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Tagesablauf knallhart durchgetaktet: Münchner will in 60 Tagen über den Atlantik rudern

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Von: Adriano D'Adamo

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In 60 Tagen über den Atlantik rudern. Das ist das Ziel von Marcel Ploch und seinem Team. Das physische und mentale Training hat bereits begonnen, da auf dem Wasser nicht nur Wale zur Gefahr werden können, sondern auch der knallharte Tagesablauf und Halluzinationen.

München - Viele setzen sich große Ziele im Leben, die sie erreichen wollen, bevor es zu spät ist und sie keine Zeit oder Kraft dafür mehr finden. Ein bestimmtes Land sehen, einen Ort bereisen oder eine Aktion erfolgreich durchziehen. Für den Münchner Doktorand Marcel Ploch ist es die „Talisker Whisky Atlantic Challenge“, die er absolvieren will, bevor es ins Arbeitsleben geht. Diese Challenge fordert von den Teilnehmern, dass sie in einem Ruderboot den Atlantik überqueren. Für Ploch ist es jedoch mehr als nur eine Herausforderung. Mit seinem Team Row4Tomorrow will er „ein Statement setzen in Bezug auf die überfischten Ozeane und die enorme Plastikbelastung durch Fischerei“.

Student aus München will Atlantik überqueren: 4.800 Kilometer in 60 Tagen rudern

Das Ziel ist klar: 4.800 Kilometer in 60 Tagen. Die Strecke beginnt auf La Gomera, einer kleinen Insel vor Spanien. Die Ziellinie befindet sich auf Antigua in der Karibik. 30 Teams nehmen jedes Jahr teil und nächstes Jahr auch Marcel Ploch und sein Team. Sie gehen Ende 2024 an den Start. Die zusätzliche Zeit nutzt das Team, um sich auf die Interkontinentalstrecke vorzubereiten, was ihnen auch die Atlantic Campaigns, die Organisatoren der Challenge, geraten haben.

Das Münchner-Ruderteam Row4Tomorrow besteht aus Malte Nobereit, Gabriel Hildner, Marcel Ploch und Witold Kolodziejczak.
Das Münchner-Ruderteam Row4Tomorrow. © Row4Tomorrow

Um die Zeit auf See gut zu überstehen, nehmen die Teammitglieder lediglich Kopfhörer mit, um Musik oder Hörbücher zu hören, wenn sie eine Pause haben. Die restliche Elektronik an Bord umfasst eine Wasseraufbereitungsanlage und Solarpanele., mehr nicht. Bei der Atlantik-Überquerung zählt jedes Kilogramm, welches das Boot schwerer und damit langsamer machen würde.

60 Tage auf See: Militärischer Tagesablauf im Zwei-Stunden-Takt

Sobald es losgeht, ist der Ablauf strikt geregelt. Zwei Teammitglieder rudern und zwei schlafen. Alle zwei Stunden wechseln sie sich ab und das für 60 Tage. Seekrank werden, aufgescheuerte Haut durch das Salzwasser und Knochenbrüche sind alles mögliche und wahrscheinliche Risiken für die Ruderer während der Ozeanüberquerung.

Die Teilnehmer müssen darauf achten, nicht zu viel Wasser zu verlieren. Zur Not muss an Bord eine Infusion gelegt werden. Wenn es nötig wird, kann auf dem Boot auch operiert werden. Dafür bringt Ploch das nötige Equipment und Wissen mit. Für Notfälle können die Veranstalter kontaktiert werden.

Gefahr: Wale und Halluzinationen auf dem offenen Meer

Sobald Marcel Ploch und seine Kollegen auf dem Ozean rudern, kann vieles passieren. Die Münchner müssen alle einen medizinischen Kurs im Vorfeld belegen, um vorbereitet zu sein. An Bord werden sich neben dem Erste-Hilfe-Kit und viel Magnesium auch Infusionslösungen gegen Übelkeit und Dehydrierung, und Antibiotika befinden, aber auch OP-Instrumente und chirurgische Fäden. Falls etwas passiert, was nicht vor Ort behandelt werden kann, wird eine Rettungsyacht kontaktiert, die den Verletzten abholt und ins Krankenhaus an Land bringt. „Wir müssen uns auf Salzwunden, Seekrankheit, Infektionen, Dehydrierung, Unterkühlung, Hitzeschläge, sowie muskuloskelettale Erscheinungen einstellen“, zählt Ploch die möglichen Risiken auf.

Zu den Gefahren auf dem Atlantik gehören unter anderem Wale und Container, die das Boot beschädigen können. Besonders bei Stürmen oder unerwarteten Wetterlagen kann jedes Tier oder Objekt im Wasser, das mit dem Boot in Berührung kommt, eine Gefahr darstellen. Nicht zu unterschätzen sind aber auch Halluzinationen, von denen regelmäßig bei dem Ruderrennen berichtet wird. Deswegen ist das Team auf mögliche Fälle gut vorbereitet. „Wir sind auf uns selbst angewiesen und haben nur limitierte Möglichkeiten und limitierte Versorgungsmaterialien. Während des Rennens bin ich für die Gesundheit meines Teams zuständig“, beschreibt der selbsternannte „On Board Doctor“ die Lage.

