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„Mehrfach aufgefordert, Messer wegzulegen“: Frau von Polizei angeschossen – jetzt fordert sie 300.000 Euro

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Von: Andreas Thieme

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Ein Polizist hält seine Dienstwaffe bereit. In Münster hat die Polizei ein Auto mit „gezielten Schüssen“ in den Reifen gestoppt.
Ein Polizist hält seine Dienstwaffe bereit © Matthias Balk/dpa

Das Projektil steckte in ihrer Hüfte: Tanja V. (52) wurde bei einem Polizeieinsatz im September 2020 angeschossen. Am Landgericht klagte die Münchnerin und fordert 300.000 Euro Schadensersatz.

München - Es waren brenzlige Sekunden. Mit gezücktem Messer stand Tanja V. im September 2020 vor Polizisten. Schüsse fielen - und trafen die heute 52-Jährige in Bauch und Hüfte. War das als Notwehr gerechtfertigt? Aus Sicht von Tanja V. nicht. Sie überlebte nur knapp und klagte auf Schadensersatz am Landgericht München I, wo sie 300.000 Euro vom Freistaat forderte.

Die Klage wegen des Gebrauchs einer Schusswaffe bei einem Einsatz der Polizei wurden nun aber abgewiesen. Laut Gericht handelte der Polizeibeamte „nicht amtspflichtwidrig. Insbesondere wurde auch das für Polizeieinsätze geltende Übermaßverbot nicht verletzt“. Die Kammer führte dazu aus: „Mildere Maßnahmen sind nur dann anzuwenden, wenn sie eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr mit Sicherheit erwarten lassen, ohne dass Zweifel über die Wirkung des Verteidigungsmittels verbleiben. Polizeibeamte müssen sich nicht auf das Risiko einer ungenügenden Abwehrhandlung einlassen.“

München: Polizei schießt auf psychisch erkrankte Frau - das Projektil bohrte sich in ihre Hüfte

Rückblick: Am späten Abend des 22. September 2020 rief der Ehemann der Klägerin den ärztlichen Bereitschaftsdienst wegen akuter psychischer Probleme von Tanja V. Sie bedrohte den diensthabenden Bereitschaftsarzt vor Ort mit einem Messer. „Ich litt unter Angstzuständen, es wurde immer schlimmer“, sagte Tanja V. der Bild. Der Arzt flüchtete in den Sanka. Per Notruf wurde dann die Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums München über den Vorfall informiert und polizeiliche Hilfe angefordert.

Sechs Polizisten trafen anschließend ein. Sie stellten das Messer zunächst sicher. Später holte Tanja V. aber ein neues und bedrohte die Polizisten erneut, wobei sie „das Messer im leicht angewinkelten Arm in der rechten Hand hielt und Griff sowie Klinge des Messers oben aus ihrer Faust heraus zeigten“, sagt Sprecherin Anne Fricke. Zwei Polizisten zückten ihre Dienstwaffen und forderten die Frau lautstark auf, das Messer wegzulegen. „Die Klägerin ging dennoch mit vorgehaltenem Messer wortlos weiter auf die Polizeibeamten zu. Die Polizeibeamten wichen - soweit möglich - in Richtung Haustür zurück“, sagt Fricke.

Nach Polizeischuss: 52-Jährige überlebte knapp - und fordert 300000 Euro Schmerzensgeld

„Als die Klägerin sich näherte und noch immer das Messer drohend in die Richtung der Polizeibeamten hielt, gab einer der Polizeibeamten einen Schuss aus seiner Dienstwaffe ab. Die Klägerin wurde im Bauch getroffen, fiel zu Boden und ließ das Messer fallen. Sie wurde im Krankenhaus mehrmals operiert und einige Wochen stationär behandelt. Die hausärztliche Behandlung der Klägerin dauert an“, erklärt die Gerichtssprecherin.

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Vor Gericht vertrat Tanja V. die Auffassung, dass die Polizei sie auch mit milderen Maßnahmen als einem Schuss hätte stoppen können - etwa Pfefferspray oder einem Schlagstock. Zumal mehrere Beamte vor Ort gewesen waren. Letztlich hätte der Polizeibeamte zumindest auf die Arme oder Beine zielen müssen, was weniger gravierende Verletzungsfolgen verursacht hätte, kritisierte Tanja V.

Prozess in München: Landgericht sieht „keine andere Abwehrmöglichkeit“ für die Polizei

Doch das Gericht sah es anders: „Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es in der konkreten Situation keine andere effektive Abwehrmöglichkeit mehr gab“, erklärt Sprecherin Anne Fricke. „Für das Gericht war bei seiner Entscheidung ausschlaggebend, dass die Klägerin zuvor mehrfach deutlich aufgefordert worden war, das Messer wegzulegen und die Schussabgabe ihr vorher angedroht wurde. Der den Schuss abgebende Polizeibeamte hatte zudem zunächst vergeblich versucht, im engen Hausflur zurückzuweichen.“

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