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„Für junge Leute ist der Beruf sehr unattraktiv“: Busfahrer in München hat am Monatsende kaum Geld übrig

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Von: Elisa Buhrke

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Dirk arbeitet seit 21 Jahren als Busfahrer in München. Trotz Schichtdienst mit Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit verdient er gerade einmal so viel, dass er mit seiner Familie gut über die Runden kommt. Dennoch mag er seinen Job.

München - „Als Erstes starten wir das Fahrzeug. Schlimmstenfalls kann es sein, dass die Tür mal nicht funktioniert.“ Es ist fünf Uhr morgens. Dirk beginnt gerade seinen Frühdienst am Bus-Betriebshof Ost in München, bei dem er zunächst einmal das ihm zugeteilte Fahrzeug kontrolliert. Bereits seit 21 Jahren arbeitet er als Linienbusfahrer bei der MVG. In der Dokureihe „Lohnt sich das?“ vom Bayerischen Rundfunk (BR) erzählt der 47-Jährige, warum er seinen Beruf weiterhin gerne ausübt – obwohl er bereits mehrere Unfälle erlebt hat und sogar einmal von einem Fahrgast verprügelt wurde.

„Ich würde mir wünschen, dass mein Beruf mehr Wertschätzung bekommt. Natürlich auch mit Geld entsprechend“, sagt er im BR-Video vom 16. Februar 2023. Am Ende des Monats bleiben dem Familienvater gerade einmal 38 Euro übrig. Im Gespräch mit tz.de erklärt er, warum er sich mehr Einsatz von der Politik wünscht, um den Beruf wieder attraktiver zu gestalten.

Busfahrer in München: „Für junge Leute ist der Beruf mittlerweile sehr unattraktiv“

Um 5.39 Uhr fährt Dirk mit einem großen Gelenkbus seine erste Haltestelle an. Er bedient die Linie 62/63, die längste Linie Münchens. „Das ist die größte Herausforderung“, erzählt er im BR-Interview, „weil wir da mit viel Verkehr rechnen müssen und vielen Fahrgästen.“ Von der Forstenrieder Allee bis zum Ostbahnhof braucht er für eine Runde etwa vier Stunden. Sein Glück dabei: Die MVG-Busse sind mit den Ampeln verbunden, sodass der Busfahrer in der Regel immer grün hat.

Screenshot BR Busfahrer München
Dirk ist seit 21 Jahren Busfahrer in München. Er wünscht sich mehr Wertschätzung für den Beruf – auch mit Blick auf das Gehalt. © Bayerischer Rundfunk (Screenshot Doku-Reihe: Lohnt sich das?, Video vom 16.02.2023)

An einer Haltestelle eilen zwei junge Frauen herbei, um den Bus noch pünktlich zu erreichen – der 47-Jährige wartet geduldig auf die beiden. „Dann freut man sich natürlich immer über ein ‚Dankeschön‘. Aber das gibt‘s halt selten.“ Auch die beiden verspäteten Fahrgäste sagen nichts. Der Busfahrer äußert seine Vermutung, es fehle an Wertschätzung für den Beruf: „Für junge Leute, glaube ich, ist der Beruf des Busfahrers mittlerweile sehr unattraktiv. Weil man auch das Wochenende arbeiten muss, man hat verschiedene Schichten.“ Er fordert im Interview mit tz.de mehr Einsatz von der Politik, um den Fachkräftemangel im Verkehrssektor zu bekämpfen. Zum Beispiel durch einen einheitlichen Tarifvertrag für Busfahrer in ganz Deutschland – und Ideen, um die Jugend wieder für den Job zu begeistern.

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„Ja, das ist heftig“ – Busfahrer hat bereits Personenunfälle miterlebt und wurde verprügelt

„Ich hatte 2005 einen Übergriff von einem Fahrgast, der mich zusammengeschlagen hat“, berichtet der Busfahrer dem BR. Der Passagier hätte sich bereits während der Fahrt auffällig verhalten und geschrien. Nachdem Dirk ihn aufgefordert hatte, sich zu beruhigen, wollte der Fahrgast ohnehin ein paar Haltestellen später aussteigen. Doch bevor er den Wagen verließ, habe er Dirk mehrmals ins Gesicht geschlagen. „Er war sportlich angezogen, hatte eine Sporttasche dabei. Immer, wenn solche Leute einsteigen, die dem Täter ähneln, dann muss ich sagen, geht der Puls bei mir schon hoch“, gibt der 47-Jährige zu. Nach fast 20 Jahren bleibt ihm der Vorfall offenbar ins Gedächtnis gebrannt.

Doch Dirk spricht in der Doku noch von weiteren belastenden Erfahrungen, die im Berufsalltag eines Busfahrers langfristig wohl kaum zu vermeiden sind: „Ich hatte tatsächlich auch schon Personenunfälle. Ich hatte ein Kind unterm Fahrzeug liegen, unterm Vorlauf des Busses. Oder dann auch einen Mann, der mir in den Bus reingerannt ist. Mit dem Kopf an die Scheibe.“ Wie er diese Erlebnisse verarbeitet hat, darauf geht er nicht weiter ein: „Das ist halt auch sehr – ja, das ist heftig.“

Kurze Ausbildungsdauer: „Wichtig ist, dass man gesundheitlich fit ist“

Warum er sich dennoch für seinen Beruf entschieden hat? Dirk erzählt dem BR, dass Anfang der 2000er Jahre viele Busfahrer gesucht wurden – und er hätte ohnehin bereits einen Lkw-Führerschein besessen. Für den gelernten Automobil- und Lkw-Mechaniker sei es 2002 der Reiz gewesen, etwas Neues auszuprobieren: „Große Fahrzeuge zu fahren in der Stadt. Natürlich auch mit verschiedenen Fahrgästen.“ Dafür absolvierte er die zwei- bis dreimonatige Führerscheinausbildung als Busfahrer.

Busfahrer Gassi Hund München
Ausgleich nach der Arbeit als Busfahrer: Dirk geht mit seinem Hund Gassi. © Bayerischer Rundfunk (Screenshot Doku-Reihe: Lohnt sich das?, Video vom 16.02.2023)

Auch seine körperliche Gesundheit sei für den Beruf wichtig, erzählt Dirk, denn als Busfahrer trage er eine große Verantwortung gegenüber der Sicherheit seiner Fahrgäste. Alle zwei Jahre finde deshalb eine Überprüfung durch einen Werksarzt statt. „Der Fokus liegt da hauptsächlich auf Augen und Gehirn.“ Obwohl er die Strecken der insgesamt 45 Linien, die er regelmäßig fährt, mittlerweile auswendig kann, sagt er in der Doku: „Mich langweilt Busfahren nicht. Die Fahrgäste sehen das wahrscheinlich anders. Die denken dann: Der schaut doch bloß aus dem Fenster raus. Aber es ist tatsächlich immer wieder 100 Prozent Konzentration.“

Bruttogehalt eines Busfahrers in München: „Auf der Suche nach einer kleineren Wohnung“

Laut Agentur für Arbeit liegt das Gehalt eines Busfahrers in Deutschland im Median bei 3039 Euro, Männer erhalten im Mittel etwas mehr als Frauen. Dirk verdient bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) gemäß Tarifvertrag sogar 3160 Euro Brutto. Hinzu kämen monatliche Basiszuschläge für Schichtdienst und den Arbeitsort München sowie Zeitzuschläge für Nachtschichten, Sonntags- und Feiertagsdienste sowie Überstunden, listet der BR auf. Und Weihnachtsgeld. „Ohne diese Zulagen würde das Geld nicht reichen, hier in München zu leben“, gibt der 47-Jährige an. Das Jahresbruttogehalt berechnet der BR mit etwas mehr als 51.000 Euro.

Die Zuschläge eingerechnet, hätte Dirk im Juni 2022 letztendlich 3940 Euro Brutto verdient. Netto machte das noch 2486 Euro. Der Busfahrer wohnt mit Frau, Sohn und Hund in einer Sechs-Zimmer-Wohnung im Norden Münchens. „Wir haben derzeit noch eine große Wohnung, die viele hinterfragen“, sagt er im Interview mit tz.de. „Unsere drei großen Töchter sind ausgezogen und wir sind auf der Suche nach einer kleineren.“ Angesichts des Münchner Wohnungsmarkts sei das aber gar nicht so leicht.

Busfahrer wirbt trotz Schichtdienst für seinen Beruf

Miete, Versicherungen, Auto und Nahverkehr sowie andere Lebenshaltungskosten abgezogen, bleibt ihm nur ein Überschuss von 38 Euro im Monat, wie der BR angibt. „Ich kann mir leider keine teuren Hobbys leisten. Das geht einfach vom Finanziellen nicht.“ Auch angesichts der hohen Inflation und weil die Nebenkosten durch die hohen Energiepreise stark angestiegen seien.

Interessiert am Beruf Busfahrer?

Am Mittwoch, 1. März, findet von 10 bis 15 Uhr ein Tag der offenen Tür im Busbetriebshof Moosach (Hanauer Str. 24) statt, um den Beruf des Busfahrers bei der MVG besser kennenzulernen. Dirk und andere Mitarbeiter informieren über ihren Arbeitsalltag und Interessierte können in einem „Bewerbungsbus“ eine Proberunde drehen.

Am Ende seines Arbeitstags ist Dirk erschöpft. Und dennoch ist er mit seinem Job zufrieden: „Weil ich viele Menschen von A nach B bringe. Und, weil ich jeden Tag woanders in München unterwegs bin.“ Nach der Frühschicht freut er sich darauf, mit seinem Hund Gassi zu gehen.

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