Keine Meeresfrüchte auf dem Meer: Nur dehydriertes Essen und eine besondere Toilette

Die Verpflegung für die 60 Tage wird vor Beginn des Rennens auf das Boot geladen. Sobald sie auf dem Wasser sind, gibt es keine Zwischenstopps oder Möglichkeiten an weitere Rationen zu kommen. Ihr Essen besteht zum Großteil aus dehydrierter, veganer Nahrung. „Wir möchten zeigen, dass man mit einer rein pflanzlichen Ernährungsweise sogar den Atlantik überrudern kann“, ergänzt der Doktorand. Seine Ernährung begründet er mit einer Studie der Oxford-Universität, welche aufzeigt, dass eine rein vegane Ernährung ausgestoßene Treibhausgase drastisch reduzieren würde.

So sieht die Schlafkabine vom Boot von Row4Tommorow aus.
Das Boot von Row4Tommorow von Innen. © Row4Tommorow

Eine Mindestmenge an Trinkwasser muss sich auch an Bord befinden. Wann die Münchner etwas essen dürfen, ist ebenfalls strikt durchgeplant. Wenn sich nicht an die Vorschriften gehalten wird, muss das Team eine Zeitstrafe in Kauf nehmen. Auf dem Boot hat das Team leider keine herkömmliche Toilette zur Verfügung stehen. Da sie sich aber dennoch entledigen müssen, gibt es eine simple Lösung: „im Meer oder Eimer“, zählt Ploch die Möglichkeiten auf.

Physisch, mental und medizinisch: Vorbereitung ist alles

Die Zulassungsvoraussetzungen für das interkontinentale Ruderrennen sind sehr anspruchsvoll. Vor allem anderen ist eine Registrierungsgebühr von 20.000 Euro vorgeschrieben. Alle Teams müssen mehrere Kurse in Simulationszentren in Großbritannien erfolgreich absolvieren. Die Kurse umfassen ein dreitägiges Testrennen auf offenen Gewässern und medizinische Schulungen, um im Ernstfall Erste Hilfe leisten zu können. Um sich auf die schweren Bedingungen vorzubereiten, trainiert das Team zu sehr ungünstigen Zeiten, wie zum Beispiel um drei Uhr morgens. Sie gehen nachts laufen, um sich auf den Zwei-Stunden-Takt auf dem Boot vorzubereiten.

Das physische Training konzentriert sich vor allem darauf, die hintere Muskelkette zu aktivieren, Mobility Training und natürlich Rudern. Pro Tag verbrauchen die Teilnehmer auf dem Ozean mehr als 5.000 Kilokalorien und verlieren durch ihre Teilnahme mehr als acht Kilo. Das mentale Training wird von professionellen Helfern ermöglicht, die unter anderem auch bei der Lufthansa arbeiten. Die Teammitglieder müssen sich blind aufeinander verlassen können, weswegen Teambuilding auch auf dem Trainingsplan steht. Für die Vorbereitungen und das Training haben sie fast 20 Monate Zeit, bevor es im Dezember 2024 losgeht.

So sieht das Ruderboot von Row4Tommorow aus.
Das Ruderboot von Row4Tommorow. © Row4Tommorow

Row4Tommorow: Das ist das Team aus München

Das Ruderteam Row4Tommorow besteht auf vier Männern. Marcel Ploch, Malte Nobereit, Gabriel Hildner und Witold Kolodziejczak. Ploch ist 2016 für sein Medizinstudium nach München aus dem Sauerland gezogen und bereitet sich auf sein Staatsexamen vor. Gleichzeitig schreibt er seine Doktorarbeit in Neuroradiologie für sein Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Doktorarbeit befasst sich mit thrombembolischen Ereignissen, die mit dem Coronavirus in Verbindung stehen. „Ich untersuchte multizentrisch, wie sich das SARS-CoV-2-Virus bei COVID-19-Patienten auf die arterielle Blutgerinnung auswirkte und so zu schweren Schlaganfällen und Myokardinfarkten führen konnte“, so Ploch über seine Doktorarbeit.

Das erste Teammitglied ist Malte Nobrereit, ein ehemaliger Schulfreund von Ploch, der in Frankfurt wohnt. Er war es auch, der 2021 Ploch von der Challenge erzählt hat. „Ich war sofort Feuer und Flamme für das Projekt und wir haben uns auf die Suche nach neuen Teammitgliedern gemacht“, erinnert sich der Münchner zurück. Sie schauten vor allem, wer körperlich und mental für die Herausforderung passen würde und ihre Wahl fiel auf die zwei Münchner Gabriel Hildner, ein Elektrotechniker der Deutschen Bahn, und Witold Kolodziejczak, ein ehemaliger Personaltrainer und das erfahrenste Teammitglied.

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Sponsoren gesucht: Über 150.000 Euro werden benötigt

Für die Strecke von fast 5.000 Kilometern reicht kein gewöhnliches Ruderboot. Dafür braucht es ein britisches Ozeanboot, welches extra für solche angefertigt wird. Das Münchner Team übernimmt das Ozeanboot, mit welchem ein dänisches Team aktuell an der Ozean-Challenge teilnimmt, für etwas mehr als 88.000 Euro. Insgesamt müssen für das Boot, den Anhänger und Materialien über 150.000 Euro gedeckt werden.

Dafür suchen Marcel Ploch und Row4Tommorow nach Sponsoren. Was an Geldbeträgen übrig bleibt, wird an Organisationen gespendet, die sich für den Erhalt der Weltmeere einsetzen. Als Gegenleistung wird das Logo der Sponsoren auf dem Boot platziert und gezeigt werden.

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