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Die Nummer 1 in München: Die grünen Überflieger

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Von: Sascha Karowski

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Die Grünen überflügeln in München nicht nur die SPD, sondern auch die CSU. Mit der Stadtmitte, Schwabing, Giesing, Moosach und Milbertshofen gewinnen die Grünen-Kandidaten sogar fünf Direktmandate. Kurios: In einem Stimmkreis machten am Ende 78 Stimmen den Unterschied.

Ein paar Leute seien noch in der Muffathalle gestanden, erinnert sich Benjamin Adjei (28). Die Gesichter angestrahlt von den Displays ihrer Handys. „Ich habe früher Fußball gespielt“, sagt der neue Landtagsabgeordnete, „daher kenne ich die Spannung, wenn ein enges Spiel am Ende positiv oder negativ ausgeht.“ Es war ein Hin und Her: Nachdem das vorletzte Wahllokal ausgezählt war, hatte Adjei einen Vorsprung von 0,4 Prozentpunkten. „Das letzte Wahllokal lag in Feldmoching-Hasenbergl. Ich wusste, dass ich das nicht gegen Frau Wittmann gewinne. Die Frage war nur, ob der Vorsprung reicht.“

Das tat er. Gegen 1.30 Uhr stand fest: Mit einem hauchdünnen Plus von 78 Stimmen hatte der 28-Jährige das Direktmandat in Moosach gewonnen und die Landtagsabgeordnete Mechthild Wittmann (CSU) auf Platz 2 verwiesen. 26,2 gegen 26,1 Prozent. Wittmann war gestern aus familiären Gründen nicht zu erreichen.

Den Erfolg der Grünen hatten im Norden selbst die kühnsten Optimisten nicht auf der Rechnung . „Daher ist das großartig“, sagt Münchens Grünen-Chefin Gudrun Lux. „Wir werden zwei Leute mit Migrationshintergrund in den Landtag schicken.“

Neben Adjei wird über Giesing auch Stadträtin Gülseren Demirel ins Maximilianeum einziehen. Sie setzte sich mit 30,9 Prozent der Erststimmen gegen den CSU-Abgeordneten Andreas Lorenz (22,9) durch. Deutlich. „Wir wussten, dass es eng werden könnte“, sagt ein CSU-Mitglied. „Die Heftigkeit hat uns überrascht.“ Selbst Demirel hatte das Ergebnis nicht vermutet. „Keiner von uns“, sagt die Stadträtin. „Ich hatte eher ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet.“

Die Siege in den fünf Stimmkreisen sei auf die klaren politischen Botschaften zurückzuführen. „Wir stehen für eine offene, vielfältige, ökologische und pro-europäische Gesellschaft“, sagt Demirel. Und die Grünen hätten darauf geachtet, diese Themen immer positiv zu besetzen. „Es war nicht unser Ziel, die anderen Parteien negativ darzustellen, sondern immer nur, aufzuzeigen, was wir besser machen wollen.“

„Wir haben nie auf andere draufgehauen“

Ein Beispiel aus ihrem Stimmkreis: CSU-Kandidat Andreas Lorenz, der gestern nicht zu erreichen war, hatte plakatiert: Wer FDP und Freie Wähler wählt, bekommt Gülseren Demirel. „Wir haben nie auf andere draufgehauen“, sagt Demirel. Das habe auch die Nicht-Wähler erreicht. „Wir haben das auch immer gesagt, lasst euch nicht provozieren. Wir können inhaltlich punkten“, fügt Lux hinzu.

Die Meinung teilt auch Christian Hierneis, der im hart umkämpften Stimmkreis Schwabing das Direktmandat gegen Ex-Minister Ludwig Spaenle (CSU) gewonnen hat – mit 34,3 zu 20,9 Prozent. „Ich bin immer noch überrascht“, sagt der München-Chef des Bund Naturschutz. „Das ist nicht normal.“ Die übrigen Parteien hätten nicht den Nerv der Wähler getroffen. „Die Themen, die die Menschen interessieren, haben wir besetzt.“ Am Infostand habe er gemerkt: Die Münchner interessierten sich für Umwelt- und Naturschutzpolitik. Oder Gleichstellung. „Das betrifft immerhin etwa die Hälfte der Menschen, aber bei der CSU spielte das null komma null eine Rolle.“

Theiss (CSU): „Wir müssen mit Großstadtthemen anders punkten“

Es ist wenig überraschend, dass die Analyse bei der CSU ähnlich aussieht. Stadtrat Hans Theiss, der in der Stadtmitte gegen den Grünen-Spitzenkandidaten Ludwig Hartmann verlor, erklärte das Ergebnis: „Es liegt sicher auch zum Teil daran, dass wir mit Großstadtthemen anders punkten müssen.“ Hartmann bekam 44 Prozent der Erststimmen, Theiss kam nur auf 16,3 Prozent – natürlich auch, weil Hartmann durch seine Spitzenkandidatur überregional präsent war. Für die CSU im Stadtrat dürfte die Niederlage verschmerzbar sein. Denn Theiss bleibt nun im Gremium, die CSU hat dadurch eine Personalsorge weniger. Theiss gilt nun als Favorit für den Posten des Fraktionschefs oder gar das Amt des Bürgermeisters.

Ähnlich wie Hartmann hat im Stimmkreis Milbertshofen Katharina Schulze mit ihrer Popularität Wähler gewonnen. Sie besiegte mit 34,9 Prozent Erststimmen Tina Pickert (CSU, 21,1 Prozent) sowie die Inhaberin des Direktmandats, Ruth Waldmann (SPD, 14,3 Prozent, siehe Text unten). Pickert sagte unserer Zeitung: „Bei mir ist schon auffällig, dass die Grünen-Kandidatin nicht im Stimmkreis wohnt und hier auch nichts gemacht hat.“ Aber Schulze war natürlich überregional präsenter. „Das ist schon eine Aussage, dass eben mehr überregionale Themen eine Rolle gespielt haben.“

Für Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle ist die Niederlage in Schwabing sehr schmerzhaft, denn der 57-Jährige sitzt seit 1994 im Landtag, seit 1998 ist er Inhaber des Direktmandates. Wie es mit ihm nun weitergeht, lesen Sie hier.

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