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Omikron-Schock - Münchner Mediziner: „Ernüchternd und besorgniserregend!“

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Von: Andreas Beez

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Chefarzt Clemens Wendtner Infektiologe
Der Infektiologe Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing hat bereits die ersten Covid-Patienten in Deutschland behandelt. © Fotograf München Klinik/dpa/München Klinik Schwabing

Mitten in der kritischsten Phase der vierten Corona-Welle halten neue Studien zu den Impfstoffen die Wissenschaft in Atem. Für Wirbel sorgen vor allem Daten zur mauen Wirkung gegen die neue Variante Omikron. Top-Wissenschaftler wie der Münchner Infektiologe Professor Clemens-M. Wendtner sind alarmiert.

Nachricht verbreitet sich wie Lauffeuer

Ihre Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Auf Twitter zwitscherte die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek gestern, was in der Welt der Wissenschaftler die Spatzen bereits von den Dächern gepfiffen hatten: Gegen die neue Corona-Variante Omikron wirken die gängigen Impfstoffe vergleichsweise schlecht, möglicherweise sogar überhaupt nicht.

Biontech und Moderna: Booster gegen Omikron nicht so effektiv wie gegen Delta

Top-Virologe Professor Dr. Klaus Stöhr
Top-Virologe Professor Dr. Klaus Stöhr © privat

Zwar stammen Cieseks erste Daten aus Labortests, sind damit mit Blick auf ihre Aussagekraft „limitiert“, wie der Virologe Klaus Stöhr zu bedenken gibt. Man müsse erst abwarten, ob größere Laborstudien und klinische Befunde die Ergebnisse erhärten. Aber die Hinweise auf eine geringere Schutzwirkung von Biontech, Moderna & Co. vor Omikron sind nicht wegzudiskutieren: Laut Ciesek zeigen die Vakzine nach sechs Monaten keinen Schutz mehr – ganz anders als dies bei der derzeit vorherrschenden Delta-Variante in der Regel der Fall ist. Selbst der Booster wird bei Omikron zum Rohrkrepirer, er schützt nur zu etwa 25 Prozent. Allerdings, so die hessische Wissenschaftlerin, beziehen sich diese Zahlen lediglich auf das Risiko einer Infektion. Ob und wie gut die Vakzine dem schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung vorbeugen, lasse sich derzeit noch nicht beurteilen.

Wendtner in doppelter Hinsicht besorgt

Trotzdem: Wissenschaftlerkollegen werten Cieseks Erkenntnisse als Dämpfer im Kampf gegen Corona. „Die Daten sind ernüchternd bis besorgniserregend – und zwar gleich in zweierlei Hinsicht“, sagte Clemens-M. Wendtner von der München Klinik unserer Zeitung. Zum einen sei die Wirksamkeit der gegenwärtigen Impfstoffe bei Omikron um das 37-Fache reduziert. Zum anderen wirkten die monklonaren Antikörper-Medikamente, die derzeit in der Frühphase der Infektion eingesetzt werden und einen schweren Verlauf verhindern können, bei Omikron praktisch nicht. Doch trotz der Omikron-Hiobsbotschaften dürfe die endlich etwas in Fahrt gekommene Impfkampagne jetzt nicht stoppen, betonen mehrere Corona-Spezialisten unisono – schon allein mangels Alternative. „Die gegenwärtigen Impfstoffe werden das Mittel der Wahl in diesem Winter bleiben. Vor Februar oder März wird es keine signifikanten Mengen an aktualisiertem Impfstoff geben“, sagte Impfstoff-Experte Stöhr unserer Zeitung.

Viele Geimpfte sind auch durch ihre T-Zellen besser geschützt

Diese Einschätzung bestätigte der Impfstoffhersteller Biontech/Pfizer gestern indirekt selbst. Er kündigte für Ende März einen angepassten Impfstoff an. Auch andere Hersteller wie Moderna dürften schnell nachziehen. „Die mRNA-Impfstoffe können relativ schnell an neue Virusvarianten angepasst werden“, sagt Wendtner. Er rechnet damit, dass „schon in einigen Wochen ein modifizierter Impfstoff gegen Omikron zur Verüfgung stehen könnte“.Bis es soweit ist, müsse das Boostern mit den herkömmlichen Vakzinen beschleunigt werden. „Boostern hilft auch gegen Omikron“, so Wendtner. „Zwei Wochen nach der dritten Impfung betrage der Impfschutz immerhin noch 50 Prozent, nach drei Monaten sinke er auf 25 Prozent.“ Dazu komme, dass Antikörper nicht das alleinige Kriterium sind, um ein Corona-Drama auf der Intensivstation zu verhindern. „Jeder vierte Geimpfte, der keine neutralisierenden Antikörper mehr aufweist, ist immer noch durch seine T-Zellen vor einem schweren Verlauf geschützt.“

Top-Wirkung der Vakzine gegen Delta-Variante

Der Münchner Infektiologe Dr. Christoph Spinner ist Pandemiebeauftragter des Uniklinikums rechts der Isar.
Der Münchner Infektiologe Dr. Christoph Spinner ist Pandemiebeauftragter des Uniklinikums rechts der Isar. © Astrid Schmidhuber

Gegen die aktuell vorherrschende Delta-Variante wirken die Impfstoffe sehr gut – und insbesondere das Boostern. Das belegen neue Studien aus Israel. „Das Risiko einer Infektion reduziert sich über alle Altersguppen hinweg um das Zehnfache. Bei den über 60-Jährigen sinkt die Gefahr eines schweren Verlaufs um das 18-Fache und die Todeswahrscheinlichkeit um das 18-Fache“, berichtet Infektiologe Spinner und rät: „Man sollte sich fünf bis sechs Monate nach der zweiten Impfung boostern lassen. Am besten noch vor den Feiertagen – auch damit das Fest im Kreise der Liebsten sicherer wird!“

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