So viele Überstunden haben Münchner Polizisten - das ist der Grund

Münchens Polizisten schieben einen Berg von Überstunden vor sich her. Großveranstaltungen wie die Wiesn und Fußballspiele, Einsätze in Asylbewerberunterkünften und die wachsende Bevölkerung machen den Abbau schwierig bis unmöglich. Helfen, so sagt einer, der selbst betroffen ist, kann nur mehr Personal.
München - Knapp 100 Überstunden hat ein Polizist im Schnitt zurzeit in München. 550 000 haben Beamte insgesamt in der Landeshauptstadt, 2,4 Millionen sind es in Bayern. In München ist die Situation besonders dramatisch, da es hier immer weniger Polizisten gibt und fast jedes Wochenende irgendeine Versammlung oder Veranstaltung stattfindet, die die Beamten begleiten müssen. Die Ordnungshüter werden zunehmend zu Überstundenhütern wider Willen.
Polizeidienststellen sind fremdbestimmt
Über die Jahre hinweg sammelten sich so bei manchen Polizisten deutlich mehr Überstunden an als 100 oder 200. Wie zum Beispiel bei Georg S. (55) aus der Nähe von München. Er sitzt im Moment auf etwa 800 Überstunden. Der 55-Jährige ist im Führungsstab der Polizei und zuständig unter anderem für Personen- und Objektschutz. Zudem ist er Kreisvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) München.
„Ich liebe meinen Job“, sagt Polizeihauptkommissar Georg S. „Die Teamarbeit klappt hervorragend, wir nehmen alle aufeinander Rücksicht. Wenn nicht alle 100 Prozent bringen würden, würde das ganze System nicht mehr funktionieren.“ Seit 15 Jahren ist er einer der Beamten, die mit der Vorbereitung und Durchführung der Sicherheitskonferenz im Februar beschäftigt sind. „Bei der Abteilung Einsatz hat rund um dieses Großereignis fast jeder Zwölfstundentage“, berichtet S. Im vergangenen Jahr häufte der 55-Jährige alleine im Januar 100 Überstunden an. „Man kommt gar nicht hinterher, die Überstunden abzubauen“, sagt der Polizist.
Das Grundproblem bei vielen Dienststellen sei, dass man weitgehend fremdbestimmt ist. Staatsbesuche würden häufig kurzfristig angesetzt, ebenso wie Versammlungen. „Und die Polizei muss für Sicherheit und Ordnung sorgen.“
Einsatzbelastung in den vergangen Jahren enorm gestiegen
Eine der Hauptursachen für die hohe Zahl der Überstunden bayerischer Polizisten ist die seit 2014 anhaltende große Einsatzbelastung. Dies geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Markus Rinderspacher (SPD) aus dem vergangenen Jahr hervor. Überstunden abbauen ist für viele Beamte schwierig. „Helfen kann nur mehr Personal“, sagt der Vize-Landesvorsitzende und Münchner Bezirksvorsitzende der DPolG, Jürgen Ascherl. In den vergangenen Jahren ist – wie aus der Antwort des Ministeriums hervorgeht – die Belastung unter anderem durch den Flüchtlingsstrom, den G7-Gipfel in Elmau, die Unterstützung des G20-Gipfels in Hamburg, Einsätze in Asylbewerberunterkünften, Abschiebungen, Betreuung von Versammlungen und Veranstaltungen enorm angestiegen. Nicht zuletzt spielt auch der Bevölkerungszuwachs in Bayern eine Rolle.
Münchner Polizei: Nachwuchssorgen wegen zu hoher Lebenshaltungskosten
Vor allem in München wird nach Ansicht der DPolG nicht ausreichend Nachwuchs eingestellt. Und seit etwa viereinhalb Jahren werden die Beamten in der Landeshauptstadt weniger. „Viele wollen auch gar nicht nach München, weil es hier so teuer ist zu leben“, sagt Georg S.
„Dazu kommt, dass die Berechnung für München mangelhaft ist“, sagt Jürgen Ascherl. Denn die Sollstärke für das jeweilige Präsidium wird nach der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) berechnet. „Dabei wird nicht berücksichtigt, dass hier zum Beispiel das Oktoberfest, die Sicherheitskonferenz und zahlreiche Großveranstaltungen stattfinden.“
Gerade für junge Familien ist es laut Gewerkschaft oft schwierig, wenn Mütter oder Väter die Überstunden nicht nehmen können und die Zeit für das Privatleben fehlt. „Ich habe den Vorteil, dass meine Frau auch bei der Polizei ist und Verständnis für die Situation hat“, sagt Georg S. „Ich muss mein Hobby, das Jagen, hinten anstellen. Aber das hebe ich mir einfach für die Rente auf.“
Stefanie Wegele
Auch die ineffektive Abschiebepraxis im Freistatt macht Bayerns Polizisten schwer zu schaffen - der Aufwand sei enorm für die Beamten