Das Derblecken am Nockherberg geht weiter: „Gott sei Dank gibt’s den Dieter Reiter“

Am 3. März 2023 soll das Derblecken am Nockherberg nach einer dreijährigen Zwangspause wieder starten. Ein Interview mit den Singspielautoren.
München – Erst kam Corona, dann der russische Einmarsch in der Ukraine – drei Jahre lang musste das beliebte Derblecken am Nockherberg Zwangspause machen. Am 3. März soll es nun wieder stattfinden – mit alten Bekannten. Kabarettist Maxi Schafroth wird die Fastenpredigt halten und die beiden Singspiel-Autoren Stefan Betz und Richard Oehmann sind schon mitten in der Arbeit. Ein launiges Gespräch über nie gespielte Stücke, veraltete Witze und die Neubesetzung von Markus Söder.
Endlich wieder Nockherberg! Wie viele fertige Singspiele haben Sie geschrieben, die nie zur Aufführung kamen?
Stefan Betz: Zwei. 2020 war komplett fertig, und eigentlich auch fertig geprobt. Wir hatten schon einen kompletten Durchlauf, den der BR noch aufgezeichnet hat. Damals dachten wir: Wenn in sechs, acht Wochen alles vorbei ist, dann wissen wir für die Kamerapositionen noch, wo alle standen. So kann man sich täuschen...
Oehmann: Man kann sich diese Probe heute übrigens in Teilen unter „Nockherberg 2020“ in der BR-Mediathek anschauen – auch wenn die Masken und Frisuren nicht richtig stimmten. Wir hatten diesen Durchlauf gemacht, nachdem uns Andreas Steinfatt (der Paulaner-Chef, die Red.) mitgeteilt hatte, dass wir absagen müssen. Wir sind erst bedröppelt auf der Bühne rumgesessen, da war es ganz versöhnlich, das Stück einmal durchzuspielen.
Betz: Und am Schluss gab’s statt Starkbier Schnaps. Wir haben dann im Keller wirklich eines der besten Feste überhaupt gefeiert (lacht).
Feiern im Lockdown?
Oehmann: Das war ein gutes Stück vor dem Lockdown. Der Nockherberg war die erste große Veranstaltung überhaupt, die abgesagt wurde.
Okay, das war 2020. Und dann gab es noch ein halb fertiges Stück?
Betz: Ja, in diesem Jahr waren wir mit dem Schreiben durch, vielleicht noch kleinere Änderungen hier und da. Aber dann ist Putin in der Ukraine einmarschiert.

Nockherberg nach drei Jahren zurück: Das bleibt vom nie gespielten Programm noch übrig
Kann man auf einzelne Ideen oder Gags von damals 2023 zurückgreifen – oder fängt man jedes Mal bei null an?
Betz: Erst heute haben wir etwas eingebaut. Zwei Zeilen.
Oehmann: Und ein Lied ist übrig. Aber es war schon 2020 so, dass das Stück mehr oder weniger am Tag nach der theoretischen Aufführung quasi völlig aus der Zeit gefallen war. Da sind dann die Meldungen und Bilder aus Bergamo gekommen. Und das von 2022 hätte nach dem Einmarsch einfach überhaupt nicht mehr gepasst.
Wie muss man sich den Schreibprozess vorstellen? Treffen Sie sich quasi in Vollzeit und schreiben dann lustige Sachen?
Betz: Bei mir ginge Vollzeit schon, aber bei dem Herren neben mir nicht (lacht). Im Ernst: Wir fangen im Herbst mit ersten losen Treffen an, wo wir uns ans Thema heranplaudern. Welche Politiker sind interessant? Wie könnte eine Rahmenhandlung aussehen? Im Dezember geht’s dann ans Bühnenbild, da muss also schon die Entscheidung stehen, ob es am Flughafen oder in der Hölle spielt.
Oehmann: Die Geschichte muss schon deshalb stehen, weil wir die passenden Schauspieler anfragen oder sogar neu casten müssen.
Politik ist ein schnelllebiges Geschäft: 2019 beim letzten Singspiel standen noch Seehofer, Merkel, Scheuer und Nahles auf der Bühne.
Oehmann: Alle weg.
Nockherberg Singspielautoren Stefan Betz und Richard Oehmann über die Themenfindung
Wie muss man sich die Recherche vorstellen: Jeden Tag Zeitung lesen und von jedem Politiker eine Datei mit Schrullen, Macken und Besonderheiten auf dem Rechner anlegen?
Oehmann: Sehr systematisch sind wir nicht, würde ich sagen.
Betz: Also ich sammle schon irgendwann auf dem Rechner Artikel. . .
Oehmann: . . . Ich bin eher der Papier-Typ (lacht).
Betz: Und dann muss man aus all diesen Personen eine Bühnenfigur basteln. Leider haben aber immer mehr Politiker Angst davor, sich prägnant zu äußern. Da muss man aufpassen, dass es nicht total fad wird. Deswegen war Andrea Nahles eine so tolle Figur, weil sie so eine Dampfwalze war. . .
Oehmann: Man ist auch dankbar, wenn ein Video von Andi Scheuer auftaucht, auf dem er „Party, Party, Party“ brüllt.
Er fand das nicht so toll.
Oehmann: Ja, er hat sich beschwert, dass er nicht nur Party-Minister sei. Das war tatsächlich auch ein Problem für uns: Die Leute haben sich ja eher über seine Arbeit aufgeregt als über das Video. Wir wollten ihm jedenfalls keinesfalls unterstellen, dass er eine coole Sau ist (lacht).
Die bayerische Landespolitik kreist um Markus Söder: Wird der neue Nockherberg ein Ein-Mann-Stück wie der „Der Kontrabaß“ von Patrick Süskind?
Oehmann: (lacht) Nein, ein paar Statisten am Wegesrand gibt es schon. Wie beim „Theatermacher“ von Thomas Bernhard, wo ab und zu der Wirt reinschauen darf.

