Neonazi-Morde: Die Terror-Spur führt nach München

München - Hatten Rechtsextremisten in Bayern Kontakt zu den Killer-Nazis? Die tz sprach mit Robert Andreasch, Mitarbeiter des antifaschistischen Archivs aida, über diese und andere brennende Fragen:
Auf der mutmaßlichen Todesliste der Neonazi-Terroristen stehen laut dem Münchner CSU-Abgeordneten Hans-Peter Uhl „überraschend viele“ Personen mit Bezug zu München. Beispielsweise sei auch der türkische Generalkonsul in München unter den 88 möglichen Opfern aufgeführt. Uhl vermutet deshalb eine Verbindung der rechtsextremen Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in den Raum München. Das antifaschistische Archiv aida, das am Mittwoch für seine Arbeit mit dem Josef-Felder-Preis der Bayern-SPD geehrt wurde, beleuchtet schon seit 1990 die rechtsextreme Gefahr in Bayern. Die tz sprach mit dem aida-Mitarbeiter Robert Andreasch über die braune Terror-Spur nach München:
Hatten die Neonazi-Terroristen Helfer in Bayern?
Robert Andreasch, Mitarbeiter des antifaschistischen Archivs aida: Fünf von neun Morden der rassistischen Serie haben in Bayern stattgefunden. Es liegt also nahe, dass es Kontakte und Strukturen gibt, die diese Morde in Bayern ermöglicht haben. Dass als Schwerpunkt der Taten die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Bayern gewählt wurden, ist kein Zufall: Das sind die Länder, in denen Rechtsextremisten von staatlicher Seite am wenigsten Gegenwind bekommen.
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Waren die Ermittler in Bayern also auf dem rechten Auge blind?
Andreasch: In Bayern müssen sich diejenigen rechtfertigen, die etwas gegen Neonazis tun. Hier werden Menschen wie der Holocaust-Überlebende Ernst Grube als Linksextremisten diffamiert und in den Verfassungsschutzbericht geschrieben. In solch einem Klima muss es zu einer Verharmlosung rechter Aktivitäten kommen.
Rein optisch sind auf Bayerns Straßen Neonazis oder Skinheads nicht so präsent wie in etlichen Regionen in Ostdeutschland…

Andreasch: Neonazis gibt es nicht nur dort, wo sie optisch erkennbar sind. Alle Studien ergeben, dass nirgendwo in Deutschland rassistische und antisemitische Vorurteile so stark verbreitet sind wie in Bayern. Auch in Bayern gibt es Dörfer und Kleinstädte, wo Neonazis konsequent versuchen, alternative Jugendkultur zu verdrängen. Auch in Bayern gibt es schwere Gewalttaten durch Neonazis, wir haben hier einen der größten NPD-Landesverbände, das Freie Netz Süd ist eine der größten und straffsten Neonazi-Organisationen in Deutschland überhaupt…
Die SPD fordert, das Freie Netz Süd zu verbieten. Würde das was bringen?
Andreasch: Es ist sehr gut, dass endlich darüber nachgedacht wird! Denn das Freie Netz Süd hat in seiner Bedeutung in Bayern die NPD längst überholt. Und es ist eine Organisation und keine Partei, so dass es mit einem Kurzdekret des Innenministers vom Tisch gewischt werden könnte.
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Aber können die sich dann nicht einfach unter anderen Namen neu gründen?
Andreasch: Solch eine Neugründung ist eigentlich verboten. Es ist deshalb skandalös, dass nach dem Verbot der Fränkischen Aktionsfront im Januar 2004 die Neugründung mit exakt denselben Personen und Themen in Bayern nie strafrechtlich verfolgt wurde.
Wie gefährlich ist die rechtsextreme Szene in Bayern?
Andreasch: Ob in Rosenheim, ob bei der Wehrsportgruppe Wendelstein: Bei fast allen Razzien in der bayerischen Neonazi-Szene in den letzten Jahren wurden Waffen, Munition und zum Teil auch Sprengstoff gefunden! Von den Behörden hört man da standardmäßig, diese Waffen seien in der rechten Szene Statussymbole, würden aber nie eingesetzt werden – das hat sich nun als bitterer Irrtum erwiesen. Die Waffen, die der wegen der Anschlagspläne auf die Münchner Synagoge verurteilte Neonazi Martin Wiese zusammen mit einem Mitarbeiter des bayerischen Verfassungsschutzes einkaufte, wurden bis heute nicht gefunden – sie könnten also immer noch in der Münchner Neonazi-Szene kursieren.
Wurden Sie oder andere aida-Unterstützer von Neonazis wegen ihrer Aufklärungsarbeit persönlich bedroht?
Andreasch: Ja, bis hin zu konkreten Angriffen. Beim letzten Rechtsrock-Spektakel hat Martin Wiese den anwesenden Journalisten öffentlich gedroht, er würde uns eines Tages vor seinen Volksgerichtshof stellen und uns wegen Volksverrat zum Tode verurteilen.
Interview: Klaus Rimpel