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An alle Radl-Münchner: Lasst uns Auto-Pendler in Frieden - oder gebt uns einfach eure Wohnung

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Überall parkende Autos auf Münchner Bürgersteigen. Wie schlimm. Mag sein, aber auch unvermeidbar. Ein Kommentar zum täglichen Park-Wahnsinn in München.

Es ist wenig verwunderlich, dass Pendler Bürgersteige als Parkplätze nutzen. Und man kann es ihnen auch nicht verübeln. Der Bürgersteig-Parkplatz ist alternativlos. Auch, wenn Münchner Kommunalpolitiker gerne etwas anderes behaupten und grade im Kommunalwahlkampf fröhlich eine Konfliktlinie ziehen, zwischen den bösen Auto-Pendlern und dem braven Radl-Münchner, während ihre Behörden und die Polizei - trotz gegenteiliger Beteuerungen - stillschweigend den Bürgersteig-Parkplatz tolerieren. 

Park-Wahnsinn in Münchens Wohn-Vierteln: Vom Fahrradsattel übt sich leicht Kritik

Dem Radl-Münchner freilich gefällt die einfache Argumentation. Vom Fahrradsattel aus übt es sich sowieso recht leicht Kritik am Auto: Die dürfen da nicht parken. Wieso kommen die überhaupt mit dem Auto? Wieso haben die überhaupt eins? Wohlfeile Kritik, die da vom stolzen Radl-Münchner kommt. Klar, der kann sich den Luxus leisten, auf ein Auto zu verzichten.

Park-Wahnsinn in München: Es kann sich nicht jeder den Luxus Fahrrad leisten

Und ja - es ist Luxus, nicht auf ein eigenes Auto angewiesen zu sein. Der Radl-Münchner schlummert nämlich noch selig, während der alte Pendler-Polo aus irgendeinem weit, weit entfernten Kaff in Richtung München-Autobahn knattert - wohl wissend, dass die schon hoffnungslos überlastet ist. Der Radl-Münchner trinkt dann grade seinen ersten Espresso-Macchiato, während sich der Pendler-Polo in immer dichter werdenden Verkehr auf München zurollt. 

Der Radl-Münchner wirft sich entspannt in seine Sport-Schuster-Outdoor-Klamotten, während der Pendler-Polo gar nicht mehr rollt, weil er im alltäglichen, unvermeidbaren Stadt-Stau steht.

Da trifft der Pendler-Polo dann auch den Radl-Münchner, der sich inzwischen auf sein E-Mountainbike (im Wert von mehreren Pendler-Polos) geschwungen hat und sich verständnislos den Kopf schüttelnd durch die Blechkolonnen schlängelt, auf dem Weg von seiner Schwabinger Stadtwohnung zu seinem Arbeitsplatz. Ein Weg, der so kurz ist, dass er eben bequem per Rad erreichbar ist. Und die Miete für diesen Luxus muss man sich leisten können.

Polemisch? Vielleicht. Überzogen? Ganz bestimmt. Aber es trifft den Kern der Sache. Zurück zu den Eingangsfragen:

Man darf nicht auf Bürgersteigen in München parken? Ja, wo denn sonst?

Ja, man darf nicht auf Bürgersteigen parken. Nur, ganz ehrlich, wo denn sonst? Park&Ride-Plätze sind alle hoffnungslos überfüllt. Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer aus ganz Oberbayern nach München locken, haben meist keine eigenen Parkplätze. Also, wo sonst? Die Pendler freuen sich sehr über konstruktive Tipps.

ÖPNV ist teurer, langsamer und unflexibler als das Auto - trotz Stau und Parkplatznot

Und nein, der Polo-Pendler rattert nicht jeden Morgen über dunkle Straßen, weil er das so geil findet, sondern weil er keine andere Möglichkeit hat. Glücklich die, die einen Regionalbahn-Anschluss haben. Wenn sie denn fährt. Was sie oft nicht tut. Siehe BOB.* Für die meisten Auto-Pendler ist die ÖPNV-Anbindung tatsächlich meist schlichtweg unattraktiver als das Auto. Der ÖPNV ist teurer, braucht länger und ist unflexibler.

Und bis sich das ändert, wird keiner umsteigen.

Wenn man nun auch den Bürgersteig-Parkplatz hart bestrafen würde, bliebe für viele wohl nur ein Umzug. Wäre sicher spannend, wie dem Radl-Münchner die Perspektive gefallen würde, dass sich eine halbe Million Pendler* in seinen Mietmarkt wirft. Ausgerechnet in München. 

Lesen Sie auch den Gegenkommentar zum Thema: Liebe rücksichtslose Autofahrer, der Gehweg ist kein rechtsfreier Raum

*Merkur.de und tz.de Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

Da hat sich aber jemand Mühe gegeben: mit einem kuriosen Zettel bringt ein Unbekannter einen Falschparker aus München in Bredouille.

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