Nockherberg: Profitieren Politiker nicht auch von einem Singspielauftritt?
Aber ernsthaft: Wie geht man als Autor damit um?
Oehmann: Es wird kein Söder-Stück, auch wenn er als Figur schon sehr viel hergibt. Das ist viel dankbarer zu schreiben als bei den meisten anderen. Insgesamt richtet sich der Blick vermutlich eher auf Söders Auseinandersetzung mit der Ampel in Berlin. Der Landtagswahlkampf spielt ja noch keine so große Rolle.
Die bayerischen Oppositionspolitiker hoffen alle, mit einem Singspielauftritt die eigene Bekanntheit zu erhöhen? Da hat man als Autor plötzlich auch ganz schön Macht . . .
Oehmann: Na ja, ist das wirklich so? Aber in diesen Kategorien denken wir nicht. Du musst halt jemanden zeigen, den die Leute kennen. . .
Betz: . . . und der a bisserl was hergibt.
Oehmann: Söder ist schon als Europa- oder Umweltminister vorgekommen – im Gegensatz zu allen anderen Europa- oder Umweltministern. Er ist halt eine blumige Figur und hat eben Glück gehabt, dass ihn der Stephan Zinner so großartig gespielt hat.
Betz: Natürlich haben wir uns auch bei den Grünen für Katharina Schulze statt Ludwig Hartmann entschieden, weil sie die schillernde Figur war.
Oehmann: Und weil Frauen in der bayerischen Politik noch immer sehr selten sind. Insofern dürfte jetzt auch gerne mal eine der Frauen im Kabinett sozial auffällig werden.
Wie lange kann man noch ändern und einen neuen Gag reinschreiben?
Betz: Worte sind schnell geändert. Das Problem sind neue Figuren, weil man ja die Schauspieler braucht. Auch die Musik benötigt natürlich Vorlauf.
Oehmann: Wir sind bisher leider nicht so tollkühn wie das Team Rosenmüller, die wirklich sehr kurzfristig noch viel über den Haufen geschmissen haben.
Nockherberg: Söders Neubesetzung bleibt vorerst ein Geheimnis
Sie haben eben Stephan Zinner angesprochen, der jahrelang der Star der Veranstaltung war. . .
Oehmann: Er wollte, so weit ich weiß, den Söder nur spielen, bis der Ministerpräsident wird. Danach hat er aber dann bei uns noch zweimal verlängert.
Wie besetzt man diese Schlüsselrolle neu?
Oehmann: Die Casting-Agentur hat sehr interessante Vorschläge gemacht. Auch Leute, die gar nicht wie Söder ausschauen.
Betz: Es war sehr breit angelegt: vom dunkelhäutigen Söder bis zu sehr prominenten Vorschlägen. Bei manchen Kandidaten haben wir dann vorgefühlt und uns Casting-Aufnahmen schicken lassen.
Oehmann: Aber der, der es jetzt geworden ist, war unsere eigene Idee und im Casting einfach am lustigsten. Aber wer das ist, verraten wir noch nicht.
Muss das Stück in Kriegszeiten ernsthafter sein?
Betz: Ich glaube, wir können ernsthaft gar nicht. Und es ist auch nicht das Format, wo man jetzt wahnsinnig tiefsinnig werden sollte.
Oehmann: Es kann natürlich ernsthafte Schnörkel geben, aber im Prinzip geht’s ums Derblecken.
Für ein bayerisches Singspiel ist es natürlich blöd, dass in der Ampel-Regierung keine Bayern sitzen.
Oehmann: Unsere ersten zwei Singspiele waren recht bairisch. Aber inzwischen sind die Native Speaker dünn gesät. Katharina Schulze spricht hochdeutsch. Immerhin: Söder fränkelt. Und Gott sei Dank gibt es den Dieter Reiter – den kann man immer noch eine Spur bayerischer machen.
Interview: Mike Schier und Dominik Göttler