Was macht die Faszination Oktoberfest aus?
Als Kind, wenn der Wind gut stand, habe ich die Wiesn bis nach Laim gerochen. Und in meiner Zeit als Bedienung ist die Liebe gewachsen. Ein mittlerweile verstorbener Freund und Musiker hat mich mal mit auf die Bühne genommen. Dann hat er nur drei Takte eines Wiesn-Klassikers gespielt. Trotzdem sind alle aufgestanden und haben gejohlt. Nach drei Takten! Das gibt’s nur auf der Wiesn.
Was ist Ihre liebste Erinnerung an den Kellner-Job?
Einmal mittags im Biergarten kam – wie jeden zweiten Tag – eine Frau mit ihrem pinkfarbenen Kinderwagen. Darin lag kein Kind, sondern ihr Hund. Ein Bauer an einem Tisch beobachtete sie argwöhnisch. Dann ging er zu ihr, deutete auf den Hund und fragte: „Wer ist denn da der Vater?“ Sie war völlig unbeeindruckt und antwortete: „Den gibt’s nimmer. Den braucht keiner.“ Dann ging der Mann wieder zurück zu seinem Platz. Das sind Wiesn-Begegnungen pur. Man nimmt sich dort die Zeit zum Leben, zum Erfahren und Betrachten. Die Wiesn ist tiefgründig menschlich.
Sie klingen sehr euphorisch, wenn Sie vom Oktoberfest sprechen.
Es gibt natürlich auch eine traurige Seite: den Obdachlosen, der die Noagerl austrinkt, oder die Flaschensammler. Oder die Schlägereien. Aber alles im Leben hat zwei Seiten. Natürlich hab auch ich oft gedacht: Ich kann nimmer.
Warum?
Alleine wegen der Lautstärke. Es ist ein Knochenjob, vor allem mental. Es hängt viel von den Gästen ab, es gibt schon anstrengende Grantler. Es hat mich auch gestört, wie Gäste mit Nahrungsmitteln umgehen, wie viel ich wegschmeißen musste. Einmal hat ein Madl fast die ganze Ente mit Blaukraut und Knödl zurückgehen lassen. Da hat ein Kollege aus Kolumbien gemeint: „Bei uns würden damit zehn Leute ein Fest feiern.“ Aber ich hatte immer die richtige Motivation, weiterzumachen.
Was hat Sie motiviert?
Ich habe immer für einen guten Zweck gearbeitet. Erst ging das Geld an die Stiftung der Entwicklungshelferin Lotti Latrus, später an den Verein von Christian Springer. Viele Wiesn-Besucher brachten mir zusätzliche Spenden. Einer kam einmal mit einem Umschlag mit mehreren hundert Euro. Er sagte: „Meiner Tochter hat mir wegen meines Herzens verboten, Bier zu trinken. Vom Spenden hat sie nichts gesagt…“
Der Erlös des Wiesn-Buches kommt auch nicht Ihnen zugute.
Der geht an einen Helferkreis, der sich um eine Bauernfamilie aus Moosinning kümmert. Ihr Sohn hatte einen sehr schweren Unfall. Ich habe überlegt, wie ich ihnen helfen kann. Und da ich mittlerweile ein versierter Autor bin, kam die Idee zu diesem Buch.
Sie waren mit einer Unterbrechung elf Jahre als Bedienung auf der Wiesn. Wie viele Masskrüge können Sie tragen?
14 Mass. In jeder Hand sechs und eine obendrauf.
Respekt!
Das ist eher Mittelfeld. Ich habe kurze Finger. Manche haben Hände wie Schneeschaufeln, die schaffen dann 17.
Wie viele Teller schaffen Sie?
Bis zu 25 auf einem Schlitten. Das muss man gut verteilen können. Oben drauf darf nichts mit Soße stehen. Man lernt wahnsinnig viel auf der Wiesn von den Kollegen. Die Wiesn kann süchtig machen.
Werden Sie nicht doch noch einmal rückfällig und arbeiten wieder dort?
Nein, ich werde heuer 62 Jahre. Irgendwann ist Schluss. Ich bin vor vier Wochen am Berg gestürzt und habe mir das Sprunggelenk zertrümmert. Ich habe zwei Platten und 15 Schrauben im Fuß und bin nun auf Krücken angewiesen. Ich hoffe aber, dass ich spätestens in der zweiten Wiesn-Woche rauskomme und im Schottenhamelzelt meine Kollegen besuchen kann. Die Wiesn ist ja auch als Besucher schön.
Das Interview führte Nina Bautz.