Vier Jahre nach OEZ-Attentat: Vater von ermordeter Armela (†14) gibt Einblicke in sein Leben

Beim Attentat am OEZ in München wurden neun Menschen getötet, unter ihnen auch eine 14-Jährige. Ihr Vater gibt nun zum Jahrestag der Schreckenstat Einblicke in sein Leben.
- Am 22. Juli jährt sich das OEZ-Attentat zum vierten Mal.
- Smajl S. hat dabei seine damals 14-jährige Tochter verloren.
- Nun spricht er über seine Gefühle, sein Leben, seinen Alltag nach der Schreckenstat.
München - Oft wacht Smajl S. (62) mitten in der Nacht auf. Dann steht er auf und geht zum Denkmal am OEZ. Auch bei Wind und Wetter, knapp zwei Kilometer zu Fuß. Vor dem Foto seiner Tochter hält er dann inne. Es gäbe noch so viel zu sagen. „Doch sie spricht nicht mit mir“, sagt S. mit verzweifeltem Blick. Schweigen. Tränen. Auf S. linkem Unterarm ist der Vorname der Tochter tätowiert: Armela.
Nach Attentat am OEZ: Vater von Opfer besucht Gedenkstätte in München täglich
S. hat seine damals 14-jährige Tochter bei dem Attentat verloren – zum vierten Mal jährt sich der Horror heute. Seit diesem Schreckenstag geht S. jeden Tag zur Gedenkstätte. Der 62-Jährige berichtet, er werde dort oft angesprochen. „Ich fühle mit Ihnen“, sagt auch an diesem Dienstag vor dem Jahrestag ein Passant. Das tut gut, aber eines steht für ihn fest: „Ohne den familiären Zusammenhalt wäre ich nicht mehr hier.“ Seine Frau (57), ein Sohn (25) und eine weitere Tochter (22) halten ihn am Leben.
S. zeichnet mit jedem Satz ein Gemälde seiner ermordeten Tochter. Man kann sich das Mädchen bildlich vorstellen. Ihr Lachen, ihr unbefangenes Wesen, der Sonnenschein der fünfköpfigen Familie S. Sie träumte von einem eigenen Kosmetiksalon. „Papa, ich werde mal eine große Person“, hat sie immer gesagt. Und war sich so sicher, dass ihre Pläne wahr werden. Bei diesen Erzählungen huscht ein Lächeln über S. Gesicht. Aus jeder Silbe des Vaters klingt heraus, wie sehr er Armela vermisst. Auch heute, vier Jahre nach dem Grauen. Eine Wunde, die nie verheilt.

München: Nach Attentat am OEZ: „Kinderstimmen zu hören – es war für mich unmöglich“
S. stammt aus dem Kosovo. 1988 kam er nach München, arbeitete als Busfahrer. Ob er seinen Beruf geliebt habe? „Und wie!“ Seit dem Schreckenstag konnte er ihn nicht mehr ausüben. „Kinderstimmen zu hören – es war für mich unmöglich.“ Manchmal denkt S. darüber nach, warum nicht er selbst am 22. Juli an Stelle seiner Tochter ins Visier des Attentäters geraten ist. Warum er sie nicht zum Eis essen mit ihren Freundinnen begleitet und sich schützend vor sie gestellt hat. „Wissen Sie, ich wünsche das meinem schlimmsten Feind nicht“, sagt er.
Nach dem Attentat ist S. vom Ort des Grauens weggezogen, ins Hasenbergl. Zwei Jahre später kehrt er zurück nach Moosach. Er musste das tun, er musste seiner Tochter nahe sein: „Armela hätte das so gewollt.“ Auch wenn sie nicht mehr mit ihm spricht.
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