Lucie überrascht Münchner Obdachlose kurz vor Weihnachten: Begegnung hat sie „einfach nicht losgelassen“

Wenn Lucie Jerkovic durch München zieht, sind ihre Geschenktüten prall gefüllt. Sie will Obdachlosen kurz vor Weihnachten eine kleine Freude bereiten.
München - „Dieses Erlebnis hat mich einfach nicht losgelassen“, sagt Lucie Jerkovic. Die Münchnerin ist gerade dabei, ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen, als ihr vor der Karstadt-Filiale an der Münchner Freiheit eine Gruppe Obdachloser auffällt. Ein Mann sitzt separiert von den anderen, macht auf sie einen relativ ungepflegten Eindruck. Jerkovic bietet an, ihm etwas zu Essen oder Trinken zu bringen, er lehnt ab. „Ganz freundlich“, wie sich die 48-Jährige erinnert. Als sich kurz darauf noch einmal zu ihm umdreht, sieht sie, wie der Obdachlose in ein Stück Butter beißt. „Wenn ich ihm schon nicht helfen kann, dann hoffentlich ein paar anderen“, denkt sich Jerkovic auf dem Heimweg.
Lucie unterstützt Obdachlose in München: „Sinnvolles und Haltbares“ im Gepäck
Seit der für sie prägenden Begegnung sind inzwischen fünf Jahre vergangen. Im Dezember 2022 (drei Termine sind vorgesehen) wird Jerkovic, die hauptberuflich als Stylistin in einem Modegeschäft arbeitet, wieder losziehen. Und als „Weihnachtsengel“ Spenden an Obdachlose verteilen. Auf ihrer Route, die sie von der Münchner Freiheit, über die Leopoldstraße, den Hofgarten und die Innenstadt zum Münchner Hauptbahnhof führt, hat sie vor allem „Sinnvolles und Haltbares“ dabei.
Die 48-Jährige hat sich mit mehreren Organisationen ausgetauscht, um zu erfahren, welche Dinge das Leben auf der Straße wirklich erleichtern. Handschuhe, Mützen und Schals packt Jerkovic ebenso in ihre Geschenktaschen wie selbstgebackene Plätzchen, Konserven und Hygieneartikel. Eine Drogerie spendet Parfümfläschchen, Nachbarn beteiligen sich.
Überraschung für Obdachlose in München: „Der eine oder andere freut sich schon, mich wiederzusehen“
„Als Einzelperson würde ich an meine Grenzen stoßen“, sagt die 48-Jährige, die sich auf die Unterstützung ihres Netzwerks verlassen kann. „Im Vorfeld bedenke ich immer, wer mir bei meinen Rundgängen helfen kann. Für viele Menschen ist es erschreckend zu sehen, wie viele Obdachlose es in einer solch reichen Stadt wie München gibt“, erklärt Jerkovic. Natürlich seien da einige, die sich freiwillig für das Leben auf der Straße entschieden hätten. Aber genügend andere, die es in den städtischen Unterkünften einfach nicht mehr aushalten würden. Sie könne sich gut vorstellen, eines Tages beruflich im sozialen Bereich zu wirken, sagt die 48-Jährige. Derzeit absolviert sie parallel eine Ausbildung zur Mediatorin.
„Den einen oder anderen gibt‘s schon, der sich freut, mich wiederzusehen“, berichtet Jerkovic von über die Jahre gewachsenen Beziehungen. Wie prall ihre Geschenktüten in diesem Jahr gefüllt sein werden, weiß die 48-Jährige noch nicht. „Da kommt natürlich einiges zusammen“, sagt sie mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Lage. Dass etwa die Strompreise zum 1. Januar 2023 stark steigen, dürfte viele Münchner empfindlich treffen. „Das wichtigste ist aber, dass die Sachen direkt bei den Leuten ankommen, die sie wirklich benötigen“, gibt sich die 48-Jährige optimistisch.
Den Obdachlosen von der Karstadt-Filiale hat Jerkovic bei ihren Streifzügen übrigens immer wieder getroffen. „Aber erst im vergangenen Jahr konnte ich ihm das erste Mal richtig helfen“, sagt die Münchnerin.