„Die Verlangweiligung der Stadt ist ein Thema“

Er ist Münchens oberster Müllmann und Herr der Märkte. Am 17. Juli geht Kommunalreferent Axel Markwardt (68) in den Ruhestand. Mit der tz war er auf einer letzten Runde.
München - SPD-Kommunalreferent Axel Markwardt (68) ist seit 39 Jahren bei der Stadt, zunächst im Baureferat, dann beim heutigen Abfallwirtschaftsbetrieb. 2001 wurde er zum Vertreter der Kommunalreferentin Gabriele Friderich (Grüne) und 2012 ihr Nachfolger. Bei einem Spaziergang entlang seiner Herzensprojekte sprach unsere Zeitung mit dem scheidenden Referenten über Glück, Glühbirnen und Gescheitertes.
Wir treffen Axel Markwardt vor dem Fischbrunnen und gehen über die Dienerstraße.
Herr Markwardt, Sie sind der einzige Mensch, den ich kenne, der eine Taschenuhr hat. Mein Opa besaß mal eine, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen . . .
Axel Markwardt: (lacht) Nein, nein. Sie haben völlig Recht. Auch ich habe meine von meinem Opa, also nur die Kette. Meine Großeltern waren Flüchtlinge aus Litauen und in den 40er-Jahren in Deutschland in Gefangenschaft gekommen. Die Uhr war das einzig Wertvolle, das mein Opa mitgenommen hatte. Die Uhr haben sie ihm natürlich abgezwickt. Aber meine listige Großmutter hat es geschafft, die Leute so abzulenken, dass sie die Kette in ihrer Unterwäsche verstecken konnte. Als ich Examen gemacht habe in den 70er-Jahren, hat mein Opa sie mir geschenkt. Ich trage sie seitdem als Glücksbringer.
Vor der Ladenzeile an der Dienerstraße bleibt Markwardt stehen und blickt auf die Geschäfte.
Die Verlangweiligung der Innenstädte ist ja immer ein Thema. Ob Sie in Peking oder New York unterwegs sind, Sie haben immer die gleichen Filialisten. Das führt dazu, dass man als Stadt gegensteuern muss. Wir haben in unseren wenigen Gewerbeimmobilien die Möglichkeit. Da verlangen wir moderate Mieten, damit die Leute ihre Familien ernähren können und die Existenz dieser Läden gesichert ist.

Wie viel Glück hat Ihnen denn Ihre Uhrenkette gebracht?
Axel Markwardt: In 39 Jahren Stadtverwaltung hat sie mir eigentlich nur Glück gebracht. Bis auf einen Ausrutscher war ich immer gesund, die Arbeit hat mir viel Spaß gemacht. Und so nah an den Menschen und ihren Problemen arbeiten zu dürfen, ist ein Geschenk.
Sie hatten aber auch Glück, dass Sie Kommunalreferent geworden sind.
Axel Markwardt: Das stimmt, das war nicht meine Lebensplanung. Aber lassen Sie mich noch was zeigen.
Marktwardt bleibt vor der Bücherei Lentner stehen.
Das ist auch ein gutes Beispiel für ein Geschäft, das wir hier halten können. Wenn der so viel Miete zahlen müsste wie Wormland, wäre das nicht möglich. Der Buchladen ist etwas ganz Besonderes.
Zurück zum Glück...
Als Stadtdirektor hat mir das Dasein immer viel Spaß gemacht, weil man auch im Hintergrund arbeiten konnte. Als ich dann gefragt wurde, ob ich Referent werden will, hatte ich keine Zeit zum Nachdenken. Hier noch ein Hinweis...
„Einmal Müllmann, immer Müllmann“
Vor dem Hofjuwelier Thomas hält Markwardt inne.
Wenn man diesen Laden ausschreiben würde in einem reinen Preiswettbewerb, können Sie sich vorstellen, mit der Adresse Marienplatz 1... Da würden sich die Firmen dumm und dämlich zahlen, selbst wenn es sich wirtschaftlich nicht rechnen würde. Aber die Adresse kennt die ganze Welt. Nun zurück zu meinem Werdegang. Damals haben mich die Grünen vorgeschlagen...
