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Klarer Trend in München: Dumme Floskel benutzt fast jeder

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Eine wirklich unangebrachte Floskel ist in München derzeit in aller Munde: „Alles gut.“ tz.de-Kolumnist Flaucherfranzl sehnt sich nach den guten alten Zeiten.

Kollidieren zwei Rennradler an der Isar. Einer landet im Gebüsch, der andere bleibt im Sattel. Gerade als der Verursacher von seinem Carbon-Bike steigt und zu einer Entschuldigung ansetzen will, hebt sein blutender Kontrahent die Hände und beschwichtigt: „Alles gut.“ Was soll gut daran sein, mit Schürfwunden in einem vollgebieselten Strauch zu liegen?

München ist voll mit Alles-Gut-Menschen. Menschen, die sich weigern, verbal anzuerkennen, dass in Wahrheit ziemlich vieles schlecht ist. „Alles gut“ (gesprochen: „Ass gut“), sagen sie, obwohl es tief in ihnen mächtig gärt. Bewohner, die im Alltag auf die dumme Floskel verzichten, soll es nur noch in Untergiesing und Teilen Sendlings geben.

Obwohl sie in Wahrheit ganz anders denken: Bewohner Münchens finden „Alles gut“

Die längst pensionierte Nachbarin drängelt sich in der Schlange beim Bäcker schon wieder vor, obwohl sie heute keine Termine mehr hat? „Alles gut.“ Ein dreister Teenager hört in der U-Bahn laut Musik und rempelt dann auch die kleine Emilia im Kinderwagen an? „Alles gut.“ Wirklich? „Alles gut“ ist die moderne Form der Kommunikationsverweigerung.

Auch der gestürzte Rennradler teilt in der eingangs geschilderten Situation nicht mit, was in ihm vorgeht. Warum springt er nicht auf und stellt klar, wie rücksichtslos das Verhalten des anderen gewesen ist: „Bist du noch ganz sauber, du Rindvieh? Sei froh, dass ich vorbestraft bin.“ Und wo er schon einmal dabei ist: „Wie lächerlich sind eigentlich deine rasierten Wadl?“ Leider bleibt diese Wahrheit unausgesprochen.

Gute alte Zeiten in München: Damals war das „Basst scho“

Haben die Münchner früher eher ausgesprochen, was sie wirklich bewegt? Früher war nicht alles gut, aber deutlich besser. Mit einer ganz anderen Floskel hätte der Rennradler zumindest angedeutet, dass er gerade nicht zufrieden ist.

Mit einem merklich missmutig hervorgepressten „Basst scho“.

Flaucherfranzl auf tz.de

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