Giesing: „Ampelmonster“ im Einsatz - Nicht bei Rot über die Straße!

Bei roter Ampel die Straße überqueren – wenn daneben Kinder warten? Geht gar nicht, findet Peter Böhling. Doch statt mit Moral kommt der Familienvater lieber mit Humor – und hat mit Schülern gruselige Figuren erfunden.
München - Die Monster-Idee entstand an einer roten Ampel in Giesing. Peter Böhling wartete dort mit seinem sechsjährigen Sohn, um die Ichostraße zu überqueren, als neben ihnen plötzlich jemand hinüberging. Und das Rotlicht und das Kind einfach ignorierte. „Da beschloss ich, was Sinnvolles daraus zu machen“, sagt Böhling, Künstlername „Bulo“.
Allzu viele Eltern in München kennen das: Da beschwören sie ihr Kind jahrelang, dass man nur bei Grün die Straße überquert – und im Alltag läuft regelmäßig ein Passant neben ihnen über Rot. Wie soll man da reagieren? „Und wie hält man das Kind davon ab, automatisch hinterherzulaufen?“, fragt Bulo.
Das Thema ist ein Dauerbrenner, zumal in der Großstadt. Im Jahr 2016 zog die Polizei in München 432 Fußgänger zur Rechenschaft, die das Rotlicht missachtet hatten; im Vorjahr waren es erst 350 gewesen. Zudem passierten 66 Verkehrsunfälle nur deswegen, weil ein Fußgänger bei Rot gegangen war. „Das wollen wir doch unseren Kindern nicht beibringen“, sagt Bulo. „Ich ärgere mich, wenn Leute so gedankenlos sind.“
„Ampelmonster“: Humorvolle Anregung für ein ernstes Anliegen
Also hat er sich Gedanken gemacht. Und ein Kunstprojekt gestartet: „Nur Ampelmonster geh’n bei Rot!“ Der 46-Jährige weiß: „Wenn man mit erhobenem Zeigefinger kommt, reagieren die Leute oft abwehrend.“ Also versucht er es „mit Humor und spitzer Feder“, denn: „Verhalten ändert sich eher, wenn man lacht.“ Die spitze Feder führt nicht er – sondern Kinder. Ihre Ampelmonster sind bunte, gruselige, verrückte Wesen, die bei roter Ampel über die Straße laufen. Sie haben drei Augen oder sechs Arme, sehen außerirdisch aus oder haben durchaus menschliche Züge. „Das war die Idee: Wir kämpfen gegen witzige Ampelmonster“, sagt der Künstler, Marketingberater und kreativer Macher.

Gemalt haben sie die Kinder aus allen zwölf Klassen der Ichoschule. Deren Rektor Martin Rothenaicher war sofort begeistert, als Bulo mit seiner Idee zu ihm kam. „Wir haben hier auch eine extreme Situation“, sagt Rothenaicher. Die Grundschule liegt verkehrsumtost am Giesinger Berg auf dem Spitz zwischen Icho-, Silberhorn- und Tegernseer Landstraße. Die Fußgängerampel an der Ecke Icho-/Tegernseer Landstraße zeigt laut Bulo genau sechs Sekunden Grün – was niemals reicht für ein Kind. „Immer wieder weisen uns Eltern darauf hin, dass Fußgänger das Rotlicht ignorieren und den Kindern ein äußerst schlechtes Vorbild sind“, sagt Rothenaicher. „Teilweise sind es sogar Eltern selber, die ihr Kind über die Straße ziehen.“ Dabei kann es für Kinder lebensgefährlich sein, bei Rot zu gehen: „Sie können noch nicht einschätzen, wie schnell sich ein Auto nähert.“
Ein schwerer Unfall vom Januar im Münchner Osten wirft übrigens die Frage auf, warum viele Menschen die Signalanlage nicht nutzen und stattdessen den gefährlichen Weg wählen.
Die Bußgelder sind gering: Wer beim Rotgehen erwischt wird, zahlt fünf Euro Bußgeld; wer dabei einen Unfall verursacht, zehn Euro. Die Polizei kontrolliert nur sporadisch im Rahmen des Streifendienstes und bei besonderen Aktionen. „Früher habe ich mich auch wenig darum geschert“, gibt Bulo zu. „Aber mit Kindern ändert sich das.“
„Das zieht sicher mehr als fade ,Den Kindern ein Vorbild’-Plakate“
Umso glücklicher ist er, dass Rothenaicher den jüngsten Kunstgestaltungstag an der Schule dafür nutzte, die Kinder für das Thema Schulwegsicherheit zu sensibilisieren. Die Lehrer ließen die Kinder frei gestalten, wie auch immer sie sich Ampelmonster vorstellen. Heraus kamen rund 300 prächtige Kunstwerke.
Die herausragendsten will Bulo in einem Buch veröffentlichen, „als Idealist“, ohne Gewinn. Für die Produktionskosten sucht er nun einen Sponsor. Außerdem will er an die Stadt herantreten, ob sich das Projekt auch an anderen Schulen verwirklichen lässt – und ob einige Motive an besonders sensiblen Ampelkreuzungen als Schilder angebracht werden können. „Das zieht doch sicher mehr als diese faden ,Den Kindern ein Vorbild’-Plakate“, sagt er schmunzelnd. „Wann immer man etwas spielerisch gestaltet, findet es eher den Weg in die Herzen und Hirne.“

Dass das mindestens bei den Icho-Grundschülern bereits gelungen ist, beweist Rothenaichers Erzählung: „Ich stand neulich an einer Ampel, da ging eine Frau bei Rot hinüber. Und ein paar meiner Schüler haben ihr ,Typisch Ampelmonster!’ hinterhergerufen. Das zeigt doch, dass etwas hängengeblieben ist“ Die Dame habe sich immerhin irritiert umgedreht.
Übrigens ergab ein Entscheidung des Oberlandesgerichts München: Jugendliche ab 14 Jahren sind für ihre Sicherheit im Straßenverkehr mitverantwortlich. Sie müssen beim Überqueren der Fahrbahn auf den Verkehr achten. Tun sie dies nicht und werden angefahren haben sie keinen Anspruch auf Schadenersatz.
Die besten und wichtigsten Geschichten aus diesem Teil Münchens posten wir auch auf der Facebook-Seite „Giesing – mein Viertel“.