Nicht Ihre Genossen?
Axel Markwardt: Nein, die Grünen hatten mich vorgeschlagen. Und natürlich hat OB Ude dann gesagt, alles klar, um 15 Uhr machen wir eine Pressekonferenz. Im Grunde hat er mich gar nicht gefragt (lacht). Aber ich empfand das als großes Vertrauen. Ich habe gesagt, ich muss kurz mal meine Frau anrufen, weil ich kann ja rechnen. Ich war damals 62, und das bedeutet, dass ich erst mit 68 in Ruhestand gehen kann. Das muss man dann schon mal kurz mit seiner Frau besprechen. Aber die hab’ ich gar nicht erreicht, weil sie in der Schule war.

Was hätte Sie denn gesagt?
Axel Markwardt: Sie hätte vermutlich mal kurz geschluckt. Aber sie weiß ja auch, dass es mir Spaß macht, etwas zu bewirken. Es hat auch nie einen Konflikt gegeben. Nur manchmal musste ich gut erklären, warum ich so spät nach Hause kam (lacht).
Wir erreichen das Ruffinihaus.
Ja, ein schwieriges Projekt, denkmalgeschützt. Weil wir das verwirklichen wollten, was ich gerade schon am Rathaus gesagt habe, also familien- oder inhabergeführte traditionsreiche Läden zu erhalten. Aber in zwei Jahren werden die Läden mit günstigen Mieten wieder einziehen.
Das war die große Sorge der Händler.
Axel Markwardt: Wir haben ihnen immer gesagt, sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Aber auch mir ist klar, wenn die das nicht schriftlich haben, dann werden die nervös. Wir können es uns als Stadt aber leisten, lange Gespräche zu führen und eine vertrauensvolle Kundenbeziehung zu schaffen. Und bei den Ausweichquartieren haben die Glück gehabt.
Dafür haben Sie ja Ihre Kette.
Axel Markwardt: Sie sagen es (lacht). Da war ein enormer Aufwand nötig, um Ausweichquartiere für die Bauzeit zu finden. Die haben jetzt am Stadtmuseum nicht die tolle Lage, aber in zwei Jahren ist der Spuk ja vorbei.
Dort am Stadtmuseum kennen die Händler ihren Referenten. Einige grüßen.
Die Märkte, die Läden, die sind schon Ihre Herzensangelegenheit, oder?
Da haben Sie schon recht. Aber ich gebe zu, dass ich auch gerne beim Abfallwirtschaftsbetrieb war. Die Müllfrauen und -männer sind mir sehr ans Herz gewachsen. Es stimmt schon, was man sagt: einmal Müllmann, immer Müllmann. Wenn ich in der Früh in die Arbeit fahre und das erste Müllauto sehe, dann freue ich mich und schaue immer rein, ob ich den Fahrer noch kenne.
Vor dem Rasierfachgeschäft bleibt Markwardt stehen.
Ein toller Laden. Da gibt es alles, von dem man glaubte, das existiert schon lange nicht mehr. Ich gehe immer dahin, bevor ich auf Trekkingtour gehe, und bessere meine Taschenlampe auf. Wenn es so etwas nicht mehr gibt, dann ist doch die Individualität im Eimer. Das darf einer Stadt wie München nicht passieren.
Der Spaziergang führt zum Viktualienmarkt.
Die Sanierung des Marktes war eine schwere Geburt, aber es scheint eine gute Lösung zu sein.
Axel Markwardt: Das ist eine sehr gute Lösung. Was mich am meisten freut, ist, da ein Konzept zu entwickeln, das von allen getragen wird. Denn diesen Viktualienmarkt im Zentrum der Stadt, den kennt jeder, alle können mitreden, jeder hat eine Idee.
In Abteilung 6 stehen die meisten Veränderungen an, mit dem Bau des neuen Gebäudes, in das dann auch das Müllauto einfahren kann.
Axel Markwardt: Der Platz hat keine Aufenthaltsqualität. Der Müll stinkt, das Müllauto stört die Menschen, die hier essen wollen. Was wir jetzt beschlossen haben, ist ein Quantensprung an Qualität. Und ganz wichtig war auch, sicherzustellen, dass alle Händler, die heute hier sind, auch künftig noch da sein werden.
Beim Viktualienmarkt ist der Stadtrat Ihnen gefolgt, bei der Großmarkthalle nicht. Ärgert Sie das?
Axel Markwardt: Das ärgert mich für die Mitarbeiter. Im Fall der Großmarkthalle haben die jahrelang für eine städtische Sanierung gearbeitet. Und wir hatten damals einen einstimmigen Stadtratsbeschluss dazu, den Großmarkt selbst zu bauen. Wenn man klare Vorstellungen hat, aber sich nicht durchsetzen kann, dann ist das frustrierend. Aber ich habe mich immer als Dienstleister empfunden. Das ist jedenfalls kein Job zur Verwirklichung der persönlichen Eitelkeit.
Es geht weiter über die Prälat-Zistl-Straße.
Sie waren nicht unumstritten. Die FDP hat zuletzt Ihren Rücktritt gefordert. Ärgert einen so etwas?
Axel Markwardt: Es kommt immer drauf an, wer so etwas sagt. Wenn das von der FDP kommt, kann ich das richtig einordnen. Wenn ich zu viel von der FDP gelobt worden wäre, dann hätte ich was verkehrt gemacht (lacht).
Wir gehen über den St.-Jakobs-Platz
Es gab die Forderung, das Kommunalreferat abzuschaffen und die Aufgaben zu verteilen.
Axel Markwardt: Das Kommunalreferat ist sehr viel wichtiger, als viele meinen. Es müsste eigentlich auch Immobilien- und Betriebsreferat heißen. Dann könnte man sich mehr drunter vorstellen. Die Stadt hat Grundstücke und schafft Grundstücke an, um die kommunalen Aufgaben erfüllen zu können, die Daseinsvorsorge, das reicht von Kindergärten bis hin zur Kultur. Und um Stadtentwicklung zu ermöglichen. Wir machen keine Geschäfte mit den Grundstücken. Die Kämmerei muss aufs Geld achten, das Kommunalreferat darauf, dass genügend Immobilien und Grundstücke für die Entwicklung der Stadt vorhanden sind.
Und da sind wir jetzt: am Kommunalreferat. Am 17. Juli gehen Sie in Ruhestand – mit einem weinenden Auge?
Axel Markwardt: Es fällt mir schwer, ja. Ich bin seit 1996 im Referat, seit 2001 in der Referatsleitung. Alle Führungskräfte bis auf einen sind in meiner Zeit zu Führungskräften geworden. Es ist noch gar nicht so lange her, da konnte ich jeden Mitarbeiter mit Namen anreden. Die Belegschaft ist mir ans Herz gewachsen. Das fällt mir schwer, mich da ein bisschen abzunabeln. Weniger arbeiten zu müssen, ist für mich aber gar kein Problem, sondern eine wunderbare Perspektive.
Haben Sie alles geschafft, was Sie sich vorgenommen haben?
Axel Markwardt: Ich hätte gern noch das Referat in Immobilien- und Betriebsreferat umbenannt. Aber ich habe schnell gemerkt, dass sich seit 2014 viel geändert hat. Die beiden Parteien waren zunächst damit beschäftigt, ihre Versprechen aus dem Wahlkampf umzusetzen. Da fallen solche Themen hinten runter. Aber meine Nachfolgerin ist auf einem guten Weg. Die kriegt das hin.
Und was werden Sie jetzt mit der vielen freien Zeit anstellen?
Axel Markwardt: Ich werde sicher keine Anwaltszulassung beantragen und dann gegen städtische Projekte vorgehen . . . Es gibt die ein oder andere Stiftung der Stadt, die mich eingeladen hat. Gemeinsam mit meiner Frau werde ich viel in die Berge gehen. Und wir werden uns um unsere Freunde kümmern, da gibt es Nachholbedarf. Und ansonsten werde ich mich im SPD-Ortsverein Taufkirchen engagieren – aber wirklich nur intern.

Interview: Sascha Karowski