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Nicki (†31) starb bei Verkehrsunfall in München - „Ohne meine Mama fühle ich mich leer“

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Von: Nina Bautz

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Leonie (13) am Grab ihrer Mutter am Waldfriedhof
Leonie (13) am Grab ihrer Mutter am Waldfriedhof © Jens Hartmann

Vor 10 Jahren starb Fußgängerin Nicki M. (†31) bei einem Unfall mit einem abbiegenden Lkw am Luise-Kiesselbach-Platz. Sie hinterließ eine dreijährige Tochter: Wie Leonie (13) mit dem Verlust klarkommt, erzählt sie hier.

An viel kann sich Leonie M. (13) nicht mehr erinnern. „Aber ich weiß noch, dass schon alle Kinder aus dem Kindergarten abgeholt waren – und meine Mama nicht kam. Dabei war sie immer pünktlich.“ Ihre Mutter konnte nicht kommen – weil sie bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Ein Lkw hatte die alleinerziehende Nicki (†31) überfahren. Der tragische Unfall am Luise-Kiesselbach-Platz ist am 18. März genau zehn Jahre her. In der tz spricht ihre Tochter über ihr Leben ohne Mutter.

Es ist ein Montag gegen 15 Uhr, als die Arzthelferin Nicki M. über die grüne Fußgängerampel an der Kreuzung Garmischer Straße / Waldfriedhofstraße geht. Der Fahrer eines Betonmischers biegt rechts ab – und übersieht die junge Mutter, die gerade ihre damals dreijährige Tochter abholen will. Nicki hat keine Chance, sie stirbt sofort.

Nach dem Unfall: „Alle waren traurig und ich wusste nicht, warum“

Nickis Vater holt die Enkelin später mit Polizisten von der Kita ab. „Daran erinnere ich mich nicht mehr“, erzählt Leonie. „Da sind viele Lücken. Aber am Abend und am Tag danach waren viele Leute da, alle waren traurig und ich wusste nicht warum, ich habe viel Puzzle gespielt.“ Von nun an kümmern sich die Großeltern um Leonie, vom leiblichen Vater hatte sich Nicki schon kurz nach Leonies Geburt getrennt. Das Mädchen ist von einem Tag auf den anderen alleine, die Großeltern werden zu Ersatzeltern.

Oma Regina (67) erzählte ein halbes Jahr nach dem Tod unserer Zeitung: „Wenn Leonie am Grab ihrer Mutter ist, gräbt sie in der Erde – weil sie ihre Mutter sehen will.“ Leonie habe große Verlustängste gehabt. „Nur ich darf sie vom Kindergarten abholen. Als einmal mein Mann kam, hat sie gefragt, ob ich tot bin.“ Leonie hat solche Erinnerungen verdrängt. Sie ist ein starkes Mädchen und dankbar dafür, was sie heute hat. „Ich bin bei meinen Großeltern genauso gut aufgewachsen wie meine Freunde mit normalen Eltern.“

Leonie hat ein schönes Leben bei den Großeltern – auch wenn die Oma nur eine kleine Mindestrente zur Verfügung hat. Die beiden geben der Enkelin Kraft und Liebe, alles, was ihnen in ihrer eigenen Trauer möglich ist. Nur ihre Mutter, die können auch sie nicht ersetzen.

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Wenn Leonie Unterstützung braucht, bittet sie ihre verstorbene Mutter in Gedanken um Hilfe

„Man braucht halt eine Mama“, sagt die Gymnasiastin nachdenklich. „Ich fühle mich manchmal leer – weil da etwas fehlt.“ Unbewusst sucht Leonie nach ihren Wurzeln, nach Halt. Über ihrem Bett hängen Dutzende Fotos – fast alle sind aus ihrer Zeit als Kleinkind, in der ihre Mutter noch lebte. Abends im Bett denkt Leonie oft an ihre Mutter, dann weint sie manchmal. „Es kommen solche Gedanken, dass sie das nicht mitbekommen wird, wenn ich vielleicht mal selbst Kinder habe oder so …“ In bestimmten Situationen, zum Beispiel wenn sie eine schwierige Schulaufgabe schreibt oder mit ihrer Fußballmannschaft gegen einen starken Gegner spielt, dann denke sie auch an die Mama. „Dann sag‘ ich in Gedanken: ‚Bitte, Mama, hilf mir!“

Ihre Freunde und Lehrer seien immer verständnisvoll und hilfsbereit gewesen, erzählt die 13-Jährige. „Manchmal, wenn es um das Thema Eltern geht, wechseln meine Freunde das Thema, weil sie nicht wollen, dass ich traurig werde.“ Meistens aber lebt Leonie mit ihren Freunden ein ganz normales, unbeschwertes Teenie-Leben.

Leonies Appell an die Lkw-Fahrer

Ein Thema wird die Familie wohl immer beschäftigen: das Thema Sicherheit. Leonie: „Oma ist seit dem Unfall meiner Mutter sehr ängstlich. Aber ich bin im Straßenverkehr vorsichtig: Wenn Freunde über eine rote Ampel gehen, bleibe ich stehen.“ Jetzt zum zehnten Todestag hat Leonie ein Anliegen: „Ich würde mir wünschen, dass Lkw-Fahrer besser aufpassen und dass die Technik sich verbessert – damit so etwas wie uns nicht auch anderen passiert.“

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