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Pannenserie der S-Bahnen im Februar: Offenbar war nur eine Person schuld

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Von: Dirk Walter

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Verhängnisvoller 26. Februar: Nach Kurzschlüssen muss eine S-Bahn evakuiert werden.
Verhängnisvoller 26. Februar: Nach Kurzschlüssen muss eine S-Bahn evakuiert werden. © Feuerwehr München

Zwei Wochen nach der Pannenserie bei der S-Bahn versucht sich der bayerische Bahnchef an einer Erklärung. Auslöser war wohl ein Fehlgriff eines Lokführers, der 43 Kurzschlüsse auslöste.

München - „Da haben wir eine harte Betriebswoche hingelegt“, sagt Klaus-Dieter Josel. Bayerns Bahn-Chef muss im Wirtschaftsausschuss des Landtags die berüchtigte Montags-Panne vom 26. Februar erklären, als die S-Bahn-Pünktlichkeit auf einen Negativwert von knapp über 50 Prozent fiel und Fahrgäste zum Teil über eine Stunde auf eisigen Bahnhöfen festsaßen.

Ausgelöst wurde die Panne offenbar durch die Fehlentscheidung eines Lokführers, der für eine Fremdfirma arbeitete und zum falschen Zeitpunkt den Stromabnehmer seiner Lok hochfuhr. Dadurch kam es zu nicht weniger als 43 Kurzschlüssen - der gesamte S-Bahn-Verkehr brach zusammen. Der Lokführer war über sein Vorgehen wohl selbst entsetzt. Er setzte keine ordentliche Meldung ab, so sagt Josel, sondern „er hat das Weite gesucht“. Ermittlungen laufen, dass die Bahn bei der Fremdfirma Schadenersatz anmeldet, scheint nicht ausgeschlossen.

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Kaum Weichenstörungen laut Bayerns Bahn-Chef

Josel trat vor den Abgeordneten dem Eindruck entgegen, der Winter habe die Bahn wieder einmal ins Schleudern gebracht. Auch auf den darauffolgenden Tagen war dem nicht so, sagt er. Weichenstörungen gab es kaum, wohl aber Spannungsschwankungen im Bahnstromnetz. „Das wird untersucht.“ Ebenso ist jetzt klar, dass das Stellwerk am Ostbahnhof ersetzt werden muss. Das hatte die Bahn bisher bestritten. Nun aber sagt Josel, dass die Stellwerkstechnik mit Relais aus den 1970er Jahren „an ihre Grenzen“ stößt. Gleichzeitig mit der Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke Ende 2026 müsse ein neues digitales Stellwerk her. Das kostet insgesamt 160 Millionen Euro.

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Verärgert reagierten die Abgeordneten auf Josels Ankündigung, die Anzeiger an den Bahnhöfen könnten erst in gut zwei Jahren so umgestellt werden, dass sie auch im Störungsfall zuverlässig Echtzeit-Informationen anzeigen. „Das muss schneller gehen“, verlangte der SPD-Abgeordnete Eberhard Roos. Dass sich die Fahrgäste allein auf eine App verlassen sollen, sei zu wenig. Auch der CSU-Politiker Erwin Huber zeigte sich skeptisch. „Können wir uns darauf verlassen“, fragte er in Richtung Josel.

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Herrmann kritisiert Zeitpläne bei Bauprojekten

Zuvor hatte Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) einen Überblick über geplante Bauprojekte der Bahn in Bayern gegeben. Er kritisierte deutlich seinen Vorgänger Martin Zeil (FDP), der den Abgeordneten „völlig unrealistische“ Zeitvorgaben genannt habe. Herrmann sprach auch von „Wunschträumen“.

Insgesamt 28 Maßnahmen in der Region München hält die Bahn für sinnvoll, 23 davon sind in Planung oder Bau. Klar ist aber, dass die meisten großen Ausbauprojekte erst nach Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke kommen werden, die Verlängerung der S7 nach Geretsried zum Beispiel 2028, der Ausbau der S4 Pasing-Eichenau gar erst Ende 2030. „Wir stehen am Anfang der Planungen“, sagte Herrmann zu letzterem Projekt. „Da wird’s auch Einwendungen der Anlieger geben.“

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Interview mit dem GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, besuchte am Donnerstag die Betriebsversammlung der S-Bahn München. Vorher gab er unserer Zeitung ein Interview.

Die neue Bundesregierung hat große Ziele mit der Bahn. Bis 2030 soll der Bahnverkehr verdoppelt werden. Ist das realistisch?

Weselsky: Nein. Viele Aussagen im Koalitionsvertrag sind positiv, auch der Anstieg der Budgets. Aber die Deutsche Bahn AG hat einen Grundfehler: Sie ist rein gewinnorientiert, was in der Vergangenheit dazu führte, dass oft Investitionen aufgeschoben wurden. Das muss sich ändern.

Was schlagen Sie vor?

Weselsky: Wir fordern eine zweite Bahnreform, die Zusammenführung der Bahntöchter DB Netz AG, DB Station & Service AG und DB Energie GmbH in die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH. Dadurch entfiele die gesetzliche Verpflichtung, Gewinne zu erzielen und im Zweifelsfall dann eben nötige Brückensanierungen aufzuschieben.

Leidet die Bahn hier nicht an Fehlern der Vergangenheit - sprich den Börsenplänen?

Weselsky: Das stimmt. Unter dem DB-Vorstandschef Mehdorn wurden schlimme Fehler gemacht. Zum Beispiel steht jetzt im neuen Koalitionsvertrag der GroKo als Ziel der Betrieb von 740 Meter langen Güterzügen. Diese müssen im Mischbetrieb natürlich gelegentlich den Weg für schnelle ICE frei machen. Überholgleise wurden aber unter Mehdorn massiv abgebaut. Das rächt sich jetzt.

Die Bahn verspricht auch einen Sprung ins digitale Zeitalter.

Weselsky: Das unterstützen wir. Hätte das Schienennetz flächendeckend die Sicherungstechnik ECTS Level 2, könnten viel mehr Züge in dichterer Abfolge fahren als heute. Ich befürchte aber, die Bahn setzt bei der Digitalisierung vor allem auf unsinnige Prestigeprojekte.

Was meinen Sie?

Weselsky: Eine vollautomatisch betriebene Versuchsstrecke, mit der die Bahn offenbar liebäugelt, wäre volkswirtschaftlicher Wahnsinn. Es gibt heute nicht einen Eisenbahntunnel, der die Voraussetzungen dafür erfüllen würde. Da wären Milliardeninvestitionen notwendig - nur um einen Lokomotivführer einzusparen, der dann von einer Zentrale aus den Betrieb überwachen müsste. Dabei haben wir bei den Lokomotivführern doch heute schon massive Nachwuchsprobleme. Allein bei der S-Bahn München fehlen mindestens 60 Kollegen.

Besuch in der Redaktion: GDL-Chef Claus Weselsky steht Rede und Antwort.
Besuch in der Redaktion: GDL-Chef Claus Weselsky steht Rede und Antwort. © Schlaf

Interview: Dirk Walter / Video: Glomex

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