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„Kostet viel Geld, ist aber wichtig“: OB Reiter verrät München-Pläne für 2022 - und Überlegungen zur Wiesn

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Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hofft, dass 2022 nicht mehr so stark von Corona dominiert wird
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hofft, dass 2022 nicht mehr so stark von Corona dominiert wird. © MARCUS SCHLAF

Im großen Neujahrs-Interview mit unserer Zeitung gibt OB Dieter Reiter einen Ausblick auf 2022. Dabei geht es um die Wiesn, eine fast autofreie Innenstadt und mehr.

Auch zur Corona-Krise äußert sich der Sozialdemokrat und verrät, warum er mit den Bürgern lieber wieder über so banale Dinge wie Müllbehälter diskutieren würde.

Herr Reiter, wir sparen uns die Eingangsfrage, ob 2022 ein normales Jahr wird. Oder hätten Sie darauf eine Antwort?

Ich kann nur die Hoffnung formulieren, dass es ein halbwegs normales Jahr wird. Ich traue mir aber keine Prognose zu. Wir müssen uns nach den aktuellen Gegebenheiten richten. Und da liegt mein Fokus schon lange nicht mehr auf Inzidenzen, sondern darauf, wie es in unseren Kliniken aussieht. Solange die Lage auf den Intensivstationen höchst angespannt ist, kann man keine Entwarnung geben.

Wir müssen einen Weg finden, wie wir uns mit dem Thema Corona arrangieren können.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD)

Gibt es nicht einmal leise Signale für eine Entwarnung?

Im Hinblick auf die Omikron-Variante leider nicht. Der Intensivbereich ist derzeit schon stark ausgelastet. Ich stehe ständig in Kontakt mit den Münchner Klinikchefs. Die Versorgung von Notfällen muss weiterhin funktionieren. Die Bürger dürfen nicht das Gefühl haben: Mensch, wenn es mir schlecht geht, bekomme ich vielleicht keinen Platz mehr im Krankenhaus. Die einzig beeinflussbare Komponente bei der Belegung von Intensivstationen ist die Reduzierung der Corona-Patienten. Daher müssen wir alles dafür tun, damit sich diese Anzahl verringert. Das geht nur übers Impfen. Wir stehen auch deshalb vor größeren Herausforderungen, weil die Covid-Patienten auf den Intensivstationen inzwischen jünger sind und dort meist über einen längeren Zeitraum versorgt werden müssen.

Münchens OB Reiter zur Wiesn 2022: „Ungeimpfte hätten keinen Zutritt“

Es klingt fast pietätlos, aber eine Frage können wir Ihnen dennoch nicht ersparen: Halten Sie die Wiesn 2022 unter bestimmten Bedingungen für durchführbar?

Für mich kann es nach den derzeitigen infektiologischen Maßstäben nur eine 2G-Wiesn geben. Nichts anderes. Ungeimpfte hätten keinen Zutritt. Wir machen uns gerade Gedanken über mögliche Zugangskontrollen . . .

. . es müsste jeder Einzelne kontrolliert werden . . .

Vorstellbar sind Bändchen, die man vor dem Besuch des Oktoberfests gegen Vorlage des Impfnachweises und Personalausweises erhält. Die müssten dann bei Abholung auch gleich angelegt werden, damit sie nicht unberechtigt weitergegeben werden.

Mit anderen Worten: Die Stadtverwaltung arbeitet an einem derartigen Plan?

Ja. Ich habe keine Bedenken, dass wir mit einem pragmatischen Konzept eine gut besuchte und dennoch sichere Wiesn organisieren können. Andererseits muss man der Ehrlichkeit halber sagen, wenn sich die Corona-Lage bis zum Mai nicht bessert, wird es wohl auch keine Wiesn 2022 geben. Aber wir wollen auf jeden Fall vorbereitet sein, in der Hoffnung, dass das Oktoberfest stattfinden kann.

Reiter: „Freut mich sehr, dass unsere Münchner Wirtschaft ihre Stabilität bewiesen hat“

Gute Nachrichten gab es zuletzt aus der Kämmerei. Die Gewerbesteuer fließt 2021 viel besser als erwartet. In welche Projekte wollen Sie investieren?

Erst einmal freut es mich sehr, dass unsere Münchner Wirtschaft ihre Stabilität bewiesen hat. Niemand hätte prognostiziert, dass wir 2021 sogar einen Rekord an Gewerbesteuereinnahmen erzielen. Das ist schon überraschend, weil alle damit gerechnet haben, dass uns Corona noch viel länger bremsen wird. Wir müssen aber auch Schulden tilgen.

Hat Ihnen der Kämmerer schon eine Erklärung für das Rekordergebnis geliefert?

Ich denke, da reicht ein Blick auf die Börsendaten. BMW hat das beste Absatzjahr der Geschichte, Siemens vermeldet ebenfalls sehr gute Ergebnisse. Beide Unternehmen sind in München ansässig und haben trotz Corona eine sehr gute Geschäftsentwicklung. BMW hat beispielsweise zuletzt unglaublich viele Elektroautos verkauft.

„Münchnerinnen und Münchner müssen das Gefühl haben: Die Stadt ist für mich da“

Und was will die Stadt für die Münchner tun?

Zunächst können wir bei unserem eigenen Personal einige einschränkende Maßnahmen rückgängig machen. Wir werden Stellen wieder nachbesetzen. Das kostet viel Geld, ist mir aber wichtig, und es ist letztlich auch ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger. Denn ich möchte irgendwann erleben, dass die Menschen nicht mehr lange auf eine Dienstleistung der Behörde warten müssen. Und Infotelefone verlässlich erreichbar sind. Die Münchnerinnen und Münchner müssen das Gefühl haben: Die Stadt ist für mich da.

Welche Projekte sind Ihnen wichtig?

Mit der Sanierung des Gasteigs haben wir eine Mammutaufgabe vor uns. Und natürlich stehen diverse Nahverkehrsprojekte wie die U5 nach Pasing und verschiedene Trambahnstrecken auf der Agenda.

Der Weg zur Klimaneutralität und die damit verbundene Energiewende dürfte die Stadt in den kommenden Jahren in eine Großbaustelle verwandeln. Das wird nicht alle Münchner freuen.

Das ist das Wesen der Politik. Wenn ich einen Radweg baue, freut es die einen, die anderen regen sich auf. Man muss halt das tun, was man für richtig hält. Nach acht Jahren als OB habe ich mich mittlerweile von der Illusion entfernt, es allen recht machen zu können.

Reiter: „Sinnvoll, Innenstädte weitest möglich vom Autoverkehr zu befreien“

Die Umsetzung des Klimaplans 2035 besitzt für Sie aber schon Priorität?

Wir geben 180 Millionen Euro pro Jahr für Klimaschutzmaßnahmen aus, das ist viel Geld. Es geht aber nicht nur um 2035. Wir haben schon für 2025 einen Meilenstein eingebaut. Bis dahin soll 80 Prozent des Verkehrs in München klimaneutral sein. Dazu muss sich der motorisierte Individualverkehr natürlich reduzieren. Das sehe ich nicht ideologisch, denn ich lehne das Auto nicht grundsätzlich ab. Sondern es geht darum, dass ich es in Ballungsräumen für sinnvoll halte, Innenstädte weitest möglich vom Autoverkehr zu befreien. Damit die Menschen mehr Platz haben und sich wohler fühlen.

OB Dieter Reiter im Gespräch mit den Merkur-Redakteuren Klaus Vick (Mi.) und Sascha Karowski (re.).
OB Dieter Reiter im Gespräch mit den Merkur-Redakteuren Klaus Vick (Mi.) und Sascha Karowski (re.). © Marcus Schlaf

Um den Bau einer großen Event-Arena am Flughafen ist gerade ein Streit zwischen dem Freistaat und der Stadt entbrannt. Wie geht es hier weiter?

Wir prüfen, ob es einen Bedarf für eine neue Halle im Olympiapark gibt. Selbst bauen würden wir die aber nicht. Als Lösung sähe ich nur ein Investorenmodell – wie am Flughafen. Trivial wäre ein derartiges Projekt sowieso nicht, allein schon aus architektonischen Gründen in dem Ensemble zwischen Olympiapark und BMW.

Gäbe es denn überhaupt einen Bedarf für eine Halle in München mit 20.000 oder mehr Zuschauern?

Wir haben eine derartige Größenordnung in München bisher nicht, eventuell eben am Flughafen in Freising. Einen dringenden Handlungsbedarf sehe ich nicht. Wir werden kein Windhundrennen mit Freising machen, sondern vernünftig abwägen und danach entscheiden.

München: Was passiert mit dem Gasteig?

Was passiert mit dem Gasteig?

Wir suchen einen Investor für die Sanierung. Der allerdings einen Kostendeckel in Höhe von 450 Millionen Euro einhalten muss. Klar ist, wenn sich für dieses Angebot keiner findet, wird die Stadt sich überlegen müssen, die Anforderungen zurückzuschrauben.

Oder man erhöht den Kostendeckel?

Das will ich nicht einmal in den Raum stellen. 450 Millionen Euro sind schon sehr viel Geld. Der Gasteig macht rein optisch nicht den Eindruck eines maroden Gebäudes. Es ist den Bürgern ohnehin relativ schwer zu erklären, dass man hier eine halbe Milliarde Euro reinstecken muss.

Die grün-rote Rathaus-Koalition hat nach unserem Eindruck atmosphärisch noch immer nicht so recht zusammengefunden . . .

(lacht) . . . Ach was?

Erinnern Sie sich, welche Note Sie im Vorjahr für die Zusammenarbeit vergeben haben?

Ich glaube, zwei minus . . .

. . . richtig, das fanden wir ziemlich gut bewertet angesichts des ständigen Holperns hinter den Kulissen.

Also bei der Leistung würde ich bei der zwei bleiben, weil wir inhaltlich viel von dem umgesetzt haben, was wir uns vorgenommen haben. Beim Verhalten würde ich sagen: befriedigend – mit leichter Tendenz nach oben.

Münchens OB Reiter: Wir brauchen endlich wieder ein Stück weit Normalität“

Ihnen persönlich wird häufig vorgeworfen, Sie schwebten bei der Moderation der Konflikte ein wenig über den Dingen. Oder ist das Ihre Art der Befriedungspolitik?

(lacht) . . . Mit diesem Vorwurf kann ich gut leben. Aber im Ernst: Ich versuche Kompromisse zu finden, wenn es unterschiedliche Meinungen gibt. So gelingt es uns, in manch schwieriger Koalitionsrunde doch Ergebnisse zu erzielen. Das ist für die Bürger das Entscheidende. Den steinigen Weg dorthin muss man ja nicht immer nach außen tragen.

Abschließend: Ihr persönlicher Wunsch für 2022?

Ich hoffe, dass wir alle entspannteren Zeiten entgegensehen können – und Corona nicht weiterhin das gesamte private und öffentliche Leben dominiert. Das wäre wichtig für das Wohlbefinden der Bürger. Ganz ehrlich: Lieber diskutiere ich mit den Bürgern wieder darüber, warum die Müllbehälter nicht häufiger geleert werden, als dass ich mich ständig über die neuesten Corona-Regeln unterhalten muss. Wir brauchen endlich wieder ein Stück weit Normalität oder wir müssen einen Weg finden, wie wir uns mit dem Thema Corona arrangieren können. *tz.de und Merkur.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA

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