München fragt sich: Wann wird Radeln endlich sicherer?

Nach dem tödlichen Radunfall in München, gab es am Donnerstag eine Protestfahrt. Über 150 Münchner wünschen sich in Zukunft eins: Radlfahren in der Stadt soll sicherer werden.
München - Auf der Corneliusbrücke stirbt ein Elfjähriger, weil ein Kieslaster beim Rechtsabbiegen den Buben auf seinem Radl übersieht. Am Donnerstag haben 150 Münchner deswegen protestiert – darunter viele Kinder, Mitschüler und Freunde des elfjährigen Buben. Sie alle fragen: Wann wird radeln endlich sicherer? Wie akut das Thema ist, zeigte sich in dieser Woche wieder an der Marsstraße: Abbiege-Unfall mit einem Lkw – die Radlerin hatte viel Glück, dass sie mit leichten Verletzungen davonkam.
Anders als an der Corneliusbrücke – wo das Bürgerbegehren Radentscheid München symbolisch einen roten Radfahrstreifen an der Todes-Kreuzung ausgerollt und mit Kuscheltieren flankiert hat. Das Bündnis fordert die Stadt auf, Kreuzungen sicherer zu machen – etwa durch rot markierte Radwege, eine vorgezogene Haltelinie für Kraftfahrzeuge und getrennte Ampelschaltungen für Radler.
„Die Stimmung war traurig, aber auch hoffnungsvoll, weil allmählich etwas getan wird“, sagt Andreas Schuster (42) von Green City. An der Unfallstelle an der Corneliusbrücke hat die Stadt inzwischen die Radwege deutlicher markiert und eine Haltelinie für eine bessere Sicht nach hinten versetzt.
Kampf gegen den toten Winkel
Eine weitere Möglichkeit, das Toter-Winkel-Problem bei Lkw zu beheben und damit möglicherweise schreckliche Unfälle zu verhindern, böten so genannte Trixi-Spiegel. Die könnte es in München schon seit sechs Jahren geben, schimpft Ex-Stadtrat Georg Kronawitter (CSU). „Es ist wirklich nicht zu fassen. Es stimmt schon: Vor allem die von den OBs Ude und Reiter geführte Stadtverwaltung hat hier kläglich versagt!“
Kronawitter hatte im Juli 2013 den Antrag gestellt, Trixi-Spiegel in München zu prüfen. Erst im November 2018 hatte das Kreisverwaltungsreferat ein Pilotprojekt mit 100 Spiegeln in Aussicht gestellt, die 2020 an Knotenpunkten montiert werden sollen, wo besonders viele Unfälle passieren. „Anstatt den Trixi-Spiegel schon ab 2014 in München einfach einzusetzen, hat die Stadtverwaltung das Thema geschoben und geschoben, weil man eine umfassende Lösung anstrebte“, sagt Kronawitter. „Diese sehr spezifische Art eine Prokrastinitis ist leider ein Urübel der Münchner Kommunalpolitik. Und die Verkehrssicherheit bleibt zwischenzeitlich einfach auf der Strecke!“
Münchner Firma rüstet ihre Laster mit Abbiege-Assistenten aus
Jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit fährt Christian Güntner (49) an einem weißen Fahrrad an der Kreuzung Schleißheimer/Moosacher Straße (Milbertshofen) vorbei. Am 7. Mai 2018 starb dort die kleine Loreeley im Alter von gerade mal neun Jahren. Ein Lastwagen hatte sie beim Rechtsabbiegen wegen des toten Winkels nicht gesehen.
„Das hält mir jeden Tag vor Augen, wie wichtig Vorsorge ist“, sagt Güntner. Mit seiner Entsorger-Firma Rohprog will er nun mit gutem Beispiel vorangehen.
27 Laster sind für Rohprog im Münchner Stadtgebiet unterwegs. Jeder einzelne ist mit Seitenfahrkameras sowie Rückfahrkameras ausgestattet. „Wir haben acht neue Lastwagen bestellt, alle mit Abbiege-Assistenten“, berichtet der 49-Jährige. Er plant, auch die anderen Lastwagen der Firma mit den Abbiege-Hilfen auszurüsten. Dank der Seitenfahrkameras können seine Mitarbeiter über einen Bildschirm den Bereich des toten Winkels sehen.
Erst ab 2024 gesetzlich vorgeschrieben
„Der Abbiegeassistent hat den zusätzlichen Vorteil, dass er die Fahrer mit Geräuschen warnt, wenn sich jemand im Bereich des toten Winkels aufhält“, erklärt Güntner. 1600 Euro koste so ein Gerät pro Fahrzeug. Eine Seitenfahrkamera koste etwa 1000 Euro. „Das Geld ist es mir wert“, betont Güntner.
Noch sind Abbiege-Assistenten kein Muss. Die EU sieht nach derzeitigem Stand erst ab 2024 einen verpflichtenden Einbau vor, aber nur für Neufahrzeuge. Diskutiert wird die Pflicht auf EU-Ebene bereits seit sieben Jahren. „Jeder Lastkraftwagen braucht eine Abbiege-Hilfe“, sagt Güntner. Denn: „Die Gefahr durch den toten Winkel ist einfach zu groß!“ Wie groß sie ist, sieht der 49-Jährige jeden Tag, wenn er am weißen Fahrrad für die kleine Loreeley vorbeifährt.
Laura Felbinger, Sascha Karowski