied der Hochschule. Auch Verhältnisse mit Kolleginnen habe ich vermieden. Mit einer einzigen Studentin hatte ich ein Verhältnis – nach ihrem Diplom. Ich weiß von fünf Kollegen, bei denen daraus eine Ehe entstanden ist. Anziehungskraft entstand oft durch den sensiblen Gegenstand der Musik und die emotionale Nähe im Einzelunterricht.

Was sagt Ihre Frau dazu?

Mauser: Es ist ein großes Wunder, dass sie so zu mir steht.

Was würden Sie rückblickend gerne ändern?

Mauser: Ich habe zu übermütig und zu fahrlässig gelebt. Als sexuell orientierter Mensch habe ich vielen Möglichkeiten der Versuchung nachgegeben. Wer mich kennt, weiß, dass mir Gewalt fremd ist. Allenfalls ist mein Temperament manchmal ungestüm.

Andreas Thieme

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