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Kahn mit Tempo 163 in 80er-Zone geblitzt: Freispruch!

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Oliver Kahn © Getty

Traunstein - Das nennt man Dusel! Torwartlegende Oliver Kahn kam in eine Geschwindigkeitskontrolle, wurde geblitzt und wird doch nicht bestraft. Wie das geht, wurde am Donnerstag vor dem Amtsgericht Traunstein erörtert.

Kahn war am 21. Oktober 2009 mit einem weißen AMG-Mercedes (650 PS) auf der A 8 in Richtung München unterwegs. Die Verkehrspolizei Traunstein überwachte bei Bergen das dortige Tempolimit von 80 Stundenkilometern. Kahns Mercedes wurde um 14.50 Uhr mit 163 Stundenkilometern gemessen. Nach Abzug der Toleranz blieben 158 übrig – genug für ein Bußgeldverfahren vorm Amtsgericht. Richter Rainer Vietze prüfte den Fall eingehend mithilfe eines Gutachters. Das verblüffende Ergebnis: Der Mercedes war noch vor der Messlinie, als ein „vorauseilender Lichtreflex“ die Messung startete. Der Sachverständige, Professor Jochen Buck, sprach dabei von einem ihm „noch nie vorgekommenen Sonderfall“.

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Olli Kahn, dessen Verkehrszentralregister zwei Geschwindigkeitsverstöße und das Überfahren einer roten Verkehrsampel samt Fahrverbot und Geldbuße enthält, musste vor Gericht nicht persönlich aufkreuzen. Für seinen Mandanten räumte Rechtsanwalt Peter Christ aus München dessen „Fahrereigenschaft“ an jenem Tag ein – was die Polizeifotos auch bewiesen. Darüber hi­naus gab der Anwalt namens des Betroffenen keine Erklärungen ab. In seinem Einspruch gegen den amtsgerichtlichen Bußgeldbescheid vom 15. Dezember 2009 hatte Kahn angeben lassen, er sei vorschriftsmäßig mit Tempo 80 über die Brücke gefahren. Ein von ihm eingeschalteter Privatgutachter brachte im Lauf des Bußgeldverfahrens dann „vo­rauseilenden Lichtreflexe“ ins Spiel.

Messbeamter war an jenem sonnigen Nachmittag ein Polizeioberkommissar (50) der Verkehrspolizeiinspektion Traunstein. Als Messgerät diente ein Einseitensensor, eine Art Fotogerät, das manchmal durch Schatten in Verbindung mit schwarzen oder weißen Wagen keine Messungen liefert. Dazu der Polizist: „Entweder es geht, oder es geht nicht.“ Auch der Entwicklungsleiter des Herstellers wurde gehört. Er verneinte Falschmessungen durch reflektierte Sonnenstrahlen. „Das optische Messsystem kann ein Fahrzeug bei der Durchfahrt sehen.“ Daraus entstehe eine Weg-Zeit-Messung. Durch „vorauseilende Effekte“ wie Sonnenstrahlen könne das System zwar gestartet werden. Das hinterher kommende Fahrzeug werde aber erkannt und richtig gemessen. Und: Entweder habe man eine gültige Messung, oder sie werde sofort annulliert.

Weder an der Qualifikation des Polizisten und des Auswertenden noch an der Zuverlässigkeit des Geräts hegte der Sachverständige Zweifel. Im Falle Kahns habe die Messung aber begonnen, als das Fahrzeug 1,5 Meter von der entsprechenden Linie entfernt war. Professor Buck: „Vorauseilende Reflexionen lösten die Fotodioden aus.“ Die Messung könne richtig gewesen sein oder auch nicht.

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Die Bußgeldtabelle - VERGRÖSSERN

Staatsanwältin Monika Schwertl warf ein, ein solcher Lichtreflex habe doch die gleiche Geschwindigkeit wie das Fahrzeug. Dass ein vorauseilender Lichtreflex konstant sei, wage er nicht zu sagen, antwortete Professor Buck. Das sei eine Annahme und nicht zur Verurteilung des Betroffenen geeignet. Der Gutachter verfügt über lange Erfahrung als Messtechniker und macht Hunderte Gutachten im Jahr. „In unserem Büro ist das der erste Fall dieser Art. Ich war selbst überrascht, dass ich zum gleichen Ergebnis kam wie der Privatgutachter. Ich sage nicht, die Messung stimmt nicht. Es ist umgekehrt: Die Messung stimmt wahrscheinlich, ich kann aber nicht sagen, ob die Geschwindigkeit korrekt generiert wurde.“ Fazit: „Ein Sonderfall. Es lag wahrscheinlich am Wetter, an Art und Farbe des Autos. Man könnte auch sagen: Es ist einfach dumm gelaufen.“

Die Staatsanwältin wollte in ihrem Plädoyer trotzdem die geforderten 600 Euro Bußgeld und ein dreimonatiges Fahrverbot für Kahn. „Nach meiner Ansicht ist das viel zu schnelle Fahren erwiesen.“ Verteidiger Christ forderte nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ Freispruch. Dem folgte der Richter. Für eine Verurteilung bedürfe es einer konkreten Geschwindigkeit oder einer konkreten Mindestgeschwindigkeit. Dass Kahn wahrscheinlich zu schnell gefahren sei, reiche nicht aus. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob sie Rechtsbeschwerde einlegt.

KD.

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Kahn-Gutacher: Das ist kein Einzelfall!

War der Messfehler in Fall Oliver Kahn nur Zufall? Fakt ist: Es gab bereits mehrere Verfahren gegen Temposünder, die unter ähnlichen Umständen eingestellt wurden. Josef Strouhal (62), der das Privatgutachten für Oliver Kahn erstellte, sagt: „In Augsburg gab es davon schon eine gute Hand voll.“ Wie bei Kahn löste auch hier die Messung aus, bevor die Autos die Messlinie erreicht hatte. Warum? Das versucht der Diplomingenieur aus Germering derzeit herauszufinden. „Wir schauen uns gerade eine ganze Reihe von Filmen an, die bei Tempomessungen gemacht wurden. Noch gibt es aber kein Ergebnis.“ Fakt sei, so Strouhal, das der Fehler immer beim selben Gerät auftauche, dem Einseitensensor Eso1. Sein Tipp: Wer Zweifel an einem Bußgeldbescheid habe, der solle unbedingt widersprechen. Dabei sei allerdings eine Rechtsschutzversicherung hilfreich. Gutachten seien nicht ganz billig